Schön kompakt

Die deutschen Nationalspieler mit den schwedischen Einlaufkindern
© getty

Das abschließende WM-Qualifikationsspiel Deutschlands gegen Schweden wird erneut zum Torfestival. Die Partie zeigte gebündelt die Stärken und Schwächen des DFB-Teams und woran Bundestrainer Joachim Löw auf dem Weg zum WM-Titel in Brasilien arbeiten muss.

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Urs Siegenthaler muss nicht um seinen Job fürchten. Der Chefscout der deutschen Nationalmannschaft und Intimus von Joachim Löw wird sowohl vom Trainerstab als auch von den Spielern geschätzt. Selbst in der sonst so kritischen Liga ist Siegenthaler ein angesehener Fachmann.

Seinen letzten Auftritt hatte Siegenthaler Anfang vergangener Woche beim DFB-Workshop in Düsseldorf, den Löw regelmäßig mit seinen engsten Mitarbeitern abhält. Siegenthaler war als Spion des Bundestrainers während des Confed-Cups in Brasilien vor Ort und legte bei diesem Treffen seine Erkenntnisse dar.

Bei Siegenthaler geht es auch um Dinge, die das Team abseits des Platzes erwarten. Seine Berichte drehen sich um Kultur, politische Lage und landesspezifische Eigenheiten. Um Land und Leute eben.

Defensive Dysbalance und offensive Zauberei

Aber als Chefscout ist er auch für die taktischen und spielerischen Trends im Weltfußball und die Analyse der eigenen Mannschaft zuständig. In den nächsten Wochen wird auch die Aufarbeitung der WM-Qualifikation im Fokus des Analysten stehen.

Einen Zusammenschnitt von exemplarischen Szenen aus den zehn Spielen der deutschen Mannschaft, kann sich Siegenthaler - überspitzt formuliert - sparen. Die 90 Minuten gegen Schweden reichen als Lehrbeispiel.

Schön kompakt präsentierte die DFB-Elf ihre in diesem Jahr mehrmals zum Vorschein getretenen Stärken und Schwächen. Defensive Dysbalance gepaart mit offensiver Zauberei, so findet Löw seine Mannschaft aktuell vor.

"Kein gutes Ergebnis"

Schon nach dem Spiel gegen Irland hatte Löw die Stabilität der Defensive und das Spiel im letzten Drittel als Ansatzpunkte seiner Arbeit mit der Mannschaft genannt. "Wir haben nicht nur defensiv, sondern auch offensiv noch ein bisschen was zu tun", fasste Kapitän Philipp Lahm nach dem Spiel in Schweden zusammen.

Das DFB-Team hat in dieser Qualifikation die meisten Tore aller Mannschaften erzielt (36) und gleichzeitig einen verbandsinternen Rekord gebrochen. Auf dem Weg zur WM 1982 erzielten Karl-Heinz Rummenigge und Co. 33 Treffer, allerdings in acht Spielen. Aber Deutschland kassierte auch so viele Gegentore (10) wie kein anderer Gruppenerster in Europa, sieben allein gegen Schweden.

Während auch Bastian Schweinsteiger lieber ein 2:0 gesehen hätte und das 5:3 als "kein gutes Ergebnis" einstufte, ging der überragende Andre Schürrle, der den ersten Dreierpack im DFB-Dress seit Mario Gomez im Juni 2009 (7:2 gegen die Vereinigten Arabischen Emirate) schnürte, eher nonchalant über die Problemzonen hinweg. "Die drei Gegentore sind natürlich ärgerlich, aber man hat wieder gesehen, welche Kraft wir nach vorne haben.

Das knappe Gut Zeit

Es sind wiederkehrende Argumente, die Trainer und Spieler vorbringen, um die Schwäche in der Defensivbewegung zu erklären. Vor allem das Wort "Abstimmung" begegnet einem in der Analyse immer wieder.

Es fehle einfach die Zeit, um sich in den kurzen Länderspielpausen und den wenigen Trainingseinheiten perfekt aufeinander einzustellen. "Alle Spieler kommen aus verschiedenen Vereinen, es ist nicht immer einfach, alles unter einen Hut zu bekommen", sagte Lahm.

Manuel Neuer ergänzte: "Vor der WM werden wir eine lange Vorbereitung haben, dann klappt das auch." Trotzdem muss die Frage erlaubt sein, warum Löw seinen Spielern nach dem Sieg über Irland zwei Tage frei gibt, obwohl in dieser Zeit die Möglichkeit bestanden hätte, an defensiven Abläufen oder Standardsituationen zu arbeiten. Mit dem knappen Gut Zeit wurde in diesem Fall sehr freigiebig umgegangen.

WM entscheidet über Löws Zukunft

Auch Löw bringt den Faktor Zeit auf die Tagesordnung, wenn es um Abläufe und Automatismen geht. Vor einem Turnier habe er das mit seinem Team noch immer hinbekommen. Es bestehen auch nur wenig Zweifel daran, dass Deutschland in Brasilien zu den Turnierfavoriten gehört.

Es geht aber um Nuancen, die Deutschland in den letzten beiden Turnieren gegen Spanien und Italien fehlten, und da hat Löw eigentlich keine Zeit zu verschenken. Denn am Ende wird das Abschneiden bei der WM auch über seine Zukunft entscheiden, egal ob die Vertragsverlängerung wie anzunehmen in den nächsten Tagen und damit noch vor dem Turnier erfolgen wird.

Historische Wende

Worum sich Löw keine Sorgen machen muss, ist der Charakter der Mannschaft. Auch wenn das Spiel in Schweden in Sachen WM-Qualifikation bedeutungslos war, ließ sich das Team nach dem 0:2 nicht hängen, sondern fühlte sich an der Ehre gepackt. Zum ersten Mal seit dem EM-Halbfinale 1976 gegen Jugoslawien drehte eine DFB-Elf einen 0:2 Rückstand noch in einen Sieg (damals 4:2 n.V.).

Die noch vor der Pause eingeleitete Wende in der zweiten Halbzeit war beeindruckend. Vor allem wenn man bedenkt, dass mit Miroslav Klose, Mario Gomez, Marco Reus, Lukas Podolski und Ilkay Gündogan erhebliches Offensivpotenzial aufgrund von Verletzungen gar nicht zur Verfügung stand, und Mario Götze sowie Julian Draxler erst nach der Pause eingewechselt wurden.

Deutschland kennt acht Monate vor WM-Beginn seine Stärken und Schwächen, ist aber insgesamt gut gerüstet für das Turnier. "Um es auf den Punkt zu bringen: Bei allem, was uns erwartet, von Reisestrapazen bis hin zu schwierigen klimatischen Verhältnissen wird es wichtig sein, dass wir uns davon nicht beeinflussen lassen, sondern einzig und allein unser Spiel durchziehen", sagt Löws Assistent Hansi Flick. Dazu gehört dann aber auch eine bis dahin schön kompakte Defensive.

Schweden - Deutschland: Daten zum Spiel