Als Schiedsrichter Deniz Aytekin am Dienstagabend im Signal Iduna Park zur Pause pfiff, legte sich eine reichlich ernüchterte Stimmung über das Dortmunder Stadion. Der BVB hatte in den ersten 45 Minuten gegen starke Hoffenheimer ein Bild abgegeben, das zu dieser so verkorksten Saison wie die Faust aufs Auge passte.
Die Borussia warf eine frühe Führung blitzschnell weg, lag im Handumdrehen zurück und machte nicht den Eindruck, im zweiten Durchgang noch ein spielerisches Feuerwerk abbrennen zu können. Auch der kurzfristig mit Oberschenkelproblemen ausgefallene Kapitän Mats Hummels wirkte während seines Interviews bei "Sky" zur Halbzeit sehr nüchtern, beinahe schon resignierend.
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Es sei sehr schwierig, in der Bundesliga noch Platz sechs oder sieben zu erreichen, prognostizierte Hummels. Zumal ja am Wochenende das Auswärtsspiel bei den formstarken Gladbachern anstehe. Er wollte sagen: Wenn der BVB diese Spielzeit über den Einzug in die Europa League noch halbwegs reparieren möchte, dann bleibt der DFB-Pokal die beste Chance.
Leistungssteigerung ab Minute 46
Hummels verschwand anschließend in Richtung Katakomben und scheint seinen Mitspielern noch ein paar gute Wünsche für die zweite Halbzeit mit auf den Weg gegeben zu haben. "Ihr alle könnt jetzt entscheiden, wie sich Neven Subotic heute Abend fühlt", waren die Worte, die Trainer Jürgen Klopp an seine Mannschaft richtete. Subotic hatte im ersten Abschnitt mit einem Stockfehler die Hoffenheimer Führung und Dortmunder Ratlosigkeit eingeleitet.
Seine Mannschaft habe sich in diesem Wettbewerb noch nie unter Wert verkauft, meinte Klopp auf der Pressekonferenz vor der Partie. Er sollte damit letztlich Recht behalten, denn Dortmund legte ab Minute 46 eine Leistungssteigerung an den Tag, die wohl auch Hummels nicht kommen sah.
Die Westfalen spielten fortan zwar nicht die Sterne vom Himmel, sie kamen aber mit positiver Körpersprache und Aggressivität aus der Kabine und unterstrichen, wie wichtig ihnen diese letzte Hoffnung DFB-Pokal ist. Nach dem Ausgleich zum 2:2 wogte das Spiel bis zum Schluss hin und her, beruhigte sich etwas und nahm dann doch wieder Fahrt auf.
Strohhalm Pokalfinale in Berlin
In dieser Phase hätte ein Hoffenheimer Treffer wohl das Dortmunder Aus besiegelt, am Ende war der BVB dank des Traumtors von Routinier Sebastian Kehl das glücklichere zweier gleichwertiger Teams und gewann nicht unverdient.
Was dieser Erfolg für den Moment den Dortmundern bedeutet, war nach Schlusspfiff aus jedem Gesicht mühelos ablesbar: Balsam auf die geschundene Seele, Erleichterung, Hoffnung. "Die Phase ist nicht ganz einfach für uns. Auch nach dem 0:1 im Spiel gegen die Bayern gab es ja wieder Kritik. Deshalb ist es für die Mannschaft auch wichtig, diesen Strohhalm 'Pokalfinale in Berlin' und vielleicht einen möglichen Titel zu holen, aufrecht zu erhalten."
Bei einer Teilnahme an der Europa League rechnet der BVB laut Hans-Joachim Watzke mit Einnahmen von bis zu 30 Millionen Euro. Dank zahlungskräftiger Sponsoren und dem hervorragenden Zuschauerschnitt könne Dortmund nach Ansicht seines Geschäftsführers Summen erzielen, die für andere Teilnehmer reinste Utopie bedeuten.
EL könnte finanzielle Verluste abfedern
In den letzten Tagen vernahm man mehrere solcher Einschätzungen zum Thema internationaler Wettbewerb, so dass klar ist: intern ist der Abstiegskampf längst ad acta gelegt, der Blick geht wieder nach oben. Denn es liegt auf der Hand: Das internationale Geschäft würde die Planungen des BVB um einiges erleichtern.
So werde man den Gürtel zwar enger schnallen müssen, wie Watzke bereits ankündigte, doch wie skizziert könnte die Europa League die finanziellen Verluste immerhin einigermaßen abfedern. Und auch das Prestige, weiterhin in Europa vertreten zu sein, würde für das Selbstverständnis von Klub und Gönnern ein nicht zu unterschätzendes Gut darstellen.
Die größten Auswirkungen hätte eine EL-Teilnahme allerdings auf die Planspiele rund um die Größe des Kaders der kommenden Saison. "Wir werden weniger ausgeben als wir einnehmen", lässt Michael Zorc schon jetzt wissen, wo der Ausgang noch ungewiss ist. Der Sportdirektor stünde allerdings unter größerem Zugzwang, wenn er zum Verkaufen mehr oder minder gezwungen wäre. Dies ist ohne Europa zweifelfrei der Fall, dann müsste personell deutlich ausgedünnt werden.
Für Europa reicht nur der Pokalsieg
Bei aller Freude, die Dienstag kurz vor Mitternacht in Dortmund herrschte, sollte allerdings bedacht werden, dass es für Klopps Mannschaft noch ein weiter Weg ist, die Saison halbwegs erfolgreich zu reparieren. Denn "nur" der Einzug ins Pokalfinale reicht seit einer Regeländerung, die für die aktuellen Szenarien bereits von Belang ist, nicht mehr aus.
Sollte sich nämlich der kommende Pokalsieger über die Bundesliga für die Champions League qualifiziert haben - und das ist beim derzeit verbliebenen Teilnehmerfeld nicht unrealistisch - geht der EL-Startplatz nicht mehr an den Verein, der in Berlin den Kürzeren zieht. Vielmehr würde dann Bundesligaplatz sieben zur Teilnahme an der dritten EL-Qualifikationsrunde berechtigen.
Dortmund muss also den Pokal gewinnen, um sicher in Europa dabei zu sein. Geht dort alles den gewohnten Gang, stünden den Schwarzgelben mit Wolfsburg, voraussichtlich Gladbach sowie Leverkusen oder Bayern aber die echten Kracher erst noch ins Haus.
"Dementsprechend muss man da hin"
Ein ebenso schweres Unterfangen also wie über die Liga, wo die Borussia vier Punkte von Platz sieben und sechs von Rang sechs trennen. Allerdings stehen hier noch Begegnungen gegen die direkten Konkurrenten um Platz sieben an.
Doch wie Kehl, der an diesem Dienstagabend auf der Zielgeraden seiner Karriere noch einmal zum Helden wurde, sagte: Der Verein schielt vielmehr auf die letzte verbleibene Titelchance. Der Pokalsieg hätte das Potential, große Teile der Horror-Saison auf einen Schlag zu überdecken.
"Das Pokalfinale in Berlin ist für mich das geilste Finale überhaupt", sagte Klopp. "Dementsprechend muss man da hin." Das Halbfinale ist erreicht, das Projekt Strohhalm lebt.
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