Rudi Völler lächelte schelmisch, wie wahrscheinlich nur Rudi Völler lächeln kann. Julian Nagelsmann, sagte er bei Sky mit einem Nasenkräuseln, gebe ja am Montag eine Pressekonferenz - und darin werde sich der Bundestrainer zur Kapitänsfrage in der deutschen Nationalmannschaft schon äußern. "Vielleicht", sagte der DFB-Sportdirektor und rudivöllerte dabei ein Augenzwinkern zu Lothar Matthäus über den Tisch, "zitiert er dann ja auch dich."
Matthäus hatte gerade ausgesprochen, was vielen Fußball-Fans ebenso logisch erscheint: Joshua Kimmich - ja, wer denn sonst?
"Ich würde mich wundern, wenn es Kimmich nicht wird", betonte der Rekordnationalspieler, selbst 1990 stolzer Weltmeister-Kapitän, er zählte die Vorzüge der A-Lösung auf: "Er hat die meisten Länderspiele, er hat auch den Ehrgeiz, er hat die Erfahrung." Auch der gelegentliche Hang zu explosivem Verhalten sollte kein Hinderungsgrund sein, sagte Matthäus. Als Stellvertreter könne er sich Jonathan Tah "vorstellen". Der beteuerte wenig später, er wisse noch von nichts, stehe aber "bereit, klar".
Vorgezogene Regierungserklärung von Julian Nagelsmann wegen Kapitänsfrage
Ob Julian Nagelsmann das genauso sieht, wird der fußballinteressierte Teil des Landes am Montagmittag erfahren. Üblicherweise würde ein Bundestrainer am Tag vor dem Länderspiel sprechen, also am Freitag vor dem Nations-League-Start gegen die Niederlande in Düsseldorf am 7. September. Der Deutsche Fußball-Bund aber hat den Auftritt in Absprache mit Nagelsmann vorgezogen, für eine "Regierungserklärung" in Herzogenaurach.
Der Bundestrainer kann nach seinem Urlaub sogleich präsentieren, wie er sich den Neustart einer Mannschaft vorstellt, die wirkt, als habe ein Bagger ihr tragende Säulen herausgerissen. Toni Kroos, der Kapitän Ilkay Gündogan, Manuel Neuer, Thomas Müller: Sie alle haben nach der Heim-EM aufgehört. Es wird also einen neuen Stammtorhüter geben, Marc-Andre ter Stegen, eine neue Achse muss sich finden, eine neue Hierarchie ausbilden - und es ist ein neuer Spielführer zu bestimmen.
Dafür würde sich Joshua Kimmich, 29 Jahre alt, geradezu idealtypisch anbieten. Turniererfahren, stets vorbildlich in der Trainingsarbeit, sicher und standfest in der Kommunikation. "Wenn man ihn kennt, wenn man seinen Ehrgeiz kennt, wenn man auch seine sportliche Qualität kennt, aber auch sein Anspruchsdenken, Führungsrollen zu übernehmen", sagt der 2014er-Weltmeister Sami Khedira: "Dann glaube ich, dass er der ideale Nachfolger wäre für Gündogan, wenn er geschützt und wenn er unterstützt wird." Schließlich war Kimmich immer sowohl streitbar als auch umstritten.
Joshua Kimmich als neuer Kapitän des DFB-Teams?
Beim FC Bayern galt er lange als Verkaufskandidat, stattdessen aber wurde seine "Degradierung" rückgängig gemacht, er rückte wieder auf seine Lieblingsposition vor der Defensive. Das wäre auch in der Nationalmannschaft denkbar, wo das Mittelfeld nach dem Abschied von Kroos und Gündogan auf der Taktiktafel anders gesteckt werden muss. In der Pressemitteilung zur Kadernominierung allerdings war Kimmich unter "Abwehr" einsortiert.
Dafür gab es auch einen Hinweis darauf, dass Kimmich Kapitän werden könnte. Antonio Rüdiger, die andere Option, wird beim September-Lehrgang fehlen, er erhält nach einem intensiven Sommer eine Erholungspause. Nagelsmann wird kaum einem Spieler die Binde anvertrauen, der gar nicht vor Ort ist.
Also doch: Joshua Kimmich? Ja, wer denn sonst?