"Schweini, Özil - come on, das ist überragend"

Thomas Gaber
06. Juni 201213:29
Peter Schmeichel: "Ich bin stolz, dank Carlsberg, Teil der EURO 2012 sein zu können."Getty
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Peter Schmeichel war 1992 Kapitän der dänischen Sensations-Europameister. In seiner Funktion als EM-Botschafter des offiziellen EURO 2012-Sponsors Carlsberg wird die Torwart-Legende in Polen und der Ukraine hautnah dabei sein. Mit SPOX sprach Schmeichel vor Turnierbeginn über seinen Turnierfavoriten Deutschland, die Chancen seiner Dänen und Spaniens Probleme. Außerdem verrät Schmeichel, warum Englands Keeper Joe Hart zum EM-Star werden könnte.

SPOX: Peter, ich falle gleich mit der Tür ins Haus. Welche Mannschaft holt den EM-Titel?

Peter Schmeichel: Deutschland.

SPOX: Was macht Sie da so sicher?

Schmeichel: Das hat mehrere Gründe. Man muss sich nur mal die Ergebnisse der Deutschen bei EM-Turnieren anschauen. Drei Titel, sechs Mal Finale, dazu 1988 Halbfinale. Und es gab vielleicht nie eine deutsche Mannschaft, die besser war. Neuer ist ein fantastischer Torhüter, die Abwehr mit Lahm, Badstuber und Boateng spielt auch im Verein so zusammen. Das Mittelfeld mit Schweinsteiger, Kroos, Podolski, Özil, Müller - come on, das ist überragend! Das Mittelfeld muss sich nicht hinter den Spaniern verstecken und auch vorne hat Deutschland mit Klose und Gomez eine hohe Qualität. Ich denke, es ist auch ein Vorteil, dass viele Bayernspieler dabei sind, die meisten sind ja auch für die Startelf vorgesehen.

SPOX: Aber könnte gerade das nicht von Nachteil sein? Die Bayern haben noch das Champions-League-Finale zu verdauen.

Schmeichel: Nein. Das Finale war natürlich eine große Enttäuschung für die Bayern und so ein Erlebnis lässt sich nicht so einfach abschütteln. Aber das sind Profis und Profis müssen damit zurechtkommen. Den Bayernspielern kommt dabei die deutsche Mentalität zugute. Wenn sie ein Finale verlieren, gewinnen sie das nächste. Deutschland hat das EM-Finale 1976 verloren, 1980 haben sie es gewonnen. Deutschland hat das EM-Finale 1992 verloren, 1996 haben sie es gewonnen. Erst machen die Deutschen ein Bogey, dann machen sie ein Birdie. Und außerdem: So viel Pech wie die Bayern in diesem Spiel hatten, ist kein zweites Mal möglich.

SPOX: In unserem letzten Interview im März sagten Sie, Manuel Neuer sei der beste Torhüter der Welt. Fühlen Sie sich durch seine Leistungen in den entscheidenden CL-Spielen bestätigt?

Schmeichel: Absolut. Er hat in Madrid zwei Elfmeter in außergewöhnlicher Manier pariert und im Finale sogar einen Elfmeter geschossen. Das kann man als Torhüter nur machen, wenn man mental voll auf der Höhe ist. Torhüter sind dazu da, Elfmeter zu halten. Manuel hat den dritten Elfmeter geschossen, nicht den achten oder neunten. Er muss psychisch unglaublich stark sein. Ich habe in meiner Karriere auch den einen oder anderen Elfmeter geschossen, allerdings mit überschaubarem Erfolg. Aber eine Sache aus dem CL-Finale kann ich immer noch nicht verstehen.

SPOX: Bitte...

Schmeichel: Wie konnte Arjen Robben nur diesen Elfmeter schießen? Petr Cech hat mit einem einzigen Bayernspieler bei Chelsea zusammengespielt, mit Robben. Und dann schießt ausgerechnet der den Elfmeter. Die Wahrscheinlichkeit, dass Cech Robbens Elfmeter hält, war deutlich größer, als wenn er irgendeinem anderen Bayernspieler gegenüber gestanden hätte. Ich habe nicht verstanden, warum kein Bayernspieler Robben von diesem Schuss abgehalten hat.

SPOX: Robben kann es ja bei der EM besser machen. Gehört Holland zu den Titelfavoriten?

Schmeichel: Zum erweiterten Kreis auf jeden Fall. Aber welches Teilnehmerland eigentlich nicht? Ich glaube, wir werden die beste EM aller Zeiten erleben. Es gibt keine Mannschaft, die von vornherein chancenlos ist. Jedes Team kann das Viertelfinale erreichen.

SPOX: Aber ist es einer Mannschaft zuzutrauen, einen Coup zu landen wie Dänemark 1992?

Schmeichel: Warum denn nicht? Wir haben damals das Momentum gehabt. Während des Turniers bekamen wir allmählich das Gefühl, keiner kann uns aufhalten. Wir hatten sicher im Halbfinale gegen Holland auch Glück, aber wir haben immer an unsere Chance geglaubt.

Teil 2: Schmeichel über Spaniens Probleme und seine persönlichen Player to watch

SPOX: Für Sie ist Deutschland der große Favorit. Was ist denn mit Spanien?

Schmeichel: Die Mannschaft hat sich sicher nicht verschlechtert. Und Spanien kommt mit der positiven Erfahrung aus den beiden letzten großen Turnieren zur EM. Sie wissen genau, was zu tun ist, um einen großen Titel zu gewinnen. In Südafrika sind sie sogar mit der Rolle zurechtgekommen, Titelkandidat Nummer eins zu sein. Diesbezüglich haben sie allen anderen Teams etwas voraus. Aber es gibt etwas, das mich daran hindert, Spanien zum Topfavoriten zu machen. Die Spieler des FC Barcelona haben auf mich in den letzten zwei Monaten einen sehr müden Eindruck gemacht. Sie können ihr Spiel ja im Schlaf durchziehen, aber es hat immer etwas gefehlt. Laufbereitschaft, Genauigkeit oder dieser geniale Moment. Die Barca-Spieler sind mental einfach müde. Ich habe den Eindruck, die würden am liebsten 24 Stunden am Tag schlafen. Auch ohne Puyol werden vier, fünf Barca-Spieler in der Startelf stehen. Spanien wird wieder eine gute EM spielen, aber zum Titel wird es nicht reichen.

SPOX: Welche Rolle können die Dänen spielen?

Schmeichel: In Dänemark gibt es nicht 50 Spieler, die für einen EM-Kader in Frage kommen. Die Mannschaft stellt sich praktisch von selbst auf. Wir haben viele erfahrene Spieler wie Agger, Bendtner oder Rommedahl. Das sind nach wie vor die besten Spieler in Dänemark. Wir sind auf jeden Fall konkurrenzfähig und können diese brutale Gruppe überstehen, aber nur dann, wenn sich von der ersten Elf niemand verletzt oder sich gleich zu Turnierbeginn eine Rote Karte abholt. Dänemark ist auf vier, fünf Spieler angewiesen. Die Bank ist nicht stark genug, diese Spieler zu ersetzen.

Dänemark ein Stolperstein für Deutschland? Mach beim Tippspiel mit und gewinne!

SPOX: Kann Christian Eriksen ein Star der EM werden?

Schmeichel: Er ist mein persönlicher Player to watch. Er hat das Zeug, ein ganz Großer zu werden. Es macht Spaß, ihm beim Fußballspielen zuzuschauen. Dänemark hat lange auf einen potentiellen Nachfolger der Laudrup-Brüder gewartet. Eriksen kann es werden. Allerdings warte ich noch darauf, dass sein Knopf aufgeht. Er hat mit seinen 20 Jahren noch nicht die Konstanz, dauerhaft auf hohem Niveau zu spielen. Bei der EM muss er in der Vorrunde drei Spiele in sieben Tagen gegen die besten Teams in Europa machen. Das ist ein idealer Test für ihn. Ich erhoffe mir seinen Durchbruch.

SPOX: Im dänischen Kader stehen auch zwei Nobodys: Innenverteidiger Andreas Bjelland und Flügelspieler Tobias Mikkelsen. Beide haben kürzlich für ein Wunder gesorgt...

Schmeichel: Absolut. Sie wurden mit dem FC Nordsjaelland dänischer Meister. Eine großartige Geschichte. Die dänische Liga war jahrelang eine One-Man-Show. Der FC Kopenhagen war Serienmeister. Nordsjaellands Titel kann nur gut sein für den dänischen Fußball. Wir brauchen den Wettbewerb! Nordsjaelland spielt den modernsten Fußball in Dänemark. Und Bjelland und Mikkelsen haben sich die Nominierung für die EM redlich verdient. Aber für einen freut mich der Titel von Nordsjaelland ganz besonders...

SPOX: Für wen denn?

Schmeichel: Für den ehemaligen Bürgermeister der Stadt Farum, dem Ursprungsort des FC Nordsjaelland. Peter Brixtofte hat jahrelang alles getan für den Fußball und seinen geliebten Verein. Er hat viel Geld in den Klub gesteckt. Leider war offenbar nicht immer alles korrekt, so dass er zwischendurch im Gefängnis saß. (Brixtofte wurde 2008 wegen Korruption zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt, d. Red.) Im entscheidenden Meisterschaftsspiel saß er auf der Tribüne und durfte den Titel mitfeiern. Eine schöne Geschichte.

SPOX: Gibt es bei der EM auch einen Torhüter, auf den sie besonders schauen werden?

Schmeichel: Natürlich beobachte ich meine Artgenossen sehr genau. Ich bin gespannt, welche Rolle Joe Hart spielen wird. Er hat sehr viel Talent und hat eine gute Saison in Manchester gespielt. Aber die EM wird seine mit Abstand härteste Prüfung. Nehmen wir Robert Green bei der WM in Südafrika. Er hat im ersten Spiel einen Fehler gemacht und war weg vom Fenster. Die englischen Medien haben ihn fertig gemacht. Torhüter haben es in England seit jeher verdammt schwer. Ein Bock und bist der Depp der Nation. Green wird dieser eine Fehler seine ganze Karriere verfolgen. England verzeiht keine Fehler seiner Nationalspieler. Und England lechzt nach einem großen Titel. Der letzte ist ja bald 50 Jahre her. Wenn Joe Hart bei der EM das zeigt, was er drauf hat, kann er eine Art Nationalheld werden. Von seinen Fähigkeiten her ist er ein Weltklassetorhüter.

Alle 16 EM-Teilnehmer im Detail