"Bei Mats sieht es gut aus", sagte Jürgen Klopp. Einen lädierten Ischiasnerv hatte Mats Hummels am Mittwoch aus Neapel mitgebracht. Am Samstag saß er deshalb daheim auf der Couch. Ob Hummels beim Pokalspiel gegen 1860 München (Di., 19 Uhr im LIVE-TICKER) mitmachen kann, ist trotzdem noch offen.
Hummels' Einsatz war schon einmal vor einem Pokalduell in seiner Heimatstadt ungewiss. Vor 208 Tagen musste er das Viertelfinalspiel bei den Bayern letztlich auslassen, eine Oberschenkelprellung sowie ein grippaler Infekt standen im Weg.
Hummels: "Ich war auf keinen Fall zufrieden"
Damals verlor Borussia Dortmund mit 0:1. Im Anschluss an die nur mäßige Leistung des BVB wurde darüber diskutiert, inwiefern der formstarke Hummels der Borussia weitergeholfen hätte. Nur zehn Tage zuvor zeigte der Innenverteidiger beim 3:0-Heimsieg gegen Frankfurt eine seiner besten Saisonleistungen.
Dieser Kontrast beschreibt einmal mehr die Schnelllebigkeit im Fußballgeschäft. Denn nun, zu Anfang der neuen Spielzeit, wird Hummels kritischer beäugt. "Ich war auf keinen Fall zufrieden mit dem letzten Jahr. Es gab viel zu viele Ausreißer nach unten. Ich muss wieder die Sicherheit zeigen wie in den Jahren zuvor, ohne die unnötigen Patzer der vergangenen Saison", sagte der 24-Jährige vor Saisonstart in einem Gespräch mit der "FAZ".
Hummels weiß selbst, dass er den Turnaround noch nicht geschafft hat. Allenfalls solide waren seine Leistungen, denen größtenteils die Selbstverständlichkeit und Sicherheit in seinen Aktionen fehlte. Das mündete in einige Fehler, Klopp wechselte ihn nach seiner schwächsten Darbietung in Frankfurt platzverweisgefährdet sogar zur Halbzeit aus. Das tat er freiwillig zuletzt im März bei der Niederlage auf Schalke.
"Mats hat im Moment nicht die allerbeste Phase"
"Er hatte ein paar ungünstige Situationen, in denen die Abstimmung nicht stimmte", begründete Klopp. "Mats hat im Moment nicht die allerbeste Phase", meinte Manager Michael Zorc. Diese Bestandsaufnahme ist an sich kein profundes Problem. Dortmund gelang der beste Saisonstart aller Zeiten, doch ist im Kader der Borussia zu diesem frühen Zeitpunkt nicht nur Hummels noch von seiner Bestform entfernt.
Bundestrainer Joachim Löw verzichtete in den WM-Qualifikationsspielen gegen Österreich und die Färöer deshalb auf ihn, er saß jeweils 90 Minuten auf der Bank. Rein sportlich eine nachvollziehbare Entscheidung, da sich Münchens Jerome Boateng in den letzten Monaten gut entwickelte und ihm ein besserer Saisonstart gelang als Hummels.
Dass ohne Hummels, der im August noch als einer der Hauptschuldigen für das schwache Testspiel gegen Paraguay (3:3) ausgemacht wurde, die Null bei der DFB-Elf wieder stand, ließ Diskussionen aufkommen, ob man denn auch künftig auf die Dienste des Dortmunders in der Startelf verzichten solle. Löw hatte im Anschluss an seine Personalentscheidung nach einem Loblied auf Per Mertesacker und dem Formanstieg Boatengs Mühe, den dezenten Brandherd wieder zu löschen.
Hummels steckt in der Schublade
Bei Borussia Dortmund reagierte man mit Befremden auf Löws Maßnahme und dessen Aussage, Hummels sei ja noch nicht so lange im Nationalteam dabei, "hier gibt es andere Führungsspieler, die Hierarchie ist eine andere als beim BVB".
Lässt man die Irritationen zwischen Verband und Verein außer Acht, haben die Aussichten für Hummels durch die Debatten seit der Länderspielpause deutlich an Schärfe gewonnen. Der Abwehrspieler, der seitdem keinen öffentlichen Kommentar mehr abgab, wird künftig gerade im Hinblick auf die Weltmeisterschaft im kommenden Jahr noch mehr unter dem Brennglas stehen als bislang. Zumal er in den kommenden Wochen eben auch den Beweis antreten muss, schnell und konstant wieder das von ihm gewohnte Niveau erreichen zu können.Das Gefährliche daran ist, dass Hummels nun unbewusst gewissermaßen in einer Schublade steckt. Diese ist zwar noch offen, es gibt einen Weg nach draußen. Doch Hummels haftet jetzt plötzlich ein wenig der Status des Herausforderers an, der nach der Verpflichtung von Sokratis selbst im Verein häufiger geschont werden könnte.
"Bei Abwehrspielern wird die negative Situation wahrgenommen"
"Die Fehler beim Paraguay-Spiel stehen bis heute so da, als hätte die Mats alleine verbockt. Solche Dinge müssen dann auch mal aufgeklärt werden", lautete Klopps Beschwerde Richtung Bundestrainer, um den Blick vom vermeintlichen Sündenbock weg aufs Kollektiv zu richten.
Das gemeinschaftliche Verteidigen in der Nationalmannschaft wäre es viel eher wert, Gegenstand ausführlicher Diskussionen zu sein. Einzig Hummels' Qualitäten in Frage zu stellen ist dagegen schon fast absurd, wenn man sieht, welche Anlagen er mitbringt und wie stark er in Bestform sein kann.
Vielleicht wird der Schweigsame derzeit auch ein wenig schmunzeln, skizzierte er doch noch vor wenigen Wochen ausführlich das Dilemma eines Abwehrspielers. "Die Jungs vorn können uns hinten das Leben in einem unvorstellbaren Maße erleichtern. Umgekehrt wird es aber für uns unglaublich schwierig, wenn diese Arbeit vernachlässigt wird. Dann kommt man in Situationen, in denen man schlecht aussieht. Und die man manchmal auch gar nicht mehr verteidigen kann. Bei Abwehrspielern wird eher die negative Situation wahrgenommen, bei Offensivspielern eher die gute Aktion. Erst wenn wir hinten keine negative Aktion hatten, dann war es ein gutes Spiel. Es reicht dafür oft schon, die auffälligen Fehler zu vermeiden, die spielentscheidend sein können", erläuterte er.
Geringeres Risiko oder Verkrampfung?
Hummels' aktuelle Situation ist eine Mischung aus seiner Beschreibung und bislang unzureichender Leistungen. Es ist das erste Mal seit langer Zeit, dass es nicht weiter bergauf geht.
Seine Persönlichkeitsstruktur lässt für die Zukunft zwei Möglichkeiten zu: Hummels ist intelligent genug und wird nun versuchen, das zeigte bereits das Spiel gegen den HSV, durch eine höhere Risikominimierung die Sicherheit in seinem Spiel wiederzufinden.
Allerdings ist Hummels auch sehr selbstreflektiert. Diese Eigenschaft kann, muss ihm aber nicht im Wege stehen. Dennoch: Der bescheidene Saisonstart nagt an ihm, im Training geriet er Ende August kurzzeitig mit Klopp aneinander. Verkrampft er unter dem Druck, wird das seiner Entscheidungssicherheit auf dem Platz nicht helfen.
"In schlechten Phasen hat man sie leider nicht. Es ist schwer zu erklären, warum man in der einen Situation die richtige Entscheidung trifft und in der anderen nicht. Es ist Risikoabwägung in Zehntelsekunden", sagt er.
Die Marschroute für die nächste Zeit braucht auch keine Erklärung: Hummels muss einfach die richtigen Entscheidungen treffen. Dann kommt er auch wieder aus der offenen Schublade heraus.