Den neunten Sieg in Serie verpasst - und trotzdem wieder einen Schritt weitergekommen. Beim 1:1 im Testspiel in den Niederlanden bestätigte die deutsche Nationalmannschaft mit einem insgesamt überzeugenden Auftritt den Aufwärtstrend der vergangenen Monate.
Verantwortlich dafür ist Hansi Flick. Seit der Ex-Bayern-Coach das Amt als Bundestrainer von Jogi Löw übernommen hat, ist bei der DFB-Elf nach Jahren der Stagnation endlich eine Weiterentwicklung zu erkennen.
"Wir wollen erfolgreichen, schönen, modernen Fußball spielen, mit sehr hoher Intensität, aktiv", sagte Flick kurz nach seinem Amtsantritt im vergangenen Sommer. Und tatsächlich: Was gegen Gegner wie Armenien, Rumänien und Liechtenstein keine besonders schwierige Aufgabe darstellt, setzte die Mannschaft nun auch erstmals gegen ein Schwergewicht um.
Flick hat die Mannschaft quasi wiederbelebt. Anders als beim verdienten EM-Aus im Vorjahr unter Löw spielt sie nicht mehr abwartend, passiv, defensiv und auf Konter lauernd. Gegen die Niederlande ergriff die DFB-Elf von Beginn an die Initiative, zog sich auch nach dem 1:0-Führungstreffer durch Thomas Müller nicht zurück und ging auf das zweite Tor. Die Bilanz: 62:38 Prozent Ballbesitz, 14:9 Torschüsse.
Hansi Flick: Großes Vertrauen in Top-Talente
"Für die Zuschauer war das ein Topspiel mit hoher Intensität. Wir hatten 60 Minuten lang den Gegner gut im Griff und hätten durch David Raum das 2:0 machen müssen", zeigte sich Flick happy. "Riesenkompliment dennoch an meine Mannschaft, das ist einfach schön, wie sie spielt, wie alle den Weg mitgehen: mutig, erfrischend, selbstbewusst. Mit dem 1:1 können wir zufrieden sein, obwohl wir lieber gewonnen hätten."
Dass dabei nicht alles klappte und vor allem ab dem Ausgleich der Hausherren die Kontrolle verloren ging, gehört zu einer Entwicklung dazu und muss der teils jungen Mannschaft auf dem Weg zur WM in Katar verziehen werden. Denn: Spieler wie David Raum, Jamal Musiala und Nico Schlotterbeck deuten ihr Potential schon jetzt mehr als nur an.
Raum als Tempomacher und Flankengeber auf der in der Nationalmannschaft lange problembehafteten linken Seite, Musiala als giftiger Balldieb und dynamischer Tempodribbler im Mittelfeldzentrum, Schlotterbeck als chirurgisch genauer Passgeber aus der Defensive heraus.
Wie gut das im Zusammenspiel funktionieren kann, zeigte eine Szene in der 64. Minute: Nachdem der Ball in der Vorwärtsbewegung verloren ging, jagte Raum einem niederländischen Konter sofort hinterher, erkämpfte sich gegen Depay die Kugel zurück. Musiala setzte sich anschließend gegen Wijnaldum durch, schaltete seinerseits direkt wieder zum Gegenstoß um.
Flick fördert die Talente - und baut die in ihren Vereinen etwas abgehängten Nationalspieler wieder auf. Timo Werner durfte sowohl gegen Israel als auch gegen die Niederlande von Beginn an ran, Julian Draxler zumindest in der ersten Partie. Flick gibt ihnen Spielpraxis und Selbstvertrauen, macht ihnen hinsichtlich der WM aber auch gleichzeitig Druck.
"Die Spieler müssen selber Verantwortung übernehmen und einschätzen können, was für ihre Zukunft am besten ist. Die Situation ist bei beiden nicht zufriedenstellend", sagte er nach dem 2:0 über Israel.
236 Tage vor der WM in Katar: Die Perspektive stimmt
Wohl aber die der Nationalelf. Acht von neun Spielen hat die Mannschaft unter Flick gewonnen, dabei 34:3 Tore geschossen. Bedenkt man, dass beim Klassiker in Amsterdam Leon Goretzka, Joshua Kimmich, Niklas Süle und Serge Gnabry fehlten und bald wieder eine Rolle spielen, stimmt die Perspektive des DFB-Teams 236 Tage vor dem Anpfiff in Katar umso mehr.
"Jeder möchte Weltmeister werden. Das ist unser großes Ziel. Da stapeln wir jetzt auch nicht tief", sagte Flick in der ARD-Sportschau vor einigen Wochen. Bei der Auslosung der WM-Gruppen am Freitag dürfte die Konkurrenz nicht gerade in Jubelstürme ausbrechen, sollte die Loskugel das Wörtchen "Germany" enthalten.
Auch ein Verdienst von Hansi Flick: "Wir fahren dort hin, werden uns die Sache angucken und schauen, was wir zugelost bekommen und werden uns auf die Aufgabe top vorbereiten. Wir wollen den sehr, sehr guten Weg, den wir bestreiten, so weitergehen."