Nach dem Offenbarungseid herrschte bei Bayer Leverkusen nur noch blankes Entsetzen: Der umstrittene und aktuell mal wieder gesperrte Chefcoach Roger Schmidt muss trotz neuerlicher Treuebekundungen mehr denn je um seinen Job unter dem Bayer-Kreuz bangen.
"Er bleibt unser Trainer, selbst wenn wir am Samstag in Wolfsburg verlieren", sagte Sportchef Rudi Völler zwar mit zittriger Stimme nach dem peinlichen Pokal-K.o. des Champions-League-Teilnehmers bei Drittliga-Aufsteiger Sportfreunde Lotte. Weitere Pleiten bei den Wölfen in der Liga und am kommenden Mittwoch in der Königsklasse bei Tottenham Hotspur dürften aber auch bei den Bayer-Verantwortlichen das Fass zum Überlaufen bringen.
Zunächst ließ Völler nach dem 3:4 im Elfmeterschießen (2:2 n.V.) beim Dorfklub aus dem Münsterland seine Wut aber an der Mannschaft aus. "Das war an Dämlichkeit nicht zu überbieten", beschrieb er mit drastischen Worten den blutleeren Auftritt der Bayer-Millionäre, die sich trotz 45-minütiger Überzahl und zweimaliger Führung beim Drittliga-Aufsteiger lächerlich machten.
Ersatzkapitän Stefan Kießling sprach konsterniert und ratlos zugleich von der "schwierigsten Situation, die ich je im Verein erlebt habe". Der 32-Jährige, immerhin seit 2006 bei Bayer, hatte aber auch nicht mehr als Durchhalteparolen zu bieten: "Wir müssen jetzt zusammen aus der Scheiße rauskommen."
Schmidt unter Druck
Die Geduld der Bayer-Verantwortlichen mit dem in Lotte nach seiner Verbalattacke gegen Hoffenheim-Kollege Julian Nagelsmann gesperrten, aber dennoch für Aufstellung und Taktik verantwortliche Trainer Schmidt, der den Gruselauftritt seiner Mannschaft auf dem Bildschirm im Teambus verfolgte, scheint nach dem bisherigen Saisonverlauf aufgebraucht.
Bayer-Boss Michael Schade vermied es zwar, sich nach der neuerlichen Pleite den Mund zu verbrennen und suchte schnell das Weite, seine Meinung zu Schmidt hat sich nach den jüngsten Vorfällen und Ergebnissen aber nach SID-Informationen in den letzten Tage geändert. Platz elf in der Bundesliga und drei Spiele ohne Sieg in der Champions League sowie die Pokal-Blamage als trauriger Höhepunkt lassen bei Bayer die Alarmglocken schrillen.
"Am Trainer liegt es nicht"
"Am Trainer liegt es nicht, wir stehen in der Verantwortung", sagte Kevin Kampl selbstkritisch nach dem Debakel in Lotte, aber damit konnte er seinen Coach auch nicht aus der Schusslinie nehmen. Schließlich hatte Schmidt freiwillig auf einige Stammkräfte verzichtet und auf Akteure ohne genügend Spielpraxis vertraut, die wie Roberto Hilbert, Aleksandar Dragovic oder Robbie Kruse auf der ganzen Linie versagten.
Trotz einer erschreckenden Leistung befand sich Bayer aber dennoch nach den ersten beiden Treffern von Nationalspieler Kevin Volland (25./95.) auf der Siegerstraße. Ein Eigentor von Hilbert (47.) sowie Kevin Freiberger (105.+1) schlugen jeweils für Lotte zurück. Dabei agierte Bayer ab der 78. Minute nach einer Gelb-Roten Karte gegen Tim Wendel (78.) in Überzahl. Im Elfmeterschießen scheiterten dann Charles Aranguiz, Volland und Julian Baumgartlinger auf Bayer-Seite.
Lotte machte es vom Punkt besser und feierte nach dem 2:1 gegen Werder Bremen die zweite Sensation im Cup-Wettbewerb. "Diese Mannschaft kann auch ein Busfahrer trainieren, so gut ist die", sagte Sportfreunde-Coach Ismail Atalan voller Stolz und kündigte eine lange Nacht im Tecklenburger Land an.
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