Beim 5:0-Sieg in der 1. Runde des DFB-Pokals gegen Viktoria Köln offenbarte Mathys Tel erstmals sein gewaltiges Potenzial. Der 17-jährige Neuzugang des FC Bayern München brach einen Rekord und holte sich anschließend reichlich Lob ab.
Entweder es zeugte von schierer Unwissenheit oder von übermäßigem Selbstvertrauen: Ersteres wäre aufgrund der Umstände nachvollziehbar, zweiteres nach seinem beachtlich frechen Auftritt auch nicht allzu abwegig. Es geht um Mathys Tel und seinen Jubel nach dem Tor zum vorentscheidenden 2:0 kurz vor der Pause, letztlich besiegte sein FC Bayern München Viktoria Köln mit 5:0.
Da lief er nämlich Richtung Gästeblock, in dem bei diesem Spiel der 1. DFB-Pokal-Runde verwirrenderweise aber gar nicht die Gästefans aus München standen. Weil Gastgeber Viktoria Köln im ausverkauften RheinEnergie-Stadion des Stadtrivalen 1. FC Köln mehr Anhänger des FC Bayern erwartete, wurde ihnen die große Stehplatztribüne zugewiesen. Für die aktiven Fans der Viktoria blieb somit nur der kleine Bereich an der Eckfahne, vor dem Tel sein Premierentor ausgelassen bejubelte.
Das Tor war die Krönung eines herausragenden Startelf-Debüts - und darüber hinaus ein Rekord. Mit 17 Jahren und 126 Tagen avancierte Tel zum jüngsten Torschützen in der Geschichte des FC Bayern. Damit löste er Jamal Musiala ab, der einst mit 17 Jahren und 205 Tagen erstmals getroffen hatte.
Mathys Tel kam für 20 Millionen Euro von Stade Rennes
In Anbetracht der sensationellen Transfers von Sadio Mané und Matthijs de Ligt sowie dem geräuschvollen Abgang Robert Lewandowskis war die Verpflichtung von Tel im Sommer fast schon ein bisschen untergegangen. 20 Millionen Euro überwies der FC Bayern für den erst 17-jährigen Franzosen an Stade Rennes, 8,5 könnten als Boni dem Vernehmen nach noch dazukommen.
Trainer Julian Nagelsmann schürte direkt große Hoffnungen: Tel könne seiner Meinung nach "einer der besten Stürmer werden", er traue ihm gar "eines Tages 40 Tore pro Saison" zu. "Aber wenn er diese Saison zehn Tore schießt, sind wir alle glücklich." Ein Zehntel davon hat er nun erreicht, aber auch ganz unabhängig vom Tor offenbarte Tel in Köln sein gewaltiges Potenzial.
Nach zwei Kurzeinsätzen in der Bundesliga durfte er gegen den Drittligisten erstmals beginnen, übrigens genau wie die beiden Neuzugänge von Ajax Amsterdam, Ryan Gravenberch (ebenfalls stark) und Noussair Mazraoui (enttäuschend). Insgesamt wechselte Nagelsmann im Vergleich zum 1:1 gegen Borussia Mönchengladbach siebenmal.
Mathys Tel überzeugte gegen Viktoria Köln
Tel kam bei eigenem Ballbesitz in einer Art 2-3-4-1-System vorwiegend über die linke Seite und war dort von Beginn einer der auffälligsten Spieler seiner Mannschaft. Feine Ballbehandlung, überraschende Drehungen, zielstrebige Dribblings, Mut zum Abschluss. Tel wirkte nicht wie ein 17-jähriger Novize. Man spürte förmlich sein Selbstbewusstsein, von dem er einiges zu haben scheint. Eher zu viel als zu wenig jedenfalls, wie Nagelsmanns Aussagen vermuten lassen.
"Ich mag es grundsätzlich, wenn ein junger Spieler im Training sehr viel Mut hat und sehr viele Eins-gegen-Eins-Situationen sucht. Das hat er aber manchmal übertrieben", erklärte der Trainer. "Das Gute ist, dass die Team-Hygiene bei uns so ist, dass sie sich dann untereinander einen Einlauf geben."
In Köln aber habe es Tel nach Ansicht Nagelsmanns "nie übertrieben, sondern sehr seriös gemacht". Einziger Wermutstropfen: Er erzielte nur ein Tor, dabei wäre bei seinen fünf Abschlüssen (Bestwert) noch das eine oder andere mehr möglich gewesen. Kurz vor seiner Auswechslung in der 63. Minute vergab er etwa eine Riesenchance, nachdem er zuvor schon einen aussichtsreichen Konter vertändelt hatte. "Da hat er ein bisschen zu spät abgespielt", kritisierte Nagelsmann. Anschließend musste Tel kurz behandelt werden, laut seines Trainers ist es aber "nichts Dramatisches".
Unbedingt hervorheben wollte Nagelsmann noch eine Verteidigungsaktion Tels in der zweiten Halbzeit, "wo er nach einem eigenen Standard 40 Meter zurückverteidigt und den Ball holt". Generell setzte Tel nach jedem Ballverlust direkt aggressiv nach, wirkte griffig und bissig.
FC Bayern: Der Konkurrenzkampf in der Offensive
Und wie geht es weiter? Trotz seiner hervorragenden Premiere wird es Tel in näherer Zukunft schwer haben, viel Spielpraxis zu bekommen. Gerade im Angriff ist der Konkurrenzkampf beim FC Bayern schließlich enorm. Für die vier Offensivpositionen stehen Nagelsmann acht Spieler zur Verfügung.
Sadio Mané und Jamal Musiala glänzten in der bisherigen Saison eigentlich durchgängig, Thomas Müller, Serge Gnabry und Kingsley Coman präsentierten sich mindestens gut, Leroy Sanés Leistungskurve zeigt nach oben und Eric Maxim Choupo-Moting feierte in Köln (genau wie Leon Goretzka) sein Comeback.
In Anbetracht dieses Konkurrenzkampfes wurde Tel, wie Sport1 berichtet, gemeinsam mit Paul Wanner für die anstehende UEFA Youth League gemeldet, wo er bei der U19 Spielpraxis sammeln könnte. Einsätze in der Champions League schließt das nicht aus. Laut Sportvorstand Hasan Salihamidzic soll der erst 17-Jährige "behutsam aufgebaut werden".
Scheitern wird es bei ihm offensichtlich weder am Selbstvertrauen noch an der Arbeitseinstellung. "Er brennt jeden Tag", berichtete Salihamidzic. "Er ist sehr ehrgeizig, gierig, hat eine Top-Mentalität, ist sehr fleißig. Er arbeitet und trainiert auch viel an den trainingsfreien Tagen. Das sehen wir gerne hier in Deutschland."