EM

Eine neue Chance für den Klavierträger

Von Fatih Demireli
In der Heimat bislang noch nicht geliebt. Ein Mann mit Ecken und Kanten: Paulo Bento (r.)
© Getty

Paulo Bento musste lange Zeit gegen eine Ablehnung gegen seine Person kämpfen, weil man in Portugal lieber Jose Mourinho auf der Trainerbank sehen wollte. Der jüngste Trainer der EM-Geschichte hat es aber geschafft, die Gunst der Medien, Fans und Spieler zu gewinnen - und das auf eine untypische Art und Weise. Im EM-Halbfinale gegen Spanien (20.30 Uhr im LIVE-TICKER) schlägt auch seine große Stunde.

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Zu Tränen gerührt war Paulo Bento nicht gerade. Zum Inventar seiner emotionalen Ausdrucksweisen gehört Weinen ohnehin nicht. Ein leichtes, wenn auch gequältes, aber sehr ehrliches Lächeln, wie in diesem Fall geschehen, darf schon als großer emotionaler Moment des Schweigers gelten.

Nach dem 1:0 gegen die Tschechische Republik betrat der Trainer der portugiesischen Nationalmannschaft den Pressekonferenzraum, um den Einzug ins Halbfinale zu erklären. Just in diesem Augenblick stimmten die portugiesischen Journalisten ein fröhliches Geburtstagslied an, um den Ehrentag des jetzt 42-Jährigen zu feiern.

Abkehr von der Ablehnung

Schwer vorstellbar, dass Joachim Löw bei einer Pressekonferenz besungen wird, auch wenn das Verhältnis des Bundestrainers zur Medienlandschaft ausgesprochen positiv ist. Gerade deswegen verblüffte die Aktion der portugiesischen Pressevertreter, denn vor gar nicht allzu langer Zeit forderten sie noch Bentos Kopf. Das Miteinander zwischen Trainer und Medien war bestenfalls unterkühlt.

Bento blieb verständlicher Weise zurückhaltend, was die Freude über die Sympathie einstiger Gegner angeht und sagte schlicht: "Ich werde versuchen, meine Freude auf die Mannschaft zu übertragen."

Ob Portugal am Mittwoch Spanien schlägt und ins EM-Finale einzieht oder ausscheidet - das Geburtstagsständchen darf als Erfolg für Bento verbucht werden, denn es ist der Beweis, dass Portugals Meinungsmacher und infolgedessen wohl auch die Menschen zuhause Abkehr machen von ihrer Ablehnung gegen einen Mann, der anfangs keine faire Chance bekam.

Alle wollten Mourinho

Als Carlos Queiroz, der in Portugal ob seiner arroganten Art noch unbeliebter war, nach einem 4:4 gegen Zypern und einem 0:1 gegen Norwegen zu Beginn der EM-Qualifikation entlassen wurde, forderte ausnahmslos jeder im Lande Jose Mourinho als Nachfolger. Selbst die Politik schaltete sich ein. Und auch Mourinho schien sich mit der Idee anzufreunden, seinem Land zumindest bis zum Ende der Qualifikation zu dienen.

Nur Real Madrid spielte nicht mit und erteilte dem Ganzen eine klare Absage. Der Mann, der nun den Job übernehmen sollte, konnte es gar nicht einfach haben. Denn er wäre nicht mehr der Nachfolger von Queiroz, sondern die Ersatzlösung für Mourinho. Unter diesen Vorzeichen übernahm also Paulo Bento den Job.

Schon als Spieler genoss er nicht den Status des Publikumslieblings. Er war der Mann, der Luis Figo und Rui Costa den Rücken freihielt. Er war der Mann, der die dreckige Arbeit machte und deswegen Klavierträger genannt wurde, was hierzulande sinngemäß der Wasserträger ist. Bentos damals aufopferungsvolle Art und Weise Fußball zu spielen, brachte ihm bei Weitem nicht das Wertschätzung ein, die die technisch brillanten Aushängeschilder der goldenen Generation einheimsten.

Destruktiv, aber erfolgreich

Dass er als Trainer nicht anders gepolt ist und eher auf taktische Disziplin als Spektakel setzt, kommt im Land der Cristiano Ronaldos und Nanis nicht bei jedem an. "Man wechselt nicht seine Werte, nur weil man Trainer wird. Ich versuche weiterzugeben, wofür ich stehe", sagt Bento.

Dass Portugal trotz verhältnismäßig destruktiver Spielweise in die Playoffs musste, um ein EM-Ticket zu bekommen, ließ wieder Rufe nach Mourinho laut werden. Natürlich wieder ohne Erfolg.

"Ruhig, ruhig. Lasst uns in Ruhe arbeiten", sagt Bento immer und immer wieder und wurde deswegen in der Heimat schon parodiert. Dabei lässt Portugal unter dem jüngsten Trainer der EM-Geschichte etwas erkennen, was der "Seleccao" selbst zu Zeiten goldener Generationen fehlte: ein echtes Kollektiv.

Insbesondere bei dieser EM wurde diese Stärke mit jedem Spiel deutlicher. "Es gab eine Entwicklung nach jedem Spiel. Portugal hat den richtigen Trainer", sagt Andre-Villas Boas, selbst im Kreis gehandelter Nationaltrainer. Die größte Errungenschaft Bentos ist es, in dieses Kollektiv Einzelkönner wie Cristiano Ronaldo oder Nani einzugliedern - ohne dass die exzentrischen Alleskönner murren.

Nani verdankt Bento seine Karriere

Bentos Faustpfand ist, beide Spieler aus gemeinsamen Zeiten bei Sporting zu kennen, als beide noch keine Stars waren. Mit Ronaldo spielte er sogar noch zusammen, hat es aber dennoch geschafft, sich den Respekt seines Topstars zu verdienen. Ronaldo siezt Bento, auch wenn der Trainer sagt: "Ob Du oder Sie, das ist für mich kein Zeichen von Respekt."

Ronaldo jedenfalls ist voll des Lobes: "Er ist ein großartiger Typ. Das war er schon als Spieler und als Trainer hat er sich nicht geändert. Er ist seinen Prinzipien immer treu geblieben. Er ist anspruchsvoll und versucht uns das zu vermitteln."

Nani geht sogar einen Schritt weiter und macht Bento für seine erfolgreiche Karriere, die momentan bei Manchester United ihren Höhepunkt findet, verantwortlich: "Er ist einer der Hauptgründe, warum ich da bin, wo ich bin. Er hat mir alle Türen geöffnet, aber vor allem meine Augen, damit ich sehen konnte, was ich falsch mache. Er hat mir damals knallhart gesagt, dass ich vieles ändern muss, wenn ich Karriere machen will. Er hat aber an mich geglaubt und mir das Vertrauen geschenkt."

Das Verständnis für Meireles und Co.

Bento war es, der Nani erstmals im Profibereich spielen ließ und er ist es auch, der ihm und Ronaldo Freiräume lässt.

"Er ist ein exzellenter Trainer", meint Mittelfeldspieler Joao Moutinho, der wie Nani Bentos Spieler in Lissabon war. "Sie müssen nur sehen, wo wir standen, als er unsere Mannschaft während der EM-Qualifikation übernommen hat. Ich hoffe, dass er noch lange unser Trainer bleibt."

Bento hat es verstanden, die Vorlieben und Fähigkeiten seiner Stars in Einklang zu bekommen mit Spielern wie Moutinho, Miguel Veloso oder Raul Meireles, die selbst für das Kreative sorgen könnten, aber im Endeffekt die Schwerstarbeit im Mittelfeld übernehmen müssen, damit Ronaldo glänzen kann.

Dass Bento selbst früher einen von ihnen war, kommt dem Mittelfeldtrio sicher gelegen. "Paulo ist erst seit Kurzem Trainer, hat aber schon eine Menge Erfahrung. Er weiß, was die Spieler denken", lobt Verteidiger Pepe. Bento weiß, wie es ist, Klavierträger zu sein und schätzt seine Arbeiterklasse.

Seitenhieb gegen Figo

"Wir sind nicht nur Ronaldo", ist Bentos Mantra seiner bisherigen Amtszeit. Beleidigt fühlt sich Ronaldo nicht, schätzt vielmehr, dass ihn sein Trainer immer aus der Schusslinie nimmt. Besonders nach den ersten beiden Spielern, als Ronaldo unglücklich agierte und gegen Dänemark unglaubliche Chancen vergab.

In dieser Phase wurde auch wieder Kritik an Bento laut - diesmal waren es nicht nur die Medien, sondern Altstars wie Rui Costa und Figo. Ex-Mannschaftsgenossen, die er einst glänzen ließ, ließen ihrem Unmut freien Lauf. Doch Bento blieb seiner ruhigen Art treu, ließ aber einen unüberhörbaren Seitenhieb raus: "Alle sprechen über meine Taktik, aber meine Kollegen sollten ja wissen, dass es schwieriger ist, etwas zu tun, als darüber zu sprechen."

Den Vorwurf, Bento habe keine Ecken und Kanten, widerlegte er nicht nur mit dieser Retourkutsche, sondern auch schon früh in seiner Amtszeit, als er Jose Bosingwa und Ricardo Carvalho aus dem Kader warf, weil er das Mannschafswohl in Gefahr sah. Damals soll Mourinho Bento kontaktiert haben, um im Fall Carvalho zu schlichten. Ohne Erfolg, Bento blieb bei seiner Entscheidung.

Öffentliches Lob von Mourinho Richtung Bento hört man nie, Kritik aber auch nicht. Medienwirksam war es dennoch, als Mourinho, der als TV-Experte für einen arabischen Sender vor Ort in Lwiw war, nach dem 0:1 gegen Deutschland Fabio Coentrao im Kabinengang tröstete. "Er hat gesagt, dass er großes Vertrauen in uns hat. Er meinte, wenn wir so spielen, gewinnen wir", sagte auch Ronaldo.

Die Vergangenheit

Bento nahm die Kontaktaufnahme zur Kenntnis, reagierte aber nicht darauf. Er hat gelernt, besonnen zu reagieren. Nicht wie bei der EM 2000, als Portugal im Halbfinale gegen Frankreich mit 1:2 durch ein Elfmeter-Tor Zinedine Zidanes verlor. Ein Elfmeter, den es aus der Sicht der Portugiesen nicht hätte geben dürfen.

Deswegen beschwerten sie sich alle bei Schiedsrichter Günter Benkö. Abel Xavier, Joao Pinto und Nuno Gomes wurden gegen den Österreicher tätlich. Bento versuchte Benkö die Rote Karte aus der Hand zu schlagen und wurde dafür für sechs Monate gesperrt.

"In der Hitze des Kampfes machst du Fehler", sagt Bento heute. Für die Portugiesen war es damals die große Chance zu beweisen, dass die goldene Generation titelfähig ist und scheiterte bei diesem Vorhaben. Zwölf Jahre später darf sich Bento erneut versuchen. Und diesmal werden sogar Fehler verziehen.

Die Bilanz: Portugal gegen Spanien

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