Im Schatten des THW

Von Hannes Hilbrecht
In Kiel plant man die Zusammenarbeit von Handball- und Fußballverein noch weiter voranzutreiben
© getty

Im Vergleich mit Handball-Serienmeister THW zieht Holstein Kiel in der eigenen Stadt bisher den Kürzeren. Dabei leitet mit Geschäftsführer Wolfgang Schwenke ein ehemaliger Weltklasse-Handballer die Geschicke beim Kieler SV. Nach dem Wiederaufstieg in die 3. Liga wollen die Hanseaten in naher Zukunft an alte Pokalwunder-Zeiten anknüpfen - in Zusammenarbeit mit dem THW.

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Wer erfolgreichen Mannschaftssport sehen möchte, der wird sich in Kiel pudelwohl fühlen. Schließlich feierte Deutschlands erfolgreichste Mannschaft der letzten zehn Jahre sage und schreibe acht Meisterschaften in dieser Zeitspanne.

Die Rede ist dabei natürlich von den Handballern des THW Kiel. Der Dauer-Meister aus der Handball-Bundesliga glänzt jedoch nicht nur national, sondern trumpft fast alljährlich auch in der europäischen Königsklasse groß auf. Und selbst der hiesige Fußballklub kommt nicht um den THW herum.

Denn Wolfgang Schwenke, der 13 Jahre für den THW in der höchsten Spielklasse spielte und nach seinem Karriereende einige Zeit als Handballtrainer fungierte, dirigiert seit über vier Jahren als Geschäftsführer die Geschicke beim Kieler SV. Was anfangs nach einer unglücklichen Liaison aussah - immerhin stieg Kiel in der ersten Saison unter Geschäftsführer Schwenke aus der dritten in die Regionalliga ab - entpuppte sich nach und nach als Erfolgsgeschichte.

Pokalwunder 2012

Es begann mit dem fabulösen Pokalwunder aus der Saison 2011/12, den Siegen gegen Cottbus, Duisburg und Mainz (wohlgemerkt als Viertligist) und dem damit verbundenen Live-Spiel gegen Borussia Dortmund im Viertelfinale. Seine Fortsetzung fand die Erfolgsstory gut 16 Monate später mit dem Aufstieg in die Drittklassigkeit.

Wolfgang Schwenke erinnert sich beim Blick auf die damalige Erfolgszeit vor allem an die fantastische Kulisse: "Unser damaliger DFB-Pokal Siegeszug hat ja eindrucksvoll gezeigt, was in puncto Zuschauerinteresse möglich ist." Ganze 11.522 Zuschauer sahen damals die Partie gegen den späteren deutschen Meister im altehrwürdigen Holstein-Stadion. Gut 100 mehr als überhaupt in die Sparkassen-Arena des THW hineinpassen.

Für die Zukunft plant Holstein sogar eine engere Kooperation mit den Handballern: "Ich stehe im Austausch mit den Verantwortlichen beim THW und wir diskutieren durchaus darüber, wie beide Klubs effektiver zusammenarbeiten können.", so der gebürtige Flensburger.

Es gibt auch schon konkrete Ideen: "Eine Verbindung durch ein gemeinsames Leistungszentrum samt Internat wäre für beide Seiten attraktiv." Die Möglichkeit eines so kostenintensiven Projekts gibt es überhaupt nur aufgrund der soliden wirtschaftlichen Verhältnisse des Vereins. Der Sponsoringpool hat sich in den vergangenen Jahren von 75 auf 210 Partnern fast verdreifacht, der Zuschauerschnitt bewegt sich mit 5400 Zuschauern im Mittelfeld der Liga.

Zuschauerzahlen zufriedenstellend

Eben jene steigende Zuschauerresonanz macht Schwenke zuversichtlich, was die Zukunft seines Vereins angeht: "Von knapp 3400 auf über 5000 Besucher bei den Heimspielen - das ist noch lange nicht perfekt, aber momentan absolut zufriedenstellend.", kommentiert er realistisch. Wenn er in die Zukunft blick, gerät Schwenke allerdings ins Träumen.

Das große Ziel ist, in Sachen Zuschauerzahlen den erfolgreichen Nachbarn überholen. Das dürfte schwierig werden, schließlich verbuchten die Zebras des THW im vergangenen Jahr mit über 9000 Fans und einer Auslastung von über 88 Prozent deutlich bessere Werte als die Kieler Sportvereinigung.

Für den Geschäftsführer jedoch kein Grund den Kopf einzuziehen: "Alleine durch die höhere Stadionkapazität und die Wachstumsmöglichkeiten in diesem Bereich bin ich da sehr guter Dinge. Voraussetzung dafür ist aber, dass wir sportlich erfolgreich weiterarbeiten."

Coolness trotz Krise

Doch so gut es bei den Kielern finanziell läuft, bereitet das Sportliche doch gewisse Sorgen. Nach dem bravourösen Saisonstart mit 14 Zählern aus sechs Partien folgte die große Depression, die sich von Anfang September bis tief in den Dezember erstreckte.

Dreizehn Spiele absolvierte der Aufsteiger in dieser Zeitspanne, die oft von knappen Niederlagen und unglücklichen Remis gekennzeichnet war.

Obwohl sich die rote Zone mit jedem sieglos verstreichenden Wochenende näherte, blieben die Verantwortlichen in Kiel cool. So stärkte Manager Andreas Bornemann seinem Trainer im Interview mit "Blog-trifft-Ball" vehement den Rücken: "Wir werden nicht alle Ampeln auf Rot schalten und dann in die große Hektik verfallen.", so der 42-Jährige.

Winterpause sehnlichst erwartet

Kurz vor dem Ende der Hinrunde lief der Motor wieder in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt. Mit einem wichtigen Auswärtssieg beim Abstiegskonkurrenten Saarbrücken und einem hochverdienten Remis gegen Hansa Rostock wurde bereits zum Ende des alten Fußballjahres eine erfolgreiche Kurskorrektur vorgenommen.

Das Fundament für die Rückserie schien gelegt, doch schon zum Rückrundenauftakt gegen die Stuttgarter Kickers erhielt Kiel einen herben Dämpfer. Die Unentschieden-Könige schlugen wieder einmal in ihrer Paradedisziplin zu. Da die Konkurrenz aus Halle punktete, fielen die Nordlichter erstmals in dieser Saison auf einen Abstiegsplatz.

Geschäftsführer Schwenke bewahrt jedoch die Ruhe, von Aktionismus hält er nichts: "Vorschnelle Handlungen entsprechen und entsprachen auch nie unserer Philosophie und dabei wird es auch in Zukunft bleiben."

Lokale Konkurrenz macht Druck

Zusätzlich zum tabellarischen Druck kommen den perspektivisch arbeitenden Kielern weitere Probleme in die Quere. Die Rede ist hierbei vom lokalen Konkurrenzdruck, schließlich stellen sich zwei weitere Vereine aus der Region für die Zukunft auf.

Der zuletzt malade und insolvente VfB Lübeck rehabilitierte sich finanziell und peilt mit Siebenmeilenstiefeln den Aufstieg zurück in die viertklassige Regionalliga Nord an, der VfR Neumünster kokettiert in Person von Präsident Detlef Klusemann öffentlich mit der Zielstellung 3. Liga. Dieser spottete zuletzt über den Nachbarn: "Wenn man sich mal damit beschäftigt, was da seit Jahren an Geld investiert wird, dann müssten sie eigentlich längst in der 2. Liga spielen."

Über die 2. Bundesliga, dem zweifellos langfristigen Ziel des Traditionsklubs, mag sich in Kiel derzeit aber niemand so recht unterhalten. Wie auch der ehemalige Weltklassehandballer Schwenke betont: "Träumereien haben sicherlich ihren Charme, sind aber nicht Bestandteil unserer täglichen Arbeit." Doch in einem Fall ist die leitende Hand des Vereins dennoch absolut zuversichtlich: "Ich bin mir sicher, dass Kiel die nötige Größe hat, um zwei erfolgreiche Vereine zu beherbergen."

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