Als Frankreichs Last-Minute-Helden in einer hüpfenden Jubeltraube den nächsten späten Triumph feierten, lag ihnen die Grande Nation endgültig zu Füßen. Die "Könige der Spannung" (L'Equipe) und die "Meister des Endspurts" (Le Parisien) stürmten nicht nur als erste Mannschaft ins EM-Achtelfinale, die Gastgeber heizten durch ihr Schluss-Spektakel beim lange mühsamen 2:0 (0:0) gegen den tapferen Außenseiter Albanien auch die EUROphorie im Lande weiter an.
Selbst Staatspräsident Francois Hollande hielt es nicht mehr auf seinem Sitz, als "Joker" Antoine Griezmann (90.) für die späte Erlösung sorgte. Mit dem zweiten Tor des neuen Volkshelden Dimitri Payet (90.+6) wurde das Stade Velodrome in Marseille endgültig zur blau-weiß-roten Partyzone. In der Stadt feierten die Fans den zweiten Sieg ihrer Equipe tricolore ausgelassen bis in den Morgen, in der Fanzone am Eiffelturm in Paris herrschte pure Ekstase.
Auf das Herzschlagfinale hätten viele wohl gerne verzichtet. "Das wird für uns ein bisschen zu einer Angewohnheit. Aber mir wäre es lieber, wenn wir die Spiele früher entscheiden würden", sagte Didier Deschamps. Frankreichs Nationaltrainer war jedoch alles andere als unschuldig am Spielverlauf.
Griezmann stellt die Weichen auf Sieg
Deschamps hatte mit seiner taktischen Umstellung von 4-3-3 auf 4-2-3-1 zu Beginn viel riskiert und die Stars Griezmann und Paul Pogba auf die Bank verbannt. Nach der enttäuschenden ersten Halbzeit änderte der 44-Jährige sein System wieder, brachte erst den agilen Pogba, später den gefährlichen Griezmann - und stellte so spät doch noch die Weichen für den Sieg.
"Wir haben nicht alles richtig gemacht", gab Deschamps später zu. Er habe die Auswahl des Personals am Gegner orientiert, das sei nicht wie gewünscht aufgegangen. Am Ende würden die Fans und die Mannschaft aber mit dem Gefühl des Triumphs und der dazugehörigen Euphorie nach Hause gehen, meinte er. Allerdings dürfte mancher ein Déjà-vu gehabt haben: Beim EM-Auftakt gegen Rumänien (2:1) fiel der Siegtreffer durch Payet erst in der 89. Minute.
Nun brachte es Payet sogar fertig, das späteste Tor in der EM-Geschichte zu erzielen. Er ist ein Spätzünder im doppelten Sinne. Payet sei "eine Art Student, der mit 29 Jahren seinen Abschluss macht - nach mehreren Jahren auf der faulen Haut", schrieb die spanische Zeitung AS über ihn. Spät in seiner Karriere geht der Stern des Profis von West Ham United bei der Heim-EM auf.
Mit einer Menge Wut im Bauch
Am Ende lag er sich jubelnd mit Antoine Griezmann in den Armen. Jener Griezmann hatte den Rasen des Stade Velodrome erst 22 Minuten vor seinem Treffer betreten - vermutlich mit einer Menge Wut im Bauch. Dass Deschamps ihn nach der schwachen Leistung gegen Rumänien ebenso wie Pogba tatsächlich zunächst nicht berücksichtigte, kam dann doch unerwartet. Ausgerechnet der 25-Jährige sorgte dann für die Erlösung.
Nun soll am Sonntag in Lille gegen die Schweiz auch noch der Gruppensieg her. "Wir können uns verbessern, aber was wir gemacht haben, war gut", sagte Deschamps. Und eine Statistik lässt die Franzosen träumen: Zum dritten Mal nach 1984 und 2000 sind ihnen bei einer EM nun zwei Auftaktsiege gelungen. 1984 und 2000 wurden sie Europameister.
Frankreich - Albanien: Die Statistik zum Spiel