Milos Pantovic vom VfL Bochum im Interview: "Dann ist Guardiola fuchsteufelswild geworden"

Kerry Hau
29. Oktober 201915:53
Milos Pantovic wurde zu seiner Zeit beim FC Bayern von Pep Guardiola gefördert.imago images
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Elf Jahre lang spielte Milos Pantovic beim FC Bayern, 2015 feierte er sein Profidebüt unter Pep Guardiola. Mittlerweile steht der 23 Jahre alte Serbe beim VfL Bochum unter Vertrag. Vor dem Wiedersehen mit seinem Ex-Klub im DFB-Pokal (ab 20 Uhr im LIVETICKER) blickt Pantovic im Interview mit SPOX und Goal auf seine Zeit beim deutschen Rekordmeister zurück.

Der gebürtige Münchner beschreibt, was Guardiola von anderen Trainern abhebt und erklärt, warum es Bayern-Eigengewächse heutzutage schwerer haben, sich bei den Profis durchzusetzen. Zudem äußert er sich zur prekären Situation des VfL Bochum und der seines früheren U-Nationalmannschaftskollegen Luka Jovic bei Real Madrid.

Herr Pantovic, erinnern Sie sich noch an den 17. Oktober 2015?

Milos Pantovic: Wie könnte ich den Tag meines Bundesliga-Debüts vergessen? Davon werde ich irgendwann hoffentlich noch meinen Kindern und Enkelkindern erzählen.

Sie wurden beim 1:0-Sieg gegen Werder Bremen in der Nachspielzeit eingewechselt. Ihr Trainer damals: Pep Guardiola. Welche Erinnerungen haben Sie an ihn?

Pantovic: Nur positive. Zum einen hat er mir mit dem Debüt den schönsten Moment meiner Zeit beim FC Bayern ermöglicht, zum anderen hat er mich immer wieder im Training fasziniert. Er ist ein Perfektionist, der auf jedes noch so kleine Detail achtet.

Können Sie ein Beispiel geben?

Pantovic: Es ist kein Geheimnis, dass Guardiola großen Wert auf sauberes Passspiel legt. Wenn du im Training einen einfachen Pass in den schwachen Fuß deines Mitspielers gespielt hast, ist er fuchsteufelswild geworden. Er hat Spielformen generell häufiger unterbrochen, um Fehler zu korrigieren. Auch nach dem Training ist er auf dich zugegangen und hat dir erklärt, was du gut gemacht hast und was du nicht so gut gemacht hast. Als 18-Jähriger, der eigentlich nur in der Regionalliga spielt, erwartest du nicht, dass sich der Trainer der Profis so viel Zeit für dich nimmt. Dafür werde ich ihm immer dankbar sein.

Milos Pantovic mit David Alaba und Thomas Müller nach seinem Bundesliga-Debüt in Bremen.imago images

Pantovic: "Alonso hat eine unglaubliche Autorität ausgestrahlt"

War Guardiola der beste Trainer, den Sie je hatten?

Pantovic: Guardiola ist sicher einer der besten Trainer der Welt, wenn nicht sogar der beste. Der FC Bayern hatte stets den Anspruch und den Ehrgeiz, Erster zu sein. Guardiola hat diese Selbstverständlichkeit, immer zu gewinnen, noch einmal auf ein höheres Level gehoben und in jedem Training mehr von dir verlangt. Ich picke aber nicht gerne Einzelne heraus. Ich hatte die Ehre, unter vielen fantastischen Trainer zu arbeiten, zum Beispiel Carlo Ancelotti oder Peter Wenninger, der mein erster Trainer beim FC Bayern war. Natürlich habe ich auch beim VfL schon eine Menge gelernt, was mich gegenwärtig und zukünftig weiterbringt. Die Arbeit von Thomas Reis ist super.

Welcher Spieler hat Sie bei den Bayern-Profis am meisten beeindruckt?

Pantovic: Dass wir uns nicht falsch verstehen: Alle bewegen sich auf dem höchsten fußballerischen Niveau. Ich persönlich habe neben Mario Götze besonders Xabi Alonso bewundert. Der hat immer eine unglaubliche Autorität auf dem Platz ausgestrahlt. Auch wenn es mal nicht lief, behielt er die Ruhe und wusste, was er mit dem Ball machen musste. Seine Flugbälle kamen auch über 80 Meter immer punktgenau beim Mitspieler an. Wahnsinn. Alonso war für uns junge Spieler ein absolutes Vorbild und wichtiger Ansprechpartner.

Alonso war ein Defensivspieler. Sie fühlen sich weiter vorne am wohlsten. Gibt es einen Offensivspieler, an dem Sie sich orientieren?

Pantovic: Früher Zinedine Zidane und Thierry Henry. Heute habe ich kein richtiges Vorbild mehr, aber ich finde Thomas Müller cool. Obwohl er ein "Freigeist" ist, spielt er sehr mannschaftsdienlich. Ich bin auch eher ein Instinktfußballer, der auf den Außen oder im Zentrum spielen kann.

SPOXgetty

Pantovic: "Beim FC Bayern muss man ein Ausnahmetalent sein"

Nach elf Jahren verabschiedeten Sie sich vor knapp eineinhalb Jahren von den Bayern und aus Ihrer Geburtsstadt München. Warum?

Pantovic: Ich habe für mich keine Perspektive mehr beim FC Bayern gesehen. Der Verein gehört zu den fünf besten der Welt. Ich muss offen und ehrlich sagen, dass das Niveau bei den Profis zu hoch für mich war, um den Durchbruch zu schaffen. Als junger Spieler brauchst du viele Einsätze, um dich bestmöglich weiterzuentwickeln. Nach ein paar Jahren in der Regionalliga wollte ich nicht stagnieren, sondern den nächsten Schritt machen. Ich war und bin dem FC Bayern sehr dankbar, wollte mir aber beweisen, dass ich es im Profibereich schaffen kann. Außerdem war es wichtig für mich, einen Schritt aus meiner privaten Komfortzone zu machen. Familie ist das A und O für mich. Aber wenn du in München geboren und aufgewachsen bist, willst du irgendwann auch mal etwas anderes sehen und als Mensch weiter reifen.

Viele Talente bei den Bayern tun es Ihnen gleich. Seit David Alaba hat der Verein kein Eigengewächs mehr zum etablierten Profi entwickelt. Ist die Jugendarbeit der Bayern nicht gut genug?

Pantovic: Nein, es gibt zahlreiche Talente, die das Zeug zum Bundesligaspieler haben. Ich würde eher sagen, dass die Arbeit, die bei den Profis gemacht wird, zu gut ist. Ich möchte niemandem zu nahe treten, aber das Niveau beim FC Bayern war vor zehn Jahren noch nicht so hoch wie aktuell. Der Verein will in jeder Saison die Champions League gewinnen und kann sich fertige Topspieler für 60, 70 oder wie in diesem Jahr 80 Millionen Euro leisten. Da muss man schon ein absolutes Ausnahmetalent sein, um sich zu behaupten. Das war ich ehrlicherweise nicht.

Milos Pantovic im Steckbrief

geboren7. Juli 1996 in München
Größe1,85 m
Gewicht67 kg
PositionLinksaußen, Rechtsaußen, Mittelstürmer
starker Fußrechts
StationenSV Helios Daglfing (Jugend), FC Rot-Weiß Oberföhring (Jugend), FC Bayern (Jugend), FC Bayern, VfL Bochum
Profispiele/-Tore26/1

Ihr Weg führte Sie nach Bochum. Wie kommen Sie im Ruhrgebiet zurecht?

Pantovic: Ich habe mich sehr schnell eingelebt, weil die Menschen sehr offenherzig sind. Und obwohl München sehr schön ist und Bayern viel zu bieten hat, gibt es auch hier schöne Ecken.

Sportlich lief Ihr erstes Jahr beim VfL jedoch bescheiden. Sie zogen sich nach vier Spielen in der 2. Liga eine Verletzung am Kreuzband zu, die Sie 149 Tage außer Gefecht setzte. Wie blicken Sie auf diese Zeit zurück?

Pantovic: Es war sehr hart für mich, so lange nicht auf dem Platz zu stehen, zumal ich gerade auf dem Weg zum Stammspieler war und zuvor noch nie eine Verletzung in diesem Ausmaß erlitten hatte. Ich war dann wieder einige Monate bei meiner Familie in München, um die Reha zu absolvieren. In solchen Phasen merkst du erst, wie wichtig es ist, gesund zu sein.

Hat man in solchen Phasen viele Selbstzweifel?

Pantovic: Ja, aber nicht nur, wenn du verletzt bist. Die Karriere ist wie das Leben ein Auf und Ab. Du fällst immer wieder in ein Loch und zweifelst an dir selbst. Das wird aber erst ein Problem, wenn du dein Ziel aus den Augen verlierst und den Fußball nicht an erster Stelle positionierst. Eine Karriere wird auch zwischen den Ohren entschieden. Ich habe mit vielen Jungs gespielt, die deutlich mehr Talent hatten als ich, aber noch zu viele andere Sachen im Kopf. Es ist normal, dass du ein wenig die Bodenhaftung verlierst, wenn du als 18-jähriger Jungprofi auf einmal mehr in einem Jahr verdienst als studierte Menschen in ihrem halben Leben. Deshalb brauchst du ein Umfeld, das dir ab und zu auch mal auf die Finger haut und dich erdet.

Seit der Saison 2018/19 ist Milos Pantovic für den VfL Bochum aktiv.imago images

Pantovic: "Heute bin ich froh, dass ich mein Abitur habe"

War das bei Ihnen der Fall?

Pantovic: Absolut. Ich habe einen Glücksgriff mit meinem Umfeld gemacht. Mein Bruder ist acht Jahre älter als ich. Ich kann irgendwann die Champions League oder die Weltmeisterschaft gewinnen und er wird trotzdem immer mein älterer Bruder sein, der mir auf die Finger haut, wenn es nötig ist. Das gilt auch für meine Eltern. Sie haben immer von mir verlangt, dass ich mein Abitur machen soll. Ohne Druck, aber mit Gewissenhaftigkeit. Heute bin ich froh, dass ich mein Abitur habe, wenn auch nicht mit dem besten Schnitt. Eine Absicherung ist sehr wichtig, weil du nie weißt, wie lange du spielen kannst. Eine schlimme Verletzung reicht manchmal schon.

Welchen Beruf würden Sie heute ausüben, wenn Sie kein Profifußballer wären?

Pantovic: Vielleicht Koch, auch wenn ich mir gerade so selbst ein Brot schmieren kann (lacht). Lehrer wäre ich wohl eher nicht geworden, obwohl ich ab und zu gerne ein Buch lese.

Welche Bücher lesen Sie?

Pantovic: Mich interessieren vor allem Biografien bekannter Sportler. Zum Beispiel habe ich die von Oliver Kahn, Zlatan Ibrahimovic oder Andrea Pirlo gelesen. Ich finde es spannend, zu erfahren, durch welche Höhen und Tiefen sie gegangen sind, um es an die Spitze zu schaffen. Besonders beeindruckt hat mich die Biografie von Novak Djokovic. Der hat während des Balkankrieges mit Ana Ivanovic in einem leeren, fast zerstörten Schwimmbecken Tennis gespielt und ist heute die Nummer eins der Welt. Es wird wahrscheinlich keinen besseren serbischen Sportler mehr geben als ihn.

Reporter Kerry Hau traf Milos Pantovic (r.) zum Interview in Bochum.Spox/Goal

Pantovic: "Es wird ein emotionaler Abend für mich"

Einer der bekanntesten serbischen Fußballer ist aktuell Luka Jovic. Sie kennen ihn persönlich, bestritten vor zwei Jahren einige Spiele in der U21 an seiner Seite. War es damals schon absehbar, dass er so schnell bei einem Klub der Marke Real Madrid landen würde?

Pantovic: Nein. Er war schon damals ein Ausnahmetalent, aber niemand hätte damit gerechnet, auch Luka selbst nicht. Ich gönne es ihm aber von ganzem Herzen. Wir haben noch heute ab und zu Kontakt. Er ist ein sehr bodenständiger und ehrgeiziger Junge. Seit er bei Real ist, schaue ich mir viele Spiele an, auch wenn er leider nicht so oft zum Einsatz kommt. Die Konkurrenz ist für ihn ähnlich groß wie für mich damals beim FC Bayern. Ich bin mir aber sicher, dass Luka noch bei Real zeigen wird, wozu er fähig ist.

Welche Ziele haben Sie sich für die nächsten Jahre gesetzt?

Pantovic: Ich träume davon, an einem großen Turnier mit der serbischen A-Nationalmannschaft teilzunehmen und möchte auf lange Sicht auch in der Bundesliga spielen. Im Optimalfall mit dem VfL, auch wenn wir gerade ganz andere Sorgen haben. Nach dem schwachen Saisonstart lautet unser oberstes Ziel, die Klasse zu halten.

Nun empfängt der VfL den FC Bayern im DFB-Pokal. Was haben Sie sich für das Wiedersehen mit Ihrem Ex-Verein vorgenommen?

Pantovic: Es wird ein emotionaler Abend für mich, auch weil neben meiner Familie ein paar Freunde aus München zu Besuch kommen. Ich werde mein Bestes geben, wenn ich spiele.