Wie in alten Klopp-Zeiten

Andreas Lehner
21. Mai 201615:13
Welche Ideen hat FCB-Trainer Pep Guardiola für das Pokalfinale gegen den BVB?getty
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In der Bundesliga fertigte der FC Bayern den BVB in der Hinrunde mit 5:1 ab. Im Rückspiel reagierte Thomas Tuchel und holte mit etwas Glück ein 0:0. Was fällt beiden Trainern für das DFB-Pokalfinale in Berlin ein (20 Uhr im LIVETICKER)? SPOX analysiert mit Hilfe des Instituts für Fußballmanagement die beiden BL-Spiele und nennt Aspekte möglicher Matchpläne beider Teams.

Die Duelle in der Bundesliga

4.10.15: FC Bayern - Borussia Dortmund 5:1 (2:1)

Beide Teams trafen sich zum Spitzenspiel am 8. Spieltag in der Allianz Arena. Die Münchner hatten 21, die Dortmunder 17 Zähler auf dem Konto, beide Teams waren noch ungeschlagen.

Die Bayern stellten sich in einem klaren 3-4-3, in dem Alonso, Thiago und Lahm im Zentrum für Kontrolle sorgten und Götze den Verbindungsspieler zur Offensive gab. Die defensive Dreierreihe bildeten Martinez, Boateng und Alaba.

Der BVB dagegen in einem asymmetrischen 4-4-1-1, da Tuchel auf Reus zugunsten von Kagawa verzichtete, um das Zentrum zu stärken, Mkhitaryan spielte eine Art zweiten Stürmer rund um Aubameyang. In der Defensive rückte Sokratis als Gegenspieler Costas auf die Rechtsverteidigerposition und Bender in die Innenverteidigung.

Die Bayern agierten von Beginn an überlegen, aber nicht extrem dominant, der BVB war durchaus im Spiel und in Ansätzen gefährlich. Das spiegelt auch das Ballbesitzverhältnis von 58 zu 42 Prozent wider. Auch der Treffer des BVB fiel nach einer gelungen Aktion durchs Zentrum aus dem Spiel heraus.

Das relativ deutliche Ergebnis hatte drei Gründe: Zum einen verteidigte der BVB die langen Bälle der Bayern, die hauptsächlich von Boateng (5 Torschussvorlagen, 2 Assists) hinter die aufgerückte letzte Linie gespielt wurden, schlecht und ohne passende Abstimmung zwischen der neuen Innenverteidigung Hummels/Bender. Zum anderen leisteten sich die Dortmunder schlimme individuelle Fehler durch Bürki (1:0, 3:1) und Mkhitaryan (Foul vor dem Elfmeter zum 2:0). Und zum dritten zeigten die Bayern eine im Verlauf der Saison immer weniger präsente Effektivität im Abschluss.

Jerome Boatengs Passspiel beim 5:1 des FCB im Hinspiel

5.3.16: Borussia Dortmund - FC Bayern 0:0

Vor dem nächsten Gigantentreffen hatte der BVB fünf Punkte Rückstand und hätte mit einem Sieg auf zwei Zähler heranrücken können, aber am Ende waren die Münchner dem Sieg deutlich näher und hielten mit dem Remis den Vorsprung auf den ärgsten Verfolger.

Beide Trainer wählten dieses Mal eine andere Grundformation. Der BVB begann in einem 3-4-3, das schnell zu einer Mischung aus 5-4-1, 5-3-2 und 5-2-3 wurde. Die Bayern dagegen dieses Mal in Abwesenheit der verletzten Innenverteidiger Martinez, Badstuber und Boateng mit einer Viererkette und einer Mischung aus 4-2-3-1 und 4-2-4. Alonso bekam dieses Mal nicht die spielstarken Thiago und Lahm zur Seite, sondern den kampfstarken Vidal.

Die Dortmunder waren in der Anfangsphase gut im Spiel und hatten sogar mehr Ballbesitz, ohne sich große Torchancen zur erspielen. Die Bayern bekamen nach knapp einer halben Stunde besseren Zugriff aufs Spiel, als sich Alonso verstärkt zwischen die Innenverteidiger fallen ließ und Vidal seine Position offensiver interpretierte. Der Chilene schob weit nach vorne und der BVB hatte Probleme, lange Bälle auf ihn zu verteidigen.

Mit dieser Rochade erlangten die Münchner die Spielkontrolle und dominierten von diesem Moment an den Ball. Da das Gegenpressing ebenfalls sehr gut klappte und die langen Bälle des BVB gut von den geschickten Kimmich und Alaba verteidigt wurden, kam der BVB kaum noch zu klaren Angriffen.

Bayern hatte am Ende mehr als 66 Prozent Ballbesitz, die bessere Zweikampfquote (52,5 Prozent) und auch deutlich mehr Torschüsse (17:11). Anders als im Hinspiel wurden aber beste Chancen (Müller, Costa, Vidal) nicht konsequent genutzt, wodurch am Ende ein torloses Remis stand.

Personal- und Grundordnungswahl im Pokalfinale

Vor zwei Jahren überraschte Pep Guardiola mit einem 3-5-2 und Javi Martinez als zentralem Mann der Dreierkette. Auch in diesem Jahr hängt wieder einiges am Spanier. Sein Einsatz ist aufgrund einer Sprunggelenksverletzung fraglich. Mit ihm wäre das 3-4-3 aus der Hinrunde eine Option, ohne ihn scheidet die Formation mit Dreierkette eigentlich aus.

Nach den Erkenntnissen der letzten Wochen scheint aber einen Viererkette mit Lahm, Martinez, Boateng und Alaba am wahrscheinlichsten. Sollte der Spanier ausfallen sind Kimmich und Benatia die Ersatzkandidaten.

Auch auf der Position vor der Abwehr steht bei Bayern noch ein dickes Fragezeichen. Xabi Alonso plagte sich mit einer schweren Rippenprellung herum, sollte er nicht spielen können, fällt wohl Vidal diese Rolle zu und Thiago würde in die Mannschaft rücken.

Im 4-1-4-1 hätten die Bayern mit Alaba/Ribery und Lahm/Costa zwei starke Pärchen, bei denen die Außenverteidiger immer wieder die Grundlinie und die Außenstürmer den Weg in die Mitte suchen würden.

Auch Tuchels Aufstellung ist schwer vorherzusehen. Den starken Außenbahnen der Bayern könnte er wie im Rückspiel mit einer Fünferkette im 5-4-1 entgegentreten. Allerdings war das Spiel nach vorne in dieser Formation stark eingeschränkt.

Und Tuchel will in seinem ersten Finale sicher nicht nur reagieren. Er hat den BVB in seiner ersten Saison gegenüber der Ära Klopp weiterentwickelt und seine Ideen des Ballbesitzspiels eingebracht.

"Der BVB besitzt eine klare Idee, wie er das Spiel eröffnen möchte und welche Spieler er in welchen Räumen erreichen möchte. So sieht man beispielsweise immer wieder, dass die Dortmunder aus einer Dreierkette eröffnen, die Außenverteidiger nach oben schieben und die drei Offensiven recht eng zusammenstehen", sagt Alexander Schmalhofer, Leiter des Fachbereichs Spiel-und Taktikanalyse des Instituts für Fußballmanagement.

Um die Verbindung im Mittelfeld zum Angriff zu erhöhen, wäre ein spielstarker Mittelfeldspieler wie Kagawa besser als der defensiv stärkere Durm. Allerdings hat der BVB vor allem im Rückspiel gesehen, dass er mit seinen Stärken in der Umschaltbewegung den Bayern immer noch sehr wehtun kann.

"Trotz Weiterentwicklung des Positionsspiels greift Tuchel auch gerne auf das bereits bewährte Konterspiel zurück - vor allem das kann gegen den FC Bayern ausschlaggebend sein", sagt Schmalhofer.

Ein möglicher Matchplan des FC Bayern

Nimmt man das Aufeinandertreffen in der Rückrunde als Grundlage, fiel in Dortmunds Spiel gegen den Ball neben der Fünferkette vor allem die starke Mannorientierung auf. Beim Anlaufen orientierte sich Reus Richtung Lahm und Aubameyang an Alaba, um hier schon Bayerns starke Außen einzuengen.

Auch in der Fünferkette wurden stark mannorientierte Bewegungen vorgenommen, so dass ein Verteidiger seinem Gegenspieler auch folgte, wenn sich dieser in den Zwischenraum fallen ließ. "Die ballnahen Verteidiger bildeten dann ein Abwehrdreieck und sicherten die Tiefe. Dadurch dass die Fünferkette trotzdem sehr hoch stand, war es für die Bayern eben nicht nur schwierig, gezielt Bälle in die Tiefe zu spielen, sondern auch in den Raum zwischen Abwehr und Mittelfeld", analysiert Schmalhofer.

Die Bayern reagierten darauf mit vielen Positionswechseln in der Offensive, um die Verteidiger bewusst in eine andere Zone zu ziehen und den daraus resultierenden Raum für Mitspieler und Zuspiele zu öffnen.

"Ziel der Bayern kann es im Pokalfinale somit sein - vorausgesetzt der BVB verteidigt auf eine ähnliche Art und Weise -, dass sie es durch die Positionswechsel der vorderen Spieler immer wieder schaffen, die Fünferkette zum Fallen zu zwingen, um somit vor die Kette zu gelangen", sagt Schmalhofer.

In dieser Position können dann die Bälle kontrollierter in die Tiefe gespielt werden oder Bayerns Offensivspieler können im Zentrum das Eins-gegen-eins suchen. Ein weiteres bekanntes Stilmittel der Bayern werden die Seitenverlagerungen, um ihre Dribbler in direkte Duelle zu schicken. Gegen eine Fünferkette sind Eins-gegen-eins-Duelle auf Außen aber noch schwerer zu erzwingen.

Ein möglicher Matchplan des BVB

Dortmund will unter Tuchel selbst aktiv sein und nicht nur gegen den Ball agieren. Allerdings ist das Team noch nicht so weit, um auch dem FC Bayern über 90 Minuten den Ballbesitz streitig zu machen. Dafür wiegt auch der Ausfall von Gündogan zu schwer. Ohne den Nationalspieler fehlt dem BVB ein zentraler Spieler für das dominante Passspiel in Ballbesitz.

Allerdings haben vor allem die drei Offensiven (Mkhitaryan, Reus, Aubameyang) ihre Stärken im Tempo und in der Geradlinigkeit im Spiel Richtung Tor. Es ist also davon auszugehen, dass die Bayern den Großteil des Ballbesitzes verbuchen und der BVB seine alte Stärke im Konterspiel vermehrt einsetzen muss und kann - es ist also ein bisschen wie in alten Klopp-Zeiten.

"Im Umschalten nach Ballgewinn ist bei den Dortmundern immer wieder zu beobachten, dass Mkhitaryan als Entwicklungsspieler einer Konteraktion fungiert. Er lauert stets auf den Ballgewinn seines Teams, um sich dann frühzeitig in den freien Raum im Zentrum zu bewegen, um von dort den Gegenangriff einzuleiten", weist Schmalhofer auf eine Auffälligkeit des BVB-Spiels hin.

"In solchen Umschaltmomenten ist meist Aubameyang der Zielspieler, der mit seiner Schnelligkeit, aber auch mit seinem intelligenten Freilaufverhalten, den Pass in den freien Raum provoziert", so Schmalhofer weiter.

Laufduelle mit dem schnellen Aubameyang wollen die Bayern selbstverständlich vermeiden. Sie sind also wieder darauf angewiesen, dass ihr Gegenspressing funktioniert, das Tempo in der Rückwärtsbewegung passt, der Passweg zu Mkhitaryan gekappt wird und Aubameyangs Laufwege bestmöglich antizipiert werden.