DFB-Team - Das Nominierungsverhalten von Bundestrainer Hansi Flick: Schwer zu folgen

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Vor den Länderspielen der deutschen Nationalmannschaft gegen Japan und Frankreich stehen alle Beteiligten mächtig unter Druck. Die Zeit der Experimente ist laut Hansi Flick vorbei. Den Kader-Nominierungen des Bundestrainers ist dennoch auch weiterhin nur schwer zu folgen.

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"Es gab eine Zäsur, eine neue Phase hat begonnen: Ab jetzt wollen wir die Kernmannschaft einspielen lassen." Das sind ganz frische Worte von Hansi Flick, getätigt in einem am Dienstag erschienenen Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.

Der Kern sollte sich schnell finden, das Einspielen zügig vorangehen. Schließlich ist der Beginn der EM 2024 nur noch neun Monate entfernt, die Gegenwart für den angeschlagenen Bundestrainer aber noch viel wichtiger. Zur Erinnerung: Unter Flick hat das DFB-Team lediglich zwölf Mal bei 24 Versuchen (mit 21 unterschiedlichen Abwehrformationen!) gewonnen, ganze fünf Mal verloren und sich größtmöglich bei der WM in Katar blamiert. Nur vier der vergangenen 16 Länderspiele gewann Deutschland, zuletzt reichte es gegen die Ukraine (3:3), Polen (0:1) und Kolumbien (0:2) nicht zum Sieg.

Alle Beteiligten stehen also mächtig unter Druck, wenn es am Samstag in Wolfsburg gegen Japan und drei Tage später in Dortmund gegen Frankreich geht. Schneidet die Nationalelf dort ähnlich erbärmlich ab wie im Juni, hinge Flicks Zukunft am seidenen Faden.

"Die Erfahrungen der Vergangenheit waren wichtig", sagte Flick nun, nachdem er sich bereits in den Vorwochen teils vehement und mit deutlichen Worten gegen die grassierende Kritik wehrte. "Wir haben viel ausprobiert: neue Aufstellungen, neue Systeme. Und obwohl die Ergebnisse nicht optimal waren, sind wir einen Schritt weitergekommen."

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DFB-Team: Hansi Flicks Logik ist nur schwer zu folgen

So kann man das sicherlich auch interpretieren, worin der zitierte Schritt aber genau besteht, bleibt unklar. Ähnlich schwer zu folgen ist weiterhin der Logik hinter Flicks Nominierungsverhalten. Das galt für die Phase der Experimente und es gilt nun für die Phase, in der diese Experimente beendet sein sollen. Ein paar Beispiele:

  • Niklas Süle spielte in der vergangenen Saison beim BVB eine schwache Hinrunde, würde von Flick aber nominiert. Nach der WM spielte der Innenverteidiger eine sehr starke Rückrunde, bekam zuletzt aber kein Mandat mehr für das DFB-Team, sondern wurde von Flick und Sportdirektor Rudi Völler hart angegriffen. Nun, nach dem miserablen Dortmunder Saisonstart, ist Süle wieder dabei.
  • Leon Goretzka war seit 2017 durchgängig Teil des DFB-Teams, wurde von Flick diesmal aber nicht eingeladen. Und das just in dem Moment, als der Mittelfeldspieler beim FC Bayern wieder aufsteigende Form bewies und sich in die erste Elf spielte, nachdem er zuvor mehrere Monate völlig neben der Spur lief - genau dann aber von Flick nominiert wurde.
    Kein Geringerer als der Präsident des deutschen Rekordmeisters äußerte Unverständnis für diese Entscheidung, die bei weitem nicht nur Herbert Hainer überraschte. Flick erklärte sich so: "Ich habe mit ihm gesprochen, er weiß Bescheid über die Gedanken, die ich habe. Das ist nichts Endgültiges. Ich schätze Leon sehr, aber es ist so, dass wir uns Gedanken machen."
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  • Aufgrund der Verletzung Niclas Füllkrugs nominierte Flick Thomas Müller nach, der erstmals seit der WM wieder mit dabei ist. Müller ähnelt dem Spielertyp Füllkrug nicht im Ansatz. Nur am Rande: Der formstarke Kevin Behrens von Union Berlin käme dem Typ Füllkrug deutlich näher. Ohnehin erscheint auch der Umgang mit einem verdienten und erfahrenen Akteur wie Müller fragwürdig: Entweder, man plant das Bayern-Urgestein als festen Bestandteil der EM-Mannschaft ein oder eben nicht mehr - ein Hin und Her wie aktuell wirkt trotz der Absprachen zwischen beiden Parteien wankelmütig.
  • Bei Neuling Pascal Groß stellt sich die Frage: Warum nahm ihn Flick nicht während der Experimentierphase erstmals in den Kader auf? Der Mittelfeldspieler kam in der vergangenen Premier-League-Saison auf zehn Tore und zehn Vorlagen in 44 Pflichtspielen für Brighton und zeigt dort seit sechs Jahren exzellente Leistungen.
    Eine Nominierung bekam der 32-Jährige allerdings nie - doch genau jetzt, wo man nicht mehr viel testen möchte, ist Groß plötzlich dabei. "Wir haben ihn natürlich schon länger auf dem Schirm gehabt und haben dieses Mal auch gesagt: Okay, wir nehmen ihn mit dazu", sagte Flick.
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DFB-Team im September ohne vier WM-Fahrer

Nach dem enttäuschenden Länderspiel-Hattrick im Juni hatte Völler zudem angekündigt, dass künftig auf einige Akteure verzichtet werde: "Nach den drei Spielen muss man sagen, dass die Qualität nicht die allergrößte ist wie vor einigen Jahren. Da sind einige dabei gewesen, die werden wir im September vielleicht nicht mehr sehen. Das ist am Ende auch eine Qualitätsfrage."

Mit David Raum, Matthias Ginter, Lukas Klostermann und Thilo Kehrer ließ Flick nun vier Abwehrspieler weg, die in Katar noch zum WM-Kader gehörten. Auch Timo Werner ist nicht dabei, ebenso wie Dortmunds Marius Wolf.

Natürlich kann man Flicks Auswahl auch so auslegen, dass der 58-Jährige nun zu Beginn der ganz heißen Phase die nötige Härte zeigt und wie im Fall von Goretzka auch vor ungemütlichen Entscheidungen nicht zurückschreckt. Ähnlich wie gegen Ende der Amtszeit seines Vorgängers Joachim Löw fällt es jedoch auch bei Flick schwer zu erkennen, dass stringent das Leistungsprinzip ausschlaggebend für eine Nominierung ist.

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DFB-Team - Hansi Flick: "Wir haben einen Plan"

Das muss es vielleicht auch nicht immer, doch die Gefahr besteht durchaus, dass sich einige Spieler durch Flicks Praktiken eher verunsichern als motivieren lassen. "Wir wollen von denen, die nicht dabei sind, eine Reaktion sehen", erhofft sich der Bundestrainer verständlicherweise. "Ich bin positiv, wir haben einen Plan. Und ich kann versprechen, dass wir gut vorbereitet sind", sagte Flick.

Ob es bei den Nicht-Nominierten mit der gewünschten Reaktion klappt, werden die kommenden Wochen zeigen. Der angekündigte Plan jedoch sollte schnellstmöglich sichtbar werden. Bleibt der wie zuletzt im Verborgenen und ist erneut nicht erfolgreich, besteht angesichts der brisanten Gemengelage die Möglichkeit, dass künftig ein anderer die Nationalspieler einberufen wird.

DFB-Team: Der Fahrplan bis zur Europameisterschaft

DatumEreignis
09.09.2023Deutschland - Japan (Länderspiel)
12.09.2023Deutschland - Frankreich (Länderspiel)
14.10.2023USA - Deutschland (Länderspiel)
18.10.2023Mexiko - Deutschland (Länderspiel)
21.11.2023Österreich - Deutschland (Länderspiel)
02.12.2023EM-Endrundenauslosung
14.06.-14.07.2024Europameisterschaft 2024
14.06.2024EM-Gruppenspiel 1
19.06.2024EM-Gruppenspiel 2
23.06.2024EM-Gruppenspiel 3