Bayerns neue Botschaft: Mir san verunsichert

Von Für SPOX in der Allianz Arena: Florian Bogner
Nach dem verlorenen DFB-Pokal-Halbfinale gibt es bei Bayern München einiges zu diskutieren
© Imago

Der FC Bayern hat nach der Pokalniederlage gegen Schalke schon Anfang März seine Saisonziele verpasst. Innerhalb einer Woche ist der Optimismus einer tiefen Verunsicherung gewichen. Trainer Louis van Gaal sieht sich dennoch nicht zur Disposition stehen.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Nach dem Spiel zeigte Arjen Robben noch mal, wie schnell er sein kann. Knappe 15 Minuten nach Schlusspfiff stürmte der Niederländer frisch geduscht, aber mächtig stinkig, durch die Katakomben der Allianz Arena in Richtung Ausgang. Ein "Ciao" aus dem Mundwinkel an die Journalisten, mehr wollte der Bayern-Superstar nach der bitteren Pokalniederlage gegen Schalke nicht sagen.

Auch bei den Teamkollegen saß die Enttäuschung tief. Fast ohnmächtig hatten die Bayern-Spieler den Jubel des Gegners im eigenen Stadion verfolgt und waren nach Schlusspfiff wie betäubt in Richtung Kabine verschwunden. Lediglich Philipp Lahm befand es für nötig, sich der eigenen Fankurve bis auf 40 Meter Luftlinie zu nähern und dem Anhang für seine Unterstützung zu danken.

Lahm: "Titel leichtfertig hergeschenkt"

Lahm war dann auch der einzige Bayern-Spieler, der sich den TV-Kameras stellte. Und was der sonst um Konformität bemühte Kapitän dort (und wenig später in der Mixed-Zone) sagte, ließ auf Endzeitstimmung schließen.

"Die Saison ist jetzt nur noch schwer zu retten", meinte Lahm zerknirscht und führte an, dass eine Spielzeit ohne Meistertitel oder Pokalsieg "keine gute Saison für den FC Bayern" ist. Sein nüchternes Fazit: "Wir haben einen Titel leichtfertig hergeschenkt."

Am Wochenende waren die Bayern der Dortmunder Borussia taktisch auf den Leim gegangen und mussten letztlich die Übermacht des BVB anerkennen - was an und für sich schon so gar nicht zum Selbstverständnis des FC Bayern passen mag. Gegen Schalke mussten sich die Beteiligten nun eingestehen, dass es im eigenen Maschinenraum ordentlich hakt. Mir-san-mir macht gerade Urlaub.

Eine kleine Mannschaft

"Für ein Spitzenteam ist die Fehlerquote zu hoch und deshalb stehen wir auch in der Bundesliga nicht ganz oben", resümierte Lahm kritisch. Zweimal in Folge fing sich der FCB nun recht biedere Gegentore nach einem Eckball, zweimal sah sich Bastian Schweinsteiger im Kopfballduell einem gegnerischen Innenverteidiger (erst Mats Hummels, nun Benedikt Höwedes) recht hilflos gegenüber.

Laut Lahm eine Folge von fehlender Cleverness und mangelnder Konzentration. "Wir haben den Schalkern zu einfach Freistöße und Eckbälle geschenkt. Wir wussten vorher, dass das gefährlich wird. Das war Schalkes einzige Chance und so ist auch das Tor gefallen", ergänzte Trainer Louis van Gaal, der einen sinnbildlichen Grund für die Anfälligkeit nannte: "Wir haben eine kleine Mannschaft."

Seinen eigenen Job sah der Trainer nach den beiden Nackenschlägen indes nicht zur Disposition stehen. Wenn man zwei sehr wichtige Spiele hintereinander verliere, werde immer die Trainerfrage gestellt. "Aber ich entscheide das nicht. Ich mache meine Arbeit und ich denke, dass ich meine Arbeit gut mache", sagte der Bayern-Trainer.

Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge stellte in Sachen Trainerfrage angesichts der Tatsache, dass in drei Tagen das nächste wichtige Spiel bei Hannover 96 ansteht, klar: "Ich führe diese Diskussion nicht und ich habe auch nicht den Eindruck, dass sie sonst jemand beim FC Bayern führt."

Schweinsteigers alarmierende Erklärung

Die letzten beiden Auftritte der Münchner werden jedoch auch im Vorstand die Alarmglocken schrillen lassen. Erschreckend vor allem, wie ideenlos die Bayern den drohenden Pleiten begegneten. Schweinsteiger fand nach dem Schalke-Spiel eine recht einfache, aber deswegen nicht weniger bedrohliche Erklärung: "Mittlerweile wissen die Mannschaften, wie sie gegen uns zu spielen haben."

Damit wollte der Nationalspieler ausdrücken, dass es gegen die Bayern derzeit reicht, Robben und Franck Ribery auf den Flügeln zu isolieren und den Raum vor dem eigenen Strafraum so eng wie möglich zu machen. "Schalke hat mit drei Sechsern gespielt, stand extrem tief", klagte Thomas Müller. "Da waren lange Bälle noch das beste Mittel." Die waren jedoch recht einfach zu verteidigen.

In manchen Phasen wirkte das Spiel der Münchner so wie zu Beginn der Ära van Gaal - ohne Plan B schoben sich die Spieler den Ball unsicher hin und her. Rückschritt ist nie ein gutes Zeichen. "Wir müssen jetzt Klartext miteinander reden und herausfinden, was schief läuft. Denn irgendwas ist falsch, wenn man zwei Spiele hintereinander zuhause verliert", sagte Danijel Pranjic zu SPOX.

Bayern vor Hannover: "Es geht um alles"

Zwei Heimniederlagen in Folge hatte es zuletzt im April 2001 gegeben, damals stand immerhin am Ende neben der Meisterschale der Champions-League-Pokal im Trophäenschrank. Die Königsklasse ist nun auch der einzige Wettbewerb, in dem der FCB noch Chancen auf einen Titel hat.

Man dürfe jetzt aber nicht anfangen zu träumen und "die Parole ausgeben, dass wir die nun gewinnen müssen", stellte Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge fest. Unterm Strich steht der FCB schon Anfang März vor den Scherben einer Saison, die eine Woche zuvor mit dem Sieg in Mailand noch so verheißungsvoll aussah.

"Es ist wahnsinnig bitter, wie wir unsere ganze Saison jetzt so ein bisschen wegschmeißen", stellte Müller sarkastisch fest.

Was den Bayern blieb, war der Blick nach vorne - auf das Spiel in Hannover. "Das ist vielleicht das wichtigste Spiel in dieser Saison", warnte Lahm. "Es geht um alles. Wir müssen in Hannover unbedingt gewinnen."

Rauls doppelte Premiere

Das gilt nun auch für Schalke 04 mit Blick aufs DFB-Pokalfinale gegen den Zweitligisten MSV Duisburg. "Wir müssen dieses Spiel jetzt auch unbedingt gewinnen, damit wir uns für nächste Saison für den Europapokal qualifizieren", meinte Torschütze Raul. "Das wird kompliziert, auch wenn der Gegner ein Zweitligist ist." Mit einem Schlag sieht Schalkes Saison doch wieder rosig aus.

Mit Real Madrid war Raul sechs Mal bei den Bayern zu Gast gewesen, hatte nie in München gewonnen und kein Tor erzielt. Mit Schalke feierte der 33-Jährige nun doppelte Premiere. "Ich freue mich über mein Tor, aber noch mehr freue ich mich, dass wir im Finale stehen", sagte der Spanier. "Nur wenige hätten vorher auf uns gesetzt, aber wir haben ein gutes Spiel gezeigt", freute sich Raul.

Christoph Metzelder verteidigte derweil die defensive Spielweise der Gäste. "Dass man nicht nach München fährt und Hurra-Fußball spielt, ist klar", sagte der Innenverteidiger. "Wir wollten vor allem Robben und Ribery aus dem Spiel nehmen und das ist uns gelungen. Dass wir dann so früh das Tor gemacht haben, war für unser Spiel unglaublich wichtig", so Metzelder.

Und wenn die disziplinierte Defensive der Knappen doch mal das Nachsehen hatte, war da ja immer noch Manuel Neuer, der sich von der Fan-Kampagne gegen ihn und hinter ihm im Bayern-Fanblock nicht irritieren ließ. "Wenn ich auf dem Spielfeld stehe, gucke ich auf den Ball und nicht auf Plakate, deswegen sind wir auch weiter gekommen", meinte Neuer - und folgte Robben hinaus in die Nacht.

Das DFB-Pokal-Halbfinale im Überblick