Scharfe Drohungen gegen Russland und England, neue Sicherheitsmaßnahmen und das Eingeständnis eigener Fehler: Die schweren Krawallen in Marseille haben die Europäische Fußball-Union (UEFA) am Sonntag in Aufruhr versetzt. Dem Verband stehen gleich zum EM-Start stressige Tage bevor, sogar die FIFA äußerte aus Zürich ihre Besorgnis.
Dem englischen und russischen Verband drohte die UEFA angesichts der Krawalle sogar mit dem EM-Ausschluss. Das Exekutivkomitee werde von Strafen "inklusive der möglichen Disqualifikation vom Turnier" nicht zurückschrecken, sollten sich Szenen wie am Samstag wiederholen, teilte die UEFA mit.
Zuvor hatte die UEFA bereits ein Verfahren gegen den russischen Verband RFS eingeleitet, vorausgegangen war ein kurzfristig einberufenes Treffen des Exekutivkomitees. Ermittelt wird wegen Aggressionen russischer Zuschauer im Stadion, rassistischen Verhaltens in der Form von Affenlauten und des Abbrennens von Feuerwerkskörpern. Ob und wie der Verband bestraft wird, entscheidet sich am Dienstag (14. Juni).
"Dieses Verhalten ist nicht zu akzeptieren und hat keinen Platz im Fußball", teilte die UEFA mit. Unmittelbar nach dem Vorrundenspiel zwischen England und Russland (1:1) war es am Samstagabend zu Jagdszenen gekommen. Gleichzeitig gab die UEFA Probleme bei der Trennung der Fangruppen im Stade Velodrome zu.
Erhöung des Sicherheitspersonals
Als erste Folge änderte die UEFA für den Rest des Turniers ihr Sicherheitskonzept, bei sämtlichen Partien wird das Sicherheitspersonal erhöht. Das gilt besonders für die noch anstehenden Hochrisiko-Spiele, darunter auch Deutschland gegen Polen am Donnerstag in Stade de France. Trotzdem gab es am Sonntagnachmittag im Pariser Prinzenpark eine Panne, als ein kroatischer Fan nach dem 1:0 durch Luka Modric gegen die Türkei auf den Platz, gelangte, den Spieler umarmte und ihm einen Kuss aufdrückte.
Unterdessen gab der europäische Dachverband seiner großen Besorgnis aufgrund der Vorkommnisse vor der Partie in der Innenstadt von Marseille Ausdruck. Bei den schweren Ausschreitungen zwischen zumeist englischen und russischen Hooligans hatte es 35 Verletzte gegeben, eine Person befindet sich weiterhin in Lebensgefahr.
Mit Entsetzen reagierte indes auch der Weltverband FIFA auf die Bilder aus Frankreich. "Die FIFA verurteilt jegliche Gewalt und findet es total inakzeptabel, solche beschämende Szene während eines Fußballspiels sehen müssen, die von einer Minderheit idiotischer Krawallmacher, die nichts mit dem Fußball und wirklichen Fans zu tun haben, verursacht wurden", schrieb die FIFA ungewohnt drastisch.
Die im französischen Fernsehen live übertragenen Bilder aus dem alten Hafen hatten für Entsetzen gesorgt. Die Ausschreitungen in Stadion waren dagegen nicht überall zu sehen, da die UEFA solche Szenen in ihrem TV-Signal aus Angst vor einem Nachahmungseffekt ähnlich wie bei Flitzern nicht zeigt. Das ZDF hätte die Ausschreitungen aber mit eigenen Kameras zeigen dürfen, hieß es.
Die Hochrisikospiele (Alarmstufe 3):
England - Russland (11. Juni, Marseille)
Türkei - Kroatien (12. Juni, Prinzenpark)
Deutschland - Polen (16. Juni, Stade de France)
England - Wales (16. Juni, Lens)
Ukraine - Polen (21. Juni, Marseille)
Die Spiele der Alarmstufe 2:
Deutschland - Ukraine (12. Juni, Lille)
Polen - Nordirland (12. Juni, Nizza)
Belgien - Italien (13. Juni, Lyon)
Russland - Slowakei (15. Juni, Lille)
Tschechien - Kroatien (17. Juni, St. Etienne)
Spanien - Türkei (17. Juni, Nizza)
Slowakei - England (20. Juni, St. Etienne)
Russland - Wales (20. Juni, Toulouse)
Kroatien - Spanien (21. Juni, Bordeaux)
Tschechien - Türkei (21. Juni Lens)
Die EM in der Übersicht