Weich wie Pudding

Das DFB-Team setzte sich im letzten Test mit 6:1 gegen Armenien durch
© getty

Das klare Ergebnis gegen Armenien gibt Rückenwind für die WM 2014, die Verletzung von Marco Reus dagegen wiegt schwer. Die Spielweise und Joachim Löws Kader sind nach wie vor ein Experimentierfeld.

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Die Choreographie passte. Vor dem Abflug der deutschen Nationalmannschaft nach Brasilien war Mainz der Schauplatz für das letzte Test-Länderspiel. Die Sonne schien, das Publikum war gut gelaunt und bereit, der Mannschaft einen schönen Gruß mit auf die Reise zu geben.

Ein Hauch von WM-Atmosphäre lag über der Coface-Arena, als Deutschland gegen Armenien 6:1 gewann. Mit einem Lächeln wolle sich das DFB-Team nach Südamerika verabschieden hatte Bundestrainer Joachim Löw vor der Partie gesagt. Am Ergebnis und an der Begeisterung der Leute in den vielen Deutschland-Trikots gemessen, wurde dieses Teilziel erreicht.

Es gab aber diese eine verflixte Szene eine paar Minuten vor Ende der ersten Halbzeit, die nicht nur kurzzeitig, sondern auch dauerhaft auf das Gemüt des Bundestrainers und seiner Mannschaft schlagen dürfte.

WM-Aus für Marco Reus

Von einem dick angeschwollen Außenknöchel bei Marco Reus berichtete Löw auf der Pressekonferenz. An Lächeln war da schon nicht mehr zu denken. Schon im ersten Moment "haben wir uns schon auch vorstellen können, dass es schlimmer ist". Was blieb, war Hoffnung, dass die Bilder der Kernspintomographie doch noch für Entspannung sorgen würden.

Daraus wurde nichts. Ein Teilriss der vorderen Syndesmose oberhalb des linken Sprunggelenks bedeutet das WM-Aus für Reus. Für ihn reist Shodran Mustafi nach Brasilien.

Reus reiht sich ein in die Riege internationaler Spitzenspieler, die aufgrund von Verletzungen das Turnier verpassen werden. Eine Pause von sechs bis sieben Wochen ist veranschlagt. Damit wird er auch Teile der Vorbereitung Borussia Dortmunds auf die neue Saison verpassen.

Reus' Qualitäten werden fehlen

Nun ist die Besetzung der offensiven Dreierreihe eine der luxuriöseren Fragen, die Löw zu beantworten hat. Schließlich steht ihm hier im Gegensatz zu anderen Positionen eine Reihe von Akteuren gehobener Qualität zu Verfügung. Aber Reus' Ausfall wiegt schwer.

Der Dortmunder hatte in Rückrunde der Bundesliga eine famose Form erreicht und schien auch im DFB-Team den Sprung zum Stammspieler geschafft zu haben. Reus wäre ein Spieler gewesen, der in engen Spielen den Unterschied hätte machen können. Seine Schnelligkeit, seine Dynamik, sein Zug zum Tor, seine gut getretenen Standards, all diese Eigenschaften werden Deutschland bei der WM fehlen.

Podolski oder Schürrle als Ersatz

Das Spiel der deutschen Mannschaft wird sich durch Reus' Absenz verändern. "Es ging uns nicht darum, Marco Reus eins zu eins zu ersetzen", teilte Löw bezüglich der Nachnominierung von Mustafi mit. Er sieht sein Team in der Offensive noch immer sehr gut aufgestellt, der zunächst gehandelte Kevin Volland hätte der Mannschaft keine weitere Eigenschaft hinzugefügt.

Die wahrscheinlichsten Ersatzkandidaten sind Lukas Podolski und Andre Schürrle. Beide haben sich in Mainz wiederholt ein Sonderlob vom Bundestrainer abgeholt. Mit Podolski bekäme das deutsche Spiel mehr Wucht und Abschlussstärke. Schürrle sucht noch direkter den Weg zum Tor als Reus.

Kader voller Unklarheiten

Klar ist rund eine Woche vor Turnierbeginn nur, dass Löw weiterhin einen Kader befehligt, der großes Improvisationstalent verlangt. Die erste Elf und die taktische Ausrichtung für das erste Gruppenspiel gegen Portugal am 16. Juni sind offen wie lange nicht.

Entsprechend unkonkret waren Löws Antworten auf die offenen Personalfragen. "Es war von mir gewollt, dass Lahm im Mittelfeld spielt, klar", sagte Löw und gab für den Kapitän das defensive Mittelfeld und die Rechtsverteidigerposition als Alternativen an.

Sami Khedira und Bastian Schweinsteiger seien noch nicht in bester Form, hätten aber gezeigt, dass sie für die Mannschaft wichtig seien. Der ebenfalls nicht fitte Miroslav Klose sei ein "Turnierspieler" und wisse genau, was zu tun sei.

Löws Sprache passte zwar variablen, kaum greifbaren Spielweise in der Offensive, passte sich aber auch dem Zustand seiner Mannschaft an, sie war weich wie Pudding. Für klare Ansagen fehlt in vielen Bereichen aktuell die Klarheit.

Löw sucht den positiven Dreh

In der Viererkette verhärten sich immerhin die Anzeichen, dass Jerome Boateng als Rechtsverteidiger den Vorzug vor Kevin Großkreutz erhalten wird. Zwar sei Boateng auch als Innenverteidiger denkbar, klar, aber dass der Dortmunder gegen Kamerun gar nicht und gegen Armenien nur für 25 Minuten zum Einsatz kam, spricht für sich.

Die Variante mit vier gelernten Innenverteidigern (Höwedes als Linksverteidiger statt Erik Durm) gegen Armenien kam dagegen schon überraschend, ist für Löw aber auch während des Turniers eine Alternative.

"Es ist nicht nötig, dass beide Außenverteidiger immer mit nach vorne gehen", sagte Löw mit Blick auf die hohen Temperaturen. "Die vier Innenverteidiger haben die Verantwortung, das Zentrum zu schließen. Gerade das gegen Armenien praktizierte 4-3-3 mit nur einem Sechser bietet dem Gegner bei Ballverlust Möglichkeiten durch die Mitte zu kontern. Außerdem sei die körperliche Stärke und die Größe der Verteidiger ein Vorteil bei Standardsituationen.

Am Ende versuchte Löw, den vielen Unwägbarkeiten noch einen positiven Dreh zu geben. "Man wird nicht mit elf Spielern Weltmeister", sagte der Bundestrainer. "Die vielen Möglichkeiten sind gerade in der Offensive unser Plus." Allerdings gibt es seit Samstag eine Option weniger.

Deutschland - Armenien: Daten & Fakten zum Spiel