Zweimal Real Madrid in der Champions League, der VfL Wolfsburg in Liga und Pokal sowie das Spitzenspiel beim FC Bayern - Borussia Dortmund hatte im April innerhalb von 13 Tagen einige heiße Aufgaben zu bewältigen. Aus diesen fünf Duellen sprangen vier Siege und eine Niederlage heraus, die allerdings zu hoch ausfiel, um in der Königsklasse weiter mitmachen zu dürfen.
Der dennoch positive Ausgang dieser intensiven Spielabfolge legte den Grundstein dafür, dass die Verantwortlichen beim BVB bereits vor dem letzten Pflichtspiel der Saison unisono von einer sehr guten Spielzeit sprechen.
Vier nicht-englische Wochen in Folge
Es ist ein guter Monat vergangen seitdem klar wurde, dass Dortmund zwar aus der Champions League ausgeschieden ist, dafür Platz zwei in der Bundesliga erreicht und im Pokalendspiel steht. Wenn am Samstag im Berliner Olympiastadion der Anpfiff ertönt, liegen vier nicht-englische Wochen hinter der Borussia.
Diese Zeit nutzte der BVB, um nach den Wochen der Spiel-Regeneration-Spiel-Reihenfolge auch mal wieder Trainingsformen einfließen zu lassen, in den Partien den Rhythmus beizubehalten und sich so in Richtung Berlin einzuspielen.
Die Westfalen haben bald eine Spielzeit hinter sich, die nur am Anfang und jetzt am Ende so lief, wie man das beabsichtigte. Die lange Periode, die dazwischen liegt, brachte zwar auch Ergebnisse zustande, die zum Erreichen der im Sommer ausgegebenen Saisonziele beitrugen. Doch sie war vor allem geprägt von einer unglaublichen Verletzungsmisere, gezwungener Personalrochaden und dem Verlust fußballerischer Leichtigkeit.
Die durchschnittlichen Positionen beim BL-Spiel FC Bayern - Borussia Dortmund
Flexibler Neuzugang Jojic
Es ist nicht so, dass die Borussia unterschiedliche Spielsysteme ausprobierte, um Woche für Woche auf den veränderten Personalstand zu reagieren. Dortmund hat unter Trainer Jürgen Klopp häufiger schon die Formationen gewechselt, mal während der Partien, mal von Beginn an.
Doch hat sich die Mannschaft in der Zeit rund um das Ausscheiden gegen Real eine taktische Flexibilität erarbeitet, die sich sowohl dem vorhandenen Spielermaterial als auch dem jeweiligen Gegner anpasste und somit gewissermaßen eine Neuheit darstellt.
So spielte nun beispielsweise Oliver Kirch, der seit seinem Wechsel nach Dortmund unter dem Radar lief, plötzlich eine Art alleiniger Quarterback im defensiven Mittelfeld. Besonders aber Winter-Neuzugang Milos Jojic personifiziert die neue Qualität an Flexibilität. Der Serbe kam auf der Doppelsechs als offensiver Achter sowie im rechten Mittelfeld zum Einsatz und rochierte im Zentrum leichtfüßig durch die Halbräume.
Spaß an unterschiedlichen Systemen
"Wir haben viele richtige Maßnahmen ergriffen, um die Qualität der Gegner nicht zum Tragen kommen zu lassen. Die Mannschaft hat Spaß gefunden, unterschiedliche Systeme zu spielen", drückt es Klopp aus. Sportdirektor Michael Zorc freut sich, dass "wir Wege gefunden haben, um mit unseren Problemen gut umzugehen."
Nicht der einzige, aber augenscheinlichste Weg, betrifft die offensive Dreierreihe. Dort wurde die Zentrumsrolle neu vergeben. Zumindest optischer Ausgangspunkt dieses Vorgehens war die zweite Halbzeit im Ligaspiel gegen Wolfsburg, als Klopp eine Mischung aus 4-1-4-1 und 4-4-2 spielen ließ.
Der bisherige Zehner Henrikh Mkhitaryan agierte damals und in allen weiteren Partien seitdem in den Halbräumen auf beiden Flügeln in einer etwas zurückgezogenen Rolle. Klopp wechselte gegen den VfL zudem Jojic ein, der daraufhin in vier von fünf Partien in der Startelf stand. Marco Reus bekam den Platz in der Zentrale, um von dort aus auf die Außen oder nach vorne zu Robert Lewandowski zu stoßen.
Mkhitaryans neue Rolle
Der Wechsel zwischen Mkhitaryan und Reus ließ beide Spieler profitieren und ihre beste Form der Saison erreichen. Der Grund dafür ist aber kein Systemwechsel, da der BVB den unterschiedlichen Spielsituationen entsprechend immer wieder die Formation leicht angepasst und das bekannte 4-2-3-1 keinesfalls zu den Akten gelegt hat. Es ist im Gegenteil immer Ausgangspunkt der neuen Variationen.
Mkhitaryan tut sich in seiner aktuellen Grundposition auf der Seite leichter, weil sich jetzt vor ihm mehr abspielt, sobald er in Ballbesitz ins Zentrum schiebt. Dann nämlich kreuzen mindestens drei Mitspieler in Räumen vor ihm auf, die Spieldynamik ist höher.
Dadurch erhöhen sich die Kombinationsmöglichkeiten und letztlich die Passgenauigkeit des Armeniers hinter die letzte Linie des Gegners. Mkhitaryans Spiel ist nun viel facettenreicher geworden. Zuvor als Zehner musste er mit dem Rücken zum Spiel quasi selbst für dynamische Momente sorgen und verrannte sich häufig in ausrechenbaren Dribblings.
Klopp adelt Zehner Reus
Die Mkhitaryan-Rolle auf der Gegenseite nahm zuletzt auch Jojic ein, der das Dortmunder Spiel nach kurzer Zeit bereits erstaunlich gut adaptiert hat. Jojic und Mkhitaryan bewegen sich flexibel in die Halbpositionen und dienen dort dank ihrer Technik auch in engen Räumen als Anspielstationen - oder aber sie sprinten selbst für Anspiele bis in die letzte Linie. Auch helfen sie dem Kombinationsfluss des Aufbauspiels in vertikaler Richtung, da Klopp die Außenverteidiger nicht mehr so weit nach vorne aufrücken lässt.
Reus nimmt in seiner neuen Positionierung sowohl offensiv als auch defensiv intensiver am Spiel teil, die Leerlaufphasen sind deutlich reduziert worden. Er ist jetzt öfter Anspielstation, unterstützt gerade die Flügelspieler selbst beim Kombinieren oder verschafft sich durch Dribblings einen enormen Zug zum Tor.
Er habe "im Eins-gegen-eins draufgepackt", findet Klopp und meint damit vor allem Reus' unterschiedliche Verhaltensmuster im direkten Duell. Wichtiger für Klopp dürfte jedoch die Tatsache sein, dass Reus "unfassbar griffig gegen den Ball" arbeitet. Reus schiebt häufig bis in die vorderste Linie vor und läuft den ballführenden Innenverteidiger so an, dass sich dessen Anspieloptionen vor allem ins defensive Mittelfeld reduzieren oder dieser in Pressingfallen gelockt wird.
Wie spielt Dortmund in Berlin?
Dieses flächendeckende Anlaufen zeigte Reus auch beim Sieg in der Allianz Arena. Es wird nach dieser klar zugunsten des BVB entschiedenen Partie interessant zu beobachten sein, wie Dortmund den Bayern im Endspiel begegnet. In München brillierte Schwarzgelb mit einer sehr effizienten Vorwärtsverteidigung.
Die vordere Linie (Reus, Aubameyang, Hofmann) lief die Innenverteidiger des Rekordmeisters immer wieder so an, dass der Passweg zu Ballträger Philipp Lahm gekappt wurde. Die Reihe dahinter (Mkhitaryan, Kehl, Sahin) schob dann in den Raum nach vorne, um Anspiele ins Zentrum zu verhindern und Bayerns dortige Ballzirkulation mit den einrückenden Außenverteidigern zu sabotieren. Das Resultat: Ballgewinne in hohen Bereichen des Spielfelds und damit ein kürzerer Weg zum Bayern-Tor.
Ob Klopp, der letzten Samstag gegen die Hertha in der Raute, im 4-1-4-1 und im flachen 4-4-2 spielen ließ, den Bayern auch in Berlin auf diese Weise begegnen wird, ist durchaus denkbar - aber aufgrund der nun so flexiblen Mitte des BVB keine alleinige Option mehr.
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