EM

Der Mutant und seine Newcomer

Von SPOX
Die englische Nationalmannschaft vor dem Testspiel gegen Deutschland im März 2016
© getty

Vom 10. Juni bis 10. Juli findet im Land des zweifachen Europameisters Frankreich die 15. Fußball-EM statt. SPOX stellt die 24 Endrunden-Teilnehmer vor. Dieses Mal: England.

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Land: England

Einwohner: 54 Millionen

Weltranglistenplatz: 11

EM-Teilnahmen: 8

Größte EM-Erfolge: Dritter (1968)

Hier geht's zur EM-Gruppe B

Der Star: Raheem Sterling. 62,5 Millionen Euro. Genau so viel überwies Manchester City im vergangenen Sommer an den FC Liverpool und machte den damals 20-jährigen Sterling zum teuersten englischen Fußballer aller Zeiten. Der Flügelspieler kam mit hohen Erwartungen zu den Citizens. Erwartungen, die er noch nicht wirklich erfüllen konnte. Sterling ist hoch veranlagt. Er ist trickreich und schnell, konnte diese Qualitäten aber zu selten unter Beweis stellen. Sechs Treffer und zwei Vorlagen sind in 31 Premier-League-Spielen eine magere Ausbeute. Im Nationaltrikot sieht sie nicht wirklich besser aus. Sterling ist noch zu inkonstant. Vor seinem zweiten großen Turnier steht der 21-Jährige vor einer Weggabelung. Packt er es auf höchstem Niveau? Waren die vielen Millionen, die für ihn gezahlt wurden, gerechtfertigt? Dass Sterling mit schwierigen Situationen umgehen kann, hat er aber schon bewiesen. Als sein Vater ermordet wurde und der junge Raheem in Folge von Undiszipliniertheiten von der Schule verwiesen wurde, sagte sein Lehrer: "Wenn du so weiter machst, bist du mit 17 entweder im Gefängnis oder in der Nationalmannschaft." Am 14. November 2014 debütierte Sterling für die Three Lions. Knapp drei Wochen vor seinem 18. Geburtstag.

Der Trainer: Roy Hodgson. Herumgekommen ist er in seiner bisherigen Karriere viel. In acht verschiedenen Ländern hat er schon gearbeitet. In den Vereinigten Arabischen Emiraten etwa oder auch in Finnland und Norwegen. Die Schweizer Nationalelf führte er 1994 gar ins WM-Achtelfinale. Seit Mai 2012 ist Hodgson nun also Nationaltrainer von England. Dass er das jetzt, vier Jahre später, überhaupt noch ist, liegt wohl am Mangel an Alternativen. Die Resultate sprachen jedenfalls lange nicht für Hodgson. Eher schon gegen ihn. Bei der EM 2012 schieden die Three Lions im Viertelfinale gegen Italien aus, bei der WM 2014 scheiterten sie nach der Vorrunde als Gruppenletzter. Dann kam aber die Qualifikation für die EM 2016. Und die wurde in beeindruckender Manier und mit zehn Siegen aus zehn Spielen dominiert. Dieser Umstand wird Hodgson ruhigere Abende beschert haben, in denen er sich zum Beispiel mit Literatur beschäftigen konnte. "Ich habe Werke von fast allen Nobelpreis-Gewinnern gelesen", sagte Hodgson mal. England erwartet aber keine kulturellen oder wissenschaftlichen Errungenschaften von Hodgson. Siege auf dem grünen Rasen reichen völlig aus.

Der Kapitän: Wayne Rooney. Es ist eine durchaus erstaunliche Metamorphose, die Wayne Rooney in den vergangenen Monaten bei Manchester United durchlebte; er mutierte immer mehr zum Mittelfeldspieler. Einst für seine kraftvollen Tore gefeiert, die er oft mehr erzwang denn erspielte, hat er heute eine gänzlich andere Rolle inne. Rooney ist nicht mehr der Spielentscheider, der an vorderster Front lauert und zuschlägt. Rooney spielt mittlerweile viel eher Pässe aus der Tiefe und setzte so seine größtenteils jungen oder unerfahrenen Mitspieler ein. Während er bei der EM-Qualifikation im Nationalteam noch an vorderster Front gebraucht wurde, gibt es mittlerweile mit Harry Kane und Jamie Vardy auch bei den Three Lions Alternativen, sodass Rooney eine Reihe zurückrücken kann. Rooney ist als Anführer der legitime Nachfolger von Steven Gerrard und Frank Lampard. Er nähert sich diesem Duo aber nicht nur hinsichtlich deren Führungsstärke an, sondern auch hinsichtlich deren taktischer Position auf dem Feld.

Der Spieler im Fokus: Jamie Vardy. Oft, fast schon zu oft wurde der sagenhafte Aufstieg des Jamie Richard Vardy behandelt. Blickt man auf seine vergangenen vier Lebensjahre zurück, stockt einem aber stets aufs Neue der Atem. Im Sommer 2012 blickte die Fußballwelt eher nach Polen und die Ukraine, wo gerade eine Fußball-Europameisterschaft ausgetragen wurde, als zum englischen Fünftligisten Fleetwood Town, der seinen Top-Stürmer an Leicester City verkaufte. Heute, im Vorfeld der EM in Frankreich, ist dieser Transfer aber durchaus von Relevanz. Ist er doch der Startschuss des Durchbruchs des Jamie Vardy, einer der großen EM-Hoffnungen Englands. Mit 24 Treffern schoss er Leicester zum Premier-League-Titel. Auch als Nationalspieler hinterließ er schon bleibenden Eindruck. Im Freundschaftsspiel gegen Deutschland benutzte er seine Hacke um einzuschießen. Etwas weiter oben wand sich einst eine Fußfessel um seinen Knöchel. Jugendsünden, versteht sich. Sollte Vardy England zum EM-Titel schießen, es wäre wahrscheinlich nicht einmal die sensationellste Geschichte seines Lebens. Und das soll was heißen.

Die Wunschelf (4-2-3-1): Hart - Clyne, Cahill, Smalling, Rose - Dier, Milner - Sterling, Rooney, Alli - Kane

Die Prognose: Eigentlich verfügt England in diesem Jahr über eine ernstzunehmende Mannschaft. Junge, talentierte Akteure wie Harry Kane, Raheem Sterling oder Dele Alli werden gestützt von erfahrenen und kampferprobten Haudegen wie Gary Cahill oder Wayne Rooney. Die Mannschaft ist ausgeglichen besetzt und verfügt anders als viele andere Nationalteams über keine eklatanten Schwachpunkte. Sogar Außenverteidiger hat England, eine Rarität im modernen Spitzenfußball. Danny Rose, Nathaniel Clyne und Kyle Walker verrichten ihre Arbeit für gewöhnlich äußerst zufriedenstellend. Eigentlich ist also alles bereitet für eine erfolgreiche EM der Engländer. Eigentlich, denn die Engländer sind immer noch die Engländer. Seit genau 50 Jahren versagen ihnen bei großen Turnieren so zuverlässig die Nerven, wie ihre Gaumen um 17 Uhr vom täglichen Tee erwärmt werden. In Frankreich soll aber weniger der Durst nach Tee sondern vielmehr der nach einem großen Titel gestillt werden. Es erscheint nicht unmöglich Zumindest das Halbfinale ist drin.

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