Oliver Mintzlaff schossen die Tränen in die Augen, als RB Leipzigs Titel-Jäger noch Goldköpfchen Emil Forsberg feierten. Sichtlich angefasst nahm der Klubchef Domenico Tedescos Gesicht in beide Hände und drückte den Erfolgstrainer fest an sich. Nach dem dritten Finaleinzug im DFB-Pokal in vier Jahren scheint nun sogar das "Double" realistisch.
"Es hätte uns niemand zugetraut, dass wir ins Pokalfinale einziehen, wenn ich noch an den Dezember denke. Natürlich ist viel Druck in diesem Business und auch in meinem Job und da ist viel abgefallen", erklärte der meist analytische Mintzlaff seinen Ausbruch in der ARD, nachdem die Leipziger Union Berlin im Halbfinale in letzter Sekunde 2:1 (0:1) bezwungen hatten.
Tedesco, der den Klub nach dem Missverständnis Jesse Marsch im Dezember in der Krise übernommen hatte, berichtete danach am Sky-Mikrophon, Mintzlaff habe sich "natürlich extrem gefreut und war sehr emotional". Es könnten nicht die letzten Freudentränen gewesen sein, denn spätestens im Endspiel am 21. Mai soll gegen den SC Freiburg der erste Titel der Vereinsgeschichte her.
"Wir ziehen ein nach Berlin und dann wollen wir natürlich gewinnen", sagte Mintzlaff. Im Vorfeld wird dort sicher erneut über das "Konstrukt RB Leipzig" debattiert. Einen Vorgeschmack gaben am Mittwoch die Union-Fans, die aus Protest die ersten 15 Spielminuten schwiegen.
RB Leipzig seit 2019 zum dritten Mal im Pokalfinale
Sportlich liegt der Druck im Finale nun jedenfalls bei RB, nachdem es 2019 gegen den FC Bayern (0:3) und 2021 gegen Borussia Dortmund (1:4) klar nicht gereicht hatte. Sollte Leipzig im Europa-League-Halbfinale (28. April/5. Mai) auch noch die Glasgow Rangers ausschalten, böte sich drei Tage vor dem Pokalfinale im Endspiel von Sevilla sogar noch die Chance auf das Titel-Doppel.
In der Mannschaft lebt der Glaube daran. "Ich finde, beides ist natürlich möglich", sagte ein selbstbewusster Forsberg, der RB gegen Union in der zweiten Minute der Nachspielzeit nach Berlin geköpft hatte: "Wir haben so eine Qualität in der Mannschaft, dass wir denken müssen, dass es geht, beides zu gewinnen." Zwar sei Freiburg, so der Schwede, eine "Top-Mannschaft", aber sein Team habe "alles zu gewinnen".
Es ist ein radikaler Stimmungswandel, denn RB hatte schon reichlich verloren, als Marsch im Dezember hatte gehen müssen und Tedesco kam. In der Liga Rang elf, in der Champions League ausgeschieden und die Mannschaft haderte mit ihrer Identität: Keine guten Vorzeichen für eine Double-Saison, doch plötzlich lief es unter Tedesco und Leipzig ist mittlerweile 15 Pflichtspiele in Serie ungeschlagen.
Neben dem breiten Kader ist im April 2022 wohl die Mentalität Leipzigs größtes Pfund. Selbst nach einer "fürchterlichen" (O-Ton Tedesco) ersten Halbzeit gegen ein unheimlich laufstarkes Union, bog der Vizemeister das Halbfinale noch um. Das gibt dem Bundesliga-Dritten Rückenwind - auch für das Champions-League-Rennen in der Liga, wo die Köpenicker am Samstag (15.30 Uhr) schon wieder nach Sachsen reisen. Tedesco: "Wir wollen sie nochmal schlagen".