BVB vor Start in die Pflichtspielsaison unter Lucien Favre: Puzzeln unter Stressbedingungen

Lucien Favre steht vor seinem ersten Pflichtspiel als Trainer des BVB.
© imago

Borussia Dortmund startet am Montagabend mit dem Gastspiel in der 1. Runde des DFB-Pokals bei der SpVgg Greuther Fürth (20.45 Uhr im LIVETICKER) in die Pflichtspielsaison 2018/2019. Nach sechs Wochen Vorbereitung liegt beim BVB noch einiges im Unklaren, Trainer Lucien Favre und die Mannschaft benötigen weitere Zeit. Das neue Gesicht der Borussia wird sich daher erst im Live-Betrieb herauskristallisieren können.

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Borussia Dortmund hat im Juli als letzter Bundesligist die Vorbereitung auf die neue Saison aufgenommen, und blickt man nun auf die seitdem vergangenen sechs Wochen zurück, wird klar: Das neue Lieblingswort beim BVB ist "detailversessen".

Spieler wie Funktionäre haben es Dutzende Male benutzt, um Charakter und Arbeitsweise des neuen Trainers Lucien Favre zu beschreiben. Favre achte sehr auf Details, sei selten zufrieden und biete permanente Hilfestellungen und mahne an, dass es immer etwas zu verbessern gebe.

Das klingt eigentlich recht banal, die Dortmunder Äußerungen ließen sich aber auch als Schwärmerei interpretieren. Favre kommt im Verein gut an, er personifiziert den ausgerufenen Neustart und nährt die Hoffnung von Verantwortlichen und Fans, die zuletzt stark schlingernde Borussia wieder in die Spur zu bringen.

"Die positive Stimmung ist definitiv zu spüren, der neue Trainer verbreitet viel Optimismus", sagte der ebenfalls neue Lizenzspielerchef Sebastian Kehl.

Lucien Favre über die BVB-Vorbereitung: "Es war okay"

Über sein Innenleben und die Beurteilung der Arbeit nach den ersten Wochen in Dortmund berichtet Favre selbst jedoch nicht mehr als vorgeschrieben. Auf ein ausführlicheres Interview wartete man bislang vergebens und zieht man die bisherigen Statements in Mixed Zonen oder auf Pressekonferenzen heran, dann kam dort eher jener Favre zum Vorschein, den man zuvor schon aus Gladbach und Berlin kannte.

Der Schweizer äußerte sich meist typisch nüchtern und minimalistisch, sein französischer Akzent lässt seine Worte bisweilen drollig erscheinen. Inhaltliche Tiefe in steter Regelmäßigkeit sollte man von ihm nicht erwarten.

Und so wunderte es auch nicht, dass der von allen Seiten wertgeschätzte Favre am Samstag im Bauch des Dortmunder Stadions ein schlichtes Fazit der Vorbereitungszeit zog: "Es war okay. Wir sind langsam bereit, aber es ist noch viel zu tun." Ende der Durchsage, nächste Frage bitte.

Favre und Dortmund: Gegenseitige Adaption noch nicht abgeschlossen

Die Gründe für diese Einschätzung liegen auf der Hand: Die gegenseitige Adaption ist noch längst nicht abgeschlossen. Favre muss sich weiterhin an seine neue Umgebung gewöhnen, und auch die Mannschaft benötigt mehr Zeit, um seine Vorstellungen mit Leben zu füllen. "Ich brauche noch ein wenig Zeit, um die Spieler in sportlicher Hinsicht individuell und auf dem Platz kennenzulernen, zum Beispiel, wie sie auf bestimmte Situationen reagieren", sagte Favre.

Bislang hat sich nämlich noch keine echte erste Elf für ihn herauskristallisiert. Der Coach tüftelte durchweg am Personal und System herum. Favre muss noch ein Gefühl dafür bekommen, welche Spieler zu welcher Formation für ihn passen könnten.

"Wir wollen mehrere Lösungen haben", antwortete Favre auf die Systemfrage. Er ließ vermehrt im 4-3-3, 4-2-3-1 und deren Ablegern spielen und deutete an, sich in Zukunft noch ein weiteres System erarbeiten zu wollen, um auf gewisse Gegner oder Widrigkeiten wie Verletzungen reagieren zu können.

Besetzung der Viererkette beinahe alternativlos

Dies hat auch mit den unterschiedlichen Einstiegszeitpunkten der Akteure zu tun. Personalien wie Neuzugang Axel Witsel oder der lange verletzte Julian Weigl muss Favre auf verschiedenen Wegen heranführen und stabilisieren. "Man darf nicht vergessen, dass viele Nationalspieler ziemlich spät gekommen sind", machte der Trainer klar.

Die Besetzung der Viererkette fiel ihm da schon etwas leichter, da die defensive Stabilität einer der Schwerpunkte seiner bisherigen Arbeit war und es zu den dafür in Frage kommenden Spielern im Moment nur wenige ernsthafte Alternativen gibt.

Nicht überraschend werden Manuel Akanji und Abdou Diallo die Innenverteidigung bilden und vom neuen Vize-Kapitän Lukasz Piszczek sowie Marcel Schmelzer flankiert. Mehr Kopfzerbrechen bereitet Favre dagegen die Besetzung der offensiven Positionen.

BVB: Die bisherigen Testspiele unter Lucien Favre

DatumGegnerOrtErgebnis
13. JuliAustria WienGenerali-Arena, Wien1:0
21. JuliManchester CityChicago1:0
22. JuliFC LiverpoolCharlotte3:1
26. JuliBenfica LissabonPittsburgh5:6 n.E.
03. AugustStade RennesAltach1:1
07. AugustFC ZürichBad Ragaz4:3
07. AugustSSC NeapelSt. Gallen1:3
12. AugustLazio RomEssen1:0

Favre zur Stürmersuche: "Wir werden sehen"

Der Ausfall von Jacob Bruun Larsen, der zuvor vielversprechende Ansätze zeigte, hat den Variantenreichtum in Dortmunds weiterhin zu großem Kader zwar um eine Option verringert, aus der Startelf gegen Fürth solle man aber noch keine Rückschlüsse ziehen, sagte Favre: "Wer am Montag spielen wird, ist noch nicht entscheidend."

Vor allem bleibt natürlich die Stürmerproblematik und damit einhergehend die Frage, wie sie für den Moment gelöst werden soll. Marco Reus, neben Maximilian Philipp einer von zwei Kandidaten für den zentralen Posten in der Spitze, machte im Interview mit dem kicker bereits Werbung für eine tiefere Positionierung und äußerte, sich an das mögliche neue Einsatzgebiet noch gewöhnen zu müssen.

Ohne echten Stamm-Stürmer in die Saison zu gehen, würde wie schon beschrieben einem Wagnis gleichen. Favre benötigte auf der Pressekonferenz vor dem Pokalspiel lange für seine Antwort auf die Frage, welche Meinung er zur Stürmer-Thematik habe - um dann lediglich ausweichend zu sagen: "Wir werden sehen."

Es dürfte nicht gewagt sein zu behaupten, dass sich in den letzten Tagen des Transferfensters noch einige Verschiebungen in der Bundesliga ergeben werden. So ist es auch im Falle des BVB weiterhin gut möglich, doch noch einen neuen Angreifer zu sich zu lotsen. Favre jedenfalls, so viel ist klar, würde dagegen kein Veto einlegen.

Favre muss das BVB-Puzzle im Live-Betrieb lösen

Klappt doch noch ein Transfer, ergäbe dies wiederum an einer weiteren Stelle neue (Integrations-)Arbeit, so wie sie im Falle der angesprochenen Witsel und Weigl, aber auch zum Beispiel bei Raphael Guerreiro aktuell anfällt. Unter diesen Voraussetzungen wird Favres Puzzle erst unter Stressbedingen im Live-Betrieb scharfe Konturen annehmen können.

Im Idealfall bekommt er es baldmöglichst gelöst. Allerdings darf bei allen Personaldebatten nicht vergessen werden, dass nach den Verfehlungen der Vorjahre parallel dazu auch die Arbeit an einer neuen internen Struktur hineinspielt.

Diese verantwortet Kehl federführend. Der ehemalige Mannschaftskapitän führte zahlreiche Einzelgespräche mit dem inneren Zirkel und sollte dem Gefüge langfristig guttun. Sein Einfluss wird jedoch auch nicht per Knopfdruck positive Ergebnisse zeitigen.

"Wir können an vielen Stellen noch schrauben", sagte Kehl. Favre wird ihm zustimmen.

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