Neulich war Bruno Labbadia zu Gast in einer Gesprächsrunde des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Ungewollt wurde er da schnell zum Spielball anderer Talkgäste wie Ursula von der Leyen oder Alice Schwarzer, im übertragenen Sinne natürlich.
Es ging um hübsche Moderatorinnen und verbale Pellkartoffeln und darum, dass in der heutigen Zeit von den Medien viel zu viel aus viel zu wenig konstruiert werde. Damit hat Bruno Labbadia womöglich gar nicht Unrecht.
Labbadia galt als impulsiver Spieler und transportierte seine Energie auch bis in die ersten Stationen als Trainer. Mittlerweile hat er gelernt, die Dinge gelassener anzugehen, nicht mehr so ungeduldig zu sein. Das sagt er jedenfalls selbst über sich.
Beim VfB Stuttgart hat sich Labbadia anpassen müssen. Nicht unbedingt seiner Art wegen. Sondern weil sich die Rahmenbedingungen beim ehemaligen Champions-League-Teilnehmer auf ein Mindestmaß eingependelt hatten. Erst musste Labbadia den Verein vor dem Abstieg bewahren, das Minimalziel, welches jeder der 18 Bundesligisten mehr oder weniger stillschweigend formuliert.
Die gegenläufige Entwicklung von erfolglosem Fußball und einem Kader, der zu großen Teilen noch auf Königsklasse-Niveau bezahlt wurde, ließ nicht viel finanziellen Spielraum. Trotzdem schaffte es der VfB nun zum zweiten Mal in Folge ins europäische Geschäft. Wenngleich auch "nur" in die Europa League.
Aus wenig viel gemacht
Auf diese Tatsachen berufen sich Labbadia und Sportvorstand Fredi Bobic immer wieder: aus wenig viel gemacht zu haben. Vor der abgelaufenen Saison investierte der Klub lediglich 300.000 Euro in die Leihgebühr von Tim Hoogland und war damit mit großem Abstand Letzter in der Liste der Bundesliga-Transferausgaben.
Dass aber gerade beschränkte Mittel ein noch größeres Maß an Einfallsreichtum, Arbeit und Akribie erfordern, wird in Stuttgart gerne vergessen. Stattdessen gab es zahllose Aussagen, in denen auf die Gegebenheiten verwiesen wurde mit dem Tenor: Wir würden ja gerne, aber...
"Es geht mir um die richtige Einordnung und um die Feststellung, dass wir seit drei Jahren immer wegnehmen von der Substanz und trotzdem zweimal die Europa League erreicht haben", sagte Labbadia vor wenigen Tagen in einem Interview.
"Dass wir unter schwierigen Bedingungen am Anschlag gespielt haben, ist doch Fakt. Und die Alternative zu den Erklärungen wäre, auf die Mannschaft einzuprügeln, doch da würde ich mehr kaputt machen - und das hat sie nicht verdient."
Die Jugend will sich zeigen
Also stellt sich der Trainer wie fast immer vor seine Mannschaft. Dass ein derartiger Schutz aber nicht immer guttut, hat Labbadia nur zögerlich verstanden. Stattdessen brauche das Team immer mal wieder einen Tritt in den Hintern, wie Arthur Boka letzte Woche zugab.
Abgesehen von der angespannten Finanzlage kann der Standort Stuttgart durchaus einer sein, der von anderen Trainern beneidet wird. Nachweislich gehört die Nachwuchsabteilung des VfB seit Jahrzehnten zu den besten der Republik, Stuttgart investiert zudem anders als der Rest der Liga mehrere Millionen Euro pro Saison in die U 23.
Deshalb sind die Schwaben der einzige Bundesligist, dessen Unterbau sich dauerhaft in der 3. Liga etabliert hat und dort unter härtesten Wettkampfbedingungen seine Talente entwickelt. Aus diesem Repertoire ließe sich einiges machen. Nur wurden die Mittel in den letzten Jahren nicht konsequent ausgeschöpft.
Raphael Holzhauser und Antonio Rüdiger haben sich zu den Profis hochgearbeitet. Andere, wie Kevin Stöger, Benedikt Röcker, Michael Vitzthum oder Rani Khedira hängen zwischen zweiter und erster Mannschaft fest. U-23-Torjäger Soufian Benyamina wurde trotz einer starken Hinrunde und insgesamt zwölf Treffern nicht ernsthaft bei den Profis getestet. Er wird den Verein verlassen.
Wann kommt die Weiterentwicklung der Mannschaft?
Eine spielerische Weiterentwicklung der Mannschaft hat in der abgelaufenen Saison im Prinzip nicht stattgefunden. Die paar überzeugenden Spiele lassen sich an einer Hand abzählen, zu oft waren nur Versatzstücke von dem zu sehen, was der qualitativ immer noch ansprechende Kader zu leisten imstande wäre.
Das sind die Dinge, die Labbadia vorgehalten werden. Im Kampf um die kurzfristigen Ziele sind die mittel- und langfristigen immer mehr in den Hintergrund gerückt. Die Zeit der Konsolidierung soll ab der kommenden Saison vorbei sein, insofern beginnt dann auch für den Trainer eine andere Zeitrechnung. Alles was dann kommt, wird Labbadia vollumfänglich verantworten müssen.
"Die Ansprüche können gar nicht hoch genug sein", sagt Labbadia. "Aber der kleine Fahrzeughersteller kann sich doch auch nicht mit Mercedes-Benz vergleichen. Und in der Situation waren wir zuletzt eben."
Mit der Vertragsverlängerung im Winter ist der Klub jedenfalls in Vorleistung gegangen und gibt der gewünschten Kontinuität das Gesicht Labbadias. Der ist immerhin schon seit zweieinhalb Jahren im Amt.
Nicht viele Trainer der jüngeren Vergangenheit haben es ähnlich lange ausgehalten - beziehungsweise wurden vom Aufsichtsratsvorsitzenden Dieter Hundt ausgehalten. Nur Christoph Daum und Armin Veh haben in den letzten 25 Jahren länger in Bad Cannstatt gearbeitet; beide wurden mit dem VfB Meister.
Es bleibt nur hoffen
Den letzten Triumph im DFB-Pokal gab es 1997 unter Joachim Löw. Dass diese Durststrecke am Samstag ein Ende findet, erscheint nahezu utopisch. Gegen die Triple-Jäger des FC Bayern geht der VfB als gefühlter Zweitligist und dementsprechend krasser Außenseiter in die Partie (Sa., ab 20 Uhr im LIVE-TICKER).
In den Trainingseinheiten habe man zuletzt versucht, sich auf die wenigen Fehler, die der FC Bayern in der nahezu perfekten Saison offenbart hat, zu konzentrieren und diesen mit den geeigneten Maßnahmen zu begegnen.
Und immerhin geht der VfB zwar mit null Punkten und 1:8 aus den beiden Liga-Vergleichen ins Spiel - aber eben auch mit der Gewissheit, dass es in beiden Partien lange Strecken gab, in denen Stuttgart die Bayern im Griff hatte.
Es bleibt die große Hoffnung auf einen perfekten VfB- und schlampigen Bayern-Tag. Andernfalls dürfte einem Sieg der Münchener kaum etwas im Weg stehen und der Hashtag "#heldenwerden" beim Kurznachrichtendienst Twitter bliebe eine kurzzeitige Illusion. Für Labbadia wäre es die zweite Niederlage als Trainer in einem Pokalfinale.
Aus reinem Eigennutz und wegen der anhaltenden Skepsis bezüglich seiner Arbeit stellt er also fest: "Der Titel würde mir sicher nicht schaden."
Das ist der VfB Stuttgart