EM

Die Zukunft steht vor der Tür

Von Für SPOX in Netanja: Jochen Tittmar
Kapitän Lewis Holtby bestritt gegen Russland sein letztes Spiel für die U 21
© getty

Deutschlands U 21 hat die ganz große Blamage bei der EM in Israel durch einen 2:1-Sieg gegen Russland abgewehrt - jedoch ohne dabei eine überzeugende Leistung geboten zu haben. Dennoch stimmte der Erfolg vor allem die scheidenden Spieler zufrieden. Die Zukunft der deutschen Auswahl steht bereits vor der Tür, ob die Wiedergutmachung gelingt, zeigt sich wohl noch in diesem Jahr.

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Otto Rehhagel plauderte am Dienstag auf der Dachterrasse des Marina Hotels in Tel Aviv über die gute alte Zeit. Einige hübsche Anekdoten wurden da vom bald 75-Jährigen aufgetischt. Der langjährige Trainer sprach auch über den Sport an sich: "Fußball ist immer Tagesgeschäft. Wird gewonnen, ist man der Gute, wird verloren, ist man der Böse."

Auch wenn dies sehr vereinfacht daherkommt, sah man am Mittwochabend beim abschließenden EM-Spiel der deutschen U 21 gegen Russland, wie nah Gut und Böse liegen können.

Hätte der eingewechselte Russe Fedor Smolov in der letzten Spielminute nicht den Pfosten, sondern ins Tor getroffen und das deutsche Team trotz 50-minütiger Überzahl nur ein Remis zustande gebracht, der Aufschrei der letzten Tage hätte womöglich noch einmal neuen Nährboden erhalten.

Historischem Tiefpunkt entkommen

Dann wäre nämlich ein historischer Tiefpunkt in der U-21-EM-Geschichte des DFB erreicht worden, da eine Auswahl Deutschlands in dieser Altersklasse noch nie weniger als drei Zähler bei einem solchen Turnier einheimste.

So aber stand ein Sieg, der den Abschluss zwar versöhnlich erscheinen lässt. Die Leistung der Mannschaft von Trainer Rainer Adrion war allerdings erneut äußerst durchwachsen.

Vor allem bis zum Platzverweis des Russen Georgi Schennikov in der 39. Minute lieferte die Elf eine Darbietung ab, die wieder vor Augen führte, wie weit entfernt die Elite dieses Jahrgangs für Deutschland derzeit liegt. Natürlich gibt es dafür auch irgendwo eine Begründung, die vom Verweis auf die um diese Anstoßzeit hohen Temperaturen bis zum Testspielcharakter der Partie reichen mag.

Keine Dominanz, keine Ballsicherheit

Taktische Unzulänglichkeiten wie die wacklige Balance zwischen den Mannschaftsteilen, fehlende Kompromisslosigkeit und eine gewisse Lethargie zeichneten über weite Strecken aber ein relativ tristes Bild.

"Es hat mehrere Phasen gegeben, in denen wir nicht die Dominanz und Ballsicherheit hatten, um eine Mannschaft in Unterzahl auszuspielen und Chancen zu kreieren", meinte Adrion zu dem, was in Teilen der zweiten Hälfte geschah.

Dass die ersten deutschen Punkte am Ende doch eingesackt wurden, lag neben einer teilweisen Leistungssteigerung auch am mangelnden Punch der doch immer wieder stark konternden Russen - symbolisiert von Smolovs Pech, am Aluminium gescheitert zu sein.

14 Spieler verlassen die U 21

Man muss jedoch auch deutlich machen, dass das Zustandekommen des Erfolgs letztlich nur geringfügig interessieren darf. Für 14 der 22 Akteure endete in Netanja das Kapitel U 21, Spieler wie Tony Jantschke standen beinahe drei Jahre lang im Kader.

Daher war die Erleichterung, nicht nur die ganz große Blamage vermieden zu haben, sondern auch die verbrachte Zeit mit einem Sieg zu Ende gebracht zu haben, bei diesen Akteuren nach Spielschluss deutlich zu greifen.

"Ich möchte mich bei allen für eine tolle und fantastische Zeit bedanken. Ich habe die Kapitänsbinde immer sehr gerne getragen und bin froh, dass wir hier zum Schluss noch einen Sieg eingefahren haben", sagte Lewis Holtby, dessen 24. und letztes U-21-Länderspiel nach einem Schlag aufs Schienbeinköpfchen abrupt zur Pause endete, stellvertretend und fast wortgleich wie der Rest.

Jantschke: "Für mich ist das ein trauriger Tag"

Mit einem gemeinsamen Essen, einer Abschlussbesprechung und einer Dankesrede von Adrion endete für die U 21 der Trip nach Israel, am Donnerstag fliegt der Tross nach Deutschland zurück.

Qualifikation im September

Der Coach muss sich nach der finalen Analyse einer enttäuschenden EM aber direkt wieder in die Arbeit stürzen: In genau 60 Tagen nämlich bestreitet die "neue" U 21 ihr erstes Testspiel und misst sich dabei in Freiburg gegen Frankreich. Die Zukunft steht somit bereits vor der Tür, denn bereits im September beginnt die Qualifikation für die Europameisterschaft 2015 in Tschechien - und für Olympia 2016 in Brasilien.

"Es wird schon eine neue U 21 sein. Ein gewisses Gerippe, vor allem in der Abwehr, besteht bereits. Einige Spieler haben in Israel nun ihre ersten Erfahrungen bei einem Turnier gesammelt. Das kann auf keinen Fall schaden", blickte Adrion voraus.

Wie sich die neuformierte Truppe, bei der aus dem aktuellen Kader Bernd Leno, Timo Horn, Matthias Ginter, Sead Kolasinac, Antonio Rüdiger, Shkodran Mustafi, Emre Can und Kevin Volland noch spielberechtigt sind, schlagen wird, erfährt man noch 2013.

Sechs von acht Qualifikationsduellen finden dann innerhalb von 74 Tagen statt, zwischen Runde 6 und 7 liegt aber eine lange Pause von über zehn Monaten. Die deutsche Mannschaft befindet sich in Gruppe 6 und trifft auf Montenegro, Rumänien, Irland. Zum Start geht es auf die Färöer.

Schlechtes Bild ins Positive wenden

Adrion äußerte vorsichtig den Wunsch, die Qualifikation wieder mit einer Mannschaft angehen zu können, die nicht durch Nominierungen für das A-Team quasi auseinandergerissen wird: "Die A-Mannschaft ist ja auch ein Stück weit gesättigt. Daher denke ich, dass die 1992er Jahrgänge die Qualifikation komplett bestreiten können."

Bis zum Start der neuen Kampagne wird der DFB sicherlich einen neuen Sportdirektor präsentiert haben. Und der Verband wird dazu eine finale Entscheidung treffen müssen, wie in Zukunft mit Spielern wie der von Adrion bereits in Israel angesprochene Kevin Volland umgegangen wird, die möglicherweise noch kurzfristig auf den WM-Zug 2014 aufspringen könnte. Der DFB besitzt also die Chance, das schlechte Bild, das man zuletzt abgab, in kürzester Zeit einigermaßen ins Positive zu wenden. Nur dann kann es 2015 Sinn ergeben, sich bei der EM bis ganz zum Schluss mit den Besten messen zu wollen.

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