Die Ära Pep Guardiola endet, wie sie begann - mit einem emotionalen Sieg im Elfmeterschießen. Der Trainer scheidet in Frieden von seinem alten Klub und wird sich zukünftig wieder mit seinem ärgsten Rivalen rumschlagen müssen.
Pep Guardiola wird in München bleiben. Sieben bis zehn Tage ist er noch in der Stadt, um alles zu regeln, ehe er sich in den Urlaub verabschiedet und anschließend nach Manchester fliegt, um bei City ein neues Projekt in Angriff zu nehmen.
Eilig hat es Guardiola nicht, München zu verlassen. Er muss auch nicht flüchten, er kann den FC Bayern durch "das große Tor verlassen", wie Thomas Müller sagte. Er liebe diese Stadt und werde auch künftig immer wieder kommen, um Freunde zu treffen, die er in seinen drei Jahren gewonnen habe.
Diesen privaten Aspekt hat Guardiola in den letzten Tagen und Wochen immer wieder betont, als er erklärte, warum er seine Zeit in München als gelungen einstuft und warum die Zahl der Titel oder der Gewinn des Champions-League-Pokals nicht entscheidenden Einfluss auf sein Fazit haben.
Eloge auf Philipp Lahm
Eins, zwei, drei. Bevor Guardiola gemeinsam den DFB-Pokal mit Philipp Lahm in die Höhe reckte, gab er den Takt vor. Es war zwar nicht so gemeint, aber es passte trotzdem ganz gut zu seinem mittlerweile geflügelten Satz: "Titel sind Nummern." Auch das Double ist eine Nummer. Genauso wie Systeme Telefonnummern seien.
Guardiola hat die Fokussierung auf Silberware als Bewertungsgrundlage seiner Arbeit akzeptiert - auch wenn er sie verstanden hat -, selbst aber ganz andere Kriterien angewandt. Der Fußball gehört in seiner Welt den Spielern und deshalb werde er die Alabas, die Boatengs und die Müllers auch ganz besonders vermissen. Aber keinen wohl so sehr wie Philipp Lahm.
"Er hat mir sehr geholfen. Er ist der erste Rechtsverteidiger, den ich gesehen habe, der eine Spielweise dominiert. Sein Spiel heute war fürs Lehrbuch. Er spielt immer gut. Ich habe noch nie ein schlechtes Spiel von ihm gesehen und verstehe nicht, warum er noch nicht Fußballer des Jahres war", sagte Guardiola. "Philipp wird für mich immer etwas Besonderes bleiben. Er ist der richtige Kapitän für Bayern und eine absolute Legende für diesen Verein. Lahm ist auf einem Niveau mit Müller, Beckenbauer, Rummenigge."
Dass Lahm den Trainer bei der Pokalübergabe nach vorne holte, zeigte zum Abschluss auch noch einmal deutlich, dass das Verhältnis zwischen Mannschaft und Trainer bis zum Schluss intakt war. Guardiola nahm die Geste an, jubelte ausgelassen und verschwand dann wieder im Hintergrund.
Offen, emotional - unnahbar?
Zuvor hatte er kurz nach dem Schlusspfiff viele Tränen vergossen. Man merkte förmlich, wie der ganze Druck von ihm abfiel und wie sehr er sich über diesen positiven Abschluss mit seiner liebgewonnen Mannschaft freute.
"Nach dem Abpfiff sind vielleicht alle Dämme gebrochen und ich denke, das darf er auch. Vorher musste er seinen Beruf machen - jetzt kann er endlich auch mal Mensch sein und muss nicht mehr Maschine sein", sagte Thomas Müller.
Es war ja vor allem die Akribie, die Besessenheit, die Guardiolas hervorstechende Charaktereigenschaften in diesen drei Jahren waren, die ihm aber auch gleichzeitig das Prädikat "unnahbar" einbrachten, obwohl er sich auch immer Zeit nahm für die Fans und deren Autogrammwünsche und so emotional coachte, wie noch kein Trainer vor ihm. Trotzdem hatte sich am Ende eine ambivalente Beziehung zwischen Fans und Trainer entwickelt.
Mit dem Pokalsieg und der abschließenden Feier auf dem Rathausbalkon nahmen beide Seiten gebührend Abschied voneinander. Guardiola versprach den Champions-League-Titel in den nächsten Jahren und rief "Mia san Mia" ins Publikum. Das jubelte ihm zu.
Alles begann in Prag
Für den FC Bayern endete in Berlin die Ära Guardiola sportlich, wie sie im August 2013 in Prag begann. Nach dem verlorenen deutschen Supercupfinale gegen Borussia Dortmund, das sehr früh in der Vorbereitung stattfand, war der Titel im europäischen Supercup gegen Jose Mourinhos FC Chelsea das erste Aha-Erlebnis unter Guardiola.
Wie im Olympiastadion fiel auch in der Eden Arena damals die Entscheidung im Elfmeterschießen. Die Bayern verwandelten alle fünf Elfmeter und Matthias Sammer stellte hinterher vor allem die emotionalen und gleichzeitig inhaltlich präzisen Worte des Trainers heraus.
"Seine Ansprachen waren unglaublich, gerade vor dem Elfmeterschießen. Der Trainer hat erklärt, was zu tun ist und wer die Elfmeter schießen wird. Das war ein Produkt der Ansage. Ich schätze es sehr, mit welcher Intensität unser Trainer mit der Mannschaft arbeitet", sagte Sammer.
Er habe die Mannschaft "geführt unter ganz anderen Attributen, wie man vielleicht denkt. Nicht nur inhaltlich, sondern vor allem auch moralisch."
Unterschied zu Tuchel
Auch im Olympiastadion hat Guardiola vor dem Elfmeterschießen klare Ansagen gemacht und damit offensichtlich die richtige Mischung gefunden. Bis auf Joshua Kimmich verwandelten alle Spieler sicher und mit großer Überzeugung.
Hier lag einer der großen Unterschiede an diesem Abend zwischen Lehrmeister Guardiola und Schüler Tuchel, der sich für die falsche Auswahl seiner Elfmeterschützen kasteite. Der BVB-Trainer musste auch feststellen, dass die Bayern mit mehr "Schärfe, Vertrauen und Überzeugung" ins Spiel gingen als seine Mannschaft.
Mit Guardiolas Abschied aus der Bundesliga verliert Tuchel seinen Bruder im Geiste. Auf der anderen Seite ist er sich aber sicher: "Die Chancen, die Bayern künftig schlagen zu können, werden durch seinen Abgang nicht geringer."
Auf Guardiola wartet der Plagegeist Mourinho
So viel Wohlwollen wie in der Bundesliga wird Guardiola in der Premier League von seinen ärgsten Konkurrenten sicher nicht zuteilwerden. Zumal mit Jose Mourinho sein schlimmster Plagegeist kurz davor steht, die Geschicke beim Lokalrivalen Manchester United zu übernehmen.
Guardiola hat in den letzten fünf Monaten laut eigener Aussage in München sehr gelitten, weil ihm viele seinen freiwilligen Rückzug aus Bayern übelnahmen und deshalb aus seiner Sicht nicht fair mit umgingen.
Für gewöhnlich geht es in Englands Yellow Press noch etwas rauer zu und mit Mourinho wartet nun ausgerechnet noch dieser Gegner auf ihn, den er vor Jahren einmal als "puto amo" (verdammten Chef) der Pressekonferenzen bezeichnete. The Special One weiß aus jahrelanger Erfahrung, wie er mit der englischen Presse spielen kann.
Wie es das vom Geld getriebene Schicksal im Fußball will, wird sein erstes Testspiel mit City beim International Champions Cup (ICC) in Peking ausgerechnet gegen United stattfinden. Beim Blick auf den Spielplan dürfte er aber erleichtert feststellen, dass es besser wird. Das zweite Match steigt in Shenzhen - gegen Borussia Dortmund mit Thomas Tuchel.
Die Saison des FC Bayern im Überblick