Eine schwierige Aufgabe hat Joachim Löws Mannschaft beim 1:0 in Belgien größtenteils souverän gelöst - dank elementarer Dinge, die selbst die immer noch fehlende Frische der Nationalspieler auffangen können. Eine Hiobsbotschaft gibt es dennoch.
Wohl selten hat Joachim Löw im Vorfeld eines Spiels eine Schablone entworfen, die sich so perfekt an die folgenden 90 Minuten angeschmiegt hat wie dieses Mal.
Man musste kein großer Prophet sein und auch nicht der Bundestrainer, um zu ahnen, dass der fröhliche Weltmeisterschafts-Fußball bei der Pflichtveranstaltung der EM-Qualifikation zunächst einmal Sendepause haben dürfte.
Wie exakt sich aber die vom Trainerteam prognostizierten Details in der Partie von Brüssel widerspiegelten, war schon verblüffend.
Jansen muss verletzt abreisen
Das einzige, das Löw zwar erhofft, aber nicht ausgesprochen hatte, trat dann zum wohlfeilen Ende auch noch ein und machte die Dienstreise in die belgische Hauptstadt zu einer erfolgreichen Mission: Die deutsche Mannschaft siegte letztlich verdient mit 1:0 (0:0) und legte im Kampf um die direkte Qualifikation einen Start nach Maß hin.
Löw im Interview: "Mannschaft hat guten Spirit bewiesen"
Einziger Wehrmutstropfen: Marcell Jansen verletzte sich am Knie und wird am Dienstagabend gegen Aserbaidschan nicht zur Verfügung stehen. Wie der DFB am Samstag mitteilte, reiste der 36-malige Nationalspieler nach dem Duell mit Belgien nicht nach Köln, sondern nach Hause, um am Montag eine Kernspintomographie seines lädierten Knies vornehmen zu lassen.
So bitter es für Jansen ist, der sich eben erst ins Team gespielt hatte - sein Ausfall dürfte gegen Aserbaidschan nicht ins Gewicht fallen.
Schwierige Bedingungen
Das Spiel gegen Belgien war indes in den endlosen Diskussionen der letzten Tage und Wochen beinahe untergegangen, dem zweifelhaften Flair einer aufgebauschten Kapitänsfrage und ihrem kleinen Bruder, der Torhüterfrage, hatte ein Spiel gegen die Nummer 48 der Weltrangliste wenig entgegenzusetzen.
Es sind genau diese Nährböden, die einen Trainer vor so einer Partie ein wenig zittern lassen. Aber der Bundestrainer hat nunmal eine Bundesauswahl, auf die er sich verlassen kann. Selbst wenn vom WM-Mix einige wichtige Zutaten fehlten.
Die Frische fehlt
Die forschen Belgier mit ihrer hungrigen und durchaus talentierten Mannschaft, in der Rangliste notiert zwischen Venezuela und Lettland, verstanden es lange Zeit sehr gut, den gröbsten Missstand der deutschen Mannschaft aufzudecken und zu bearbeiten.
Das fehlende Puzzlestück in Löws Mannschaft war die dringend erforderliche körperliche Frische. Diese kurzen Sprints, die verbissene Zweikampfhärte und die Explosivität, mit der Deutschland einige der größten Nationen der Welt aufgemischt hatte.
Diese Primär-Tugenden waren nur rudimentär vorhanden. "Wir brauchen noch drei, vier Wochen in unseren Vereinen. Wir können das Laufpensum noch gar nicht haben, das wir für unser Spiel ohne Ball brauchen. Bei der WM hatten wir in dieser Disziplin die besten Werte. Da müssen wir erst wieder hinkommen", erklärte Miroslav Klose.
Und trotzdem reichte es am Ende zum verdienten Sieg. "Man hat phasenweise schon gespürt, dass die Spieler erst vier Wochen wieder im Training sind. Wir haben ein bisschen gebraucht, um in Schwung zu kommen", sagte Löw nach dem Spiel.
Mit Geduld und Erfahrung
Es hätte auch eine seiner Sequenzen vor der Partie sein können, erzählt in der Zukunftsform, aber inhaltlich gleich. Die Mannschaft fing ihre leichten bis mittelschweren Defizite mit anderen Qualitäten einfach auf. Mit der erforderlichen Geduld und vor allem mit ihrer Erfahrung.
Eigentlich fällt es schwer, bei einem derart jungen Team von erprobten Haudegen zu reden, aber im Vergleich zu den im Schnitt fast gleichaltrigen Belgiern kann Deutschland mit Erfahrungswerten etlicher Endturniere wuchern - die Gastgeber dagegen laufen seit acht Jahren einer erfolgreichen Qualifikation hinterher.
Trotz teilweise schlampiger oder zumindest ungenauer Ausführungen stimmten die Automatismen, die Basis und die Grundordnung des deutschen Spiels. Damit kann man ein wenig fehlende Frische schon gut auffangen.
Selbstfindungsprozess für die Spieler
Es war auch ein wenig ein Selbstfindungsprozess für jeden einzelnen Spieler. Die Vergleichswerte aus den jeweiligen Ligen sind noch nicht aussagekräftig, ein bisschen war es auch learning by doing.
Co-Trainer Hansi Flick hatte davon gesprochen, dass sich die Spieler in diese Partie "hineinquälen" müssten und lag damit goldrichtig.
"In der ersten Halbzeit haben wir uns schwer getan und viele unnötige Ballverluste gehabt. In der zweiten Halbzeit haben wir zunächst cleverer agiert und auch unser Tor gemacht", sagte Klose, fügte aber gleich auch an: "Nur am Ende müssen wir die Sache hier ruhiger runterspielen."
Hohe Hürde gemeistert
Die deutsche Mannschaft hat eine hohe Auswärtshürde gemeistert, neben der Türkei gilt Belgien als Hauptkonkurrent um den Gruppensieg. "Hier werden noch einige Schwierigkeiten bekommen", prophezeite Heiko Westermann den kommenden Gästen im Stade Roi Baudouin einen ungemütlichen Abend.
Die Fallhöhe nach der turbulenten WM war enorm, die mental schwierige Umstellung auf den Alltag nicht einfach.
Aber Löws Mannschaft hat den Spagat geschafft, sie erwächst und lernt aus solchen "einfachen" Spielen genauso wie aus einem 4:0 gegen Argentinien.
Ihr heimlicher Anführer Bastian Schweinsteiger brachte es mit seiner neuen Sachlichkeit auf den Punkt. "Es war ein schweres Stück Arbeit. Wir sind froh, dass wir hier gewonnen haben. Jetzt müssen wir gegen Aserbaidschan nachlegen."