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U-21-EM in Israel: Sommer ja, Märchen nein

SID
Spanien hat den Titel verteidigt, aber der größte Gewinner der U-21-EM ist das Gastgeberland
© getty

Die U-21-Europameisterschaft in Israel ist beendet, Spanien hat das Turnier gewonnen und den Titel verteidigt. Der Gastgeber schied bereits in der Gruppenphase aus, hat aber gezeigt, wie der Sport die politische Ebene verdrängen kann - und dass Israel zu Recht zum europäischen Fußballverband gehört. Ein Fazit.

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Schlendert man durch die Straßen des doch in vielen Teilen sehr westlich angehauchten Tel Aviv, erscheint es unvorstellbar, dass der Gazastreifen lediglich 45 Auto-Minuten von der lebhaften Strandpromenade entfernt liegt.

"Hat man davon etwas mitbekommen? Sehen wir aus wie Verbrecher? Wir sind genauso normal und freundlich wie die meisten Touristen hier", sagt Shimon. Ihm gehört auf der Allenby-Straße, an der sich bis hinunter zum Strand einige Nachtklubs der Stadt befinden, eines der zahlreichen Büdchen. Getränke, Essen, Zigaretten, Kleidung - bei Shimon, dessen Haut und Haare vom offenbar nie enden wollenden Sonnenschein extrem gegerbt sind, bekommt man alles.

Shimon ist 36 Jahre alt, vom Fußball begeistert und regelmäßiger Besucher der Spiele von Hapoel Tel Aviv. Es lohnt sich, mit ihm über die Ansichten der Israelis zur soeben beendeten U-21-Europameisterschaft zu plaudern. "Hier waren alle sehr erfreut, als es auf einmal hieß, die EM finde tatsächlich in Israel statt. Auch die Leute, die mit Fußball eher wenig am Hut haben", erzählt Shimon, der von hunderten Verkaufsgegenständen verbarrikadiert durch ein kleines Loch auf seine Kunden blickt.

Welcher Konflikt?

Dass in den vergangenen zwei Wochen etwas Außergewöhnliches im noch so jungen Gelobten Land stattgefunden hat, spürt man im Dialog mit den Menschen in jedem Fall - ob das nun der arabische Taxifahrer oder die jüdische Frau an der Supermarktkasse ist. Nahostkonflikt? Fehlanzeige.

Die Entscheidung, die die UEFA am 27. Januar 2011 pro Israel und gegen die Mitbewerber Bulgarien, Tschechien, England und Wales fällte, war ja auch von historischer Tragweite. Im Jahr 2000 fand zwar bereits eine U-16-EM statt, Portugal gewann damals. Doch mit der wichtigsten Nachwuchsendrunde Europas richtete Israel erstmals ein großes Fußball-Turnier aus.Nie zuvor wurde die U-21-EM auf nicht-europäischem Boden ausgetragen - der größte sportpolitische Erfolg der israelischen Fußballgeschichte.

Verdutzt schaut Shimon drein, als er mit der Frage konfrontiert wird, ob es zu einem gewissen Zeitpunkt Planungen für ein Public Viewing gegeben habe. "Das kenne ich nur von der WM 2006 aus Deutschland. Ich glaube nicht, dass sich die Israelis vor einen großen Bildschirm gestellt hätten, nur um Fußball zu schauen", grinst er. Die Leute lieben es vielmehr, sich in ein Straßencafe zu setzen, eine Kleinigkeit zu essen und mit Freunden die Partien auf einem "normalen" Fernseher zu verfolgen, meint er.

Riesiges Zuschauerinteresse

In der Tat sah so auch die israelische Form des Rudelguckens aus: Da die Spiele im Pay-TV liefen, das nur ein Bruchteil der Menschen empfängt, und die Restaurants und Kneipen der Stadt am Abend traditionell brechend voll sind, empfand man es als eine nette Begleiterscheinung, dass nebenher auch noch Fußball lief.

Doch längst nicht alle Israelis entschieden sich für einen Kneipenbesuch - insgesamt 46.783 Zuschauer begaben sich höchst selbst ins Stadion, wenn ihre U 21 spielte. Die 22.183, die in Jerusalem ins Teddy-Kolek-Stadion strömten, um Zeuge des Überraschungserfolgs gegen England zu werden, stellten bis zum Finale den Zuschauerrekord des Turniers dar.

"Ich war selbstverständlich bei allen drei Spielen", sagt Shimon. "Den Laden habe ich dann einfach etwas früher dicht gemacht. Bis auf die internationalen Partien von Hapoel habe ich hier ja auch nie die Chance, solche hochkarätigen Spieler einmal live zu sehen." So dachte offensichtlich nicht nur Shimon: Bevor das Eröffnungsspiel angepfiffen wurde, waren bereits rund 180.000 der insgesamt 250.000 Eintrittskarten an Mann und Frau gebracht. 2011, bei der letzten Endrunde in Dänemark, gingen während des kompletten Wettbewerbs nur 90.000 Tickets über die Ladentheke.

Sport als Völkerverständigung

Dass der Sport die politische Ebene während des Turniers ausgeblendet hat, war nicht nur am Dialog mit den Israelis zu spüren. Dazu reichte auch ein Blick aufs israelische Nationalteam: Fünf Spieler mit arabischen Wurzeln gehörten dem Kader von Trainer Guy Luzon an, auch Spieler aus Russland und Äthiopien waren dabei. Amtssprache unter den Kickern ist Hebräisch."Wer auch immer im Team dabei ist, fühlt keinen Unterschied zwischen Juden und Arabern", so Teamdirektor Eli Rozen - auch wenn die arabisch-stämmigen Akteure während der Nationalhymne stumm blieben. "Die Beziehungen der Spieler untereinander sind exzellent."

Shimon bedauert allerdings, dass die Stimmung rund um seine Mannschaft nicht die Beste war. "Aber das habt ihr wohl gar nicht so richtig mitbekommen, oder?", fragt er. Eine starke Auswirkung hatte der Konflikt auf das breite Meinungsbild zwar nicht, dennoch feuerten israelische Journalisten regelmäßig gegen Verbandspräsident Avi Luzon und seinen Neffen Guy - und die maulten prompt zurück.

Der mediale Vorwurf: Guy habe seinen Job nur Avi zu verdanken, der dazu als "Betrüger" tituliert wurde, weil die EM einzig und allein deshalb in Israel ausgetragen worden sei, da Avi Luzon freundschaftliche Beziehungen zu UEFA-Boss Michel Platini unterhält.

Positives Fazit

Das Ausscheiden Israels, das bereits nach dem zweiten Spiel so gut wie sicher feststand, habe schon ein wenig auf die Stimmung gedrückt, gibt Shimon zu. "Damit hat aber auch jeder gerechnet. Die Euphoriewelle hat dadurch zwar einen Dämpfer erhalten, da eben viele absprangen, als Israel nicht mehr dabei war. Wir fanden es aber natürlich klasse, dass sie sich mit einem 1:0 gegen England verabschiedet haben. Die richtigen Fußballfans so wie mich interessierte das Turnier ohnehin aber bis zum Schluss."

Auch wenn der israelische Fußball in naher Zukunft sicherlich keinen plötzlichen Boom erleben wird, fällt das Fazit im Land positiv aus. Israel, das erst seit 1994 Vollmitglied der UEFA ist und in den Jahren zuvor willkürlich durch alle möglichen Kontinentalverbände gereicht worden ist, hat vor allem durch eine exzellente Organisation bewiesen, dass es zu Recht innerhalb des europäischen Fußballgrenzen angesiedelt ist.

"Das hat uns als Land schon gut getan. In Deutschland hieß das doch dann Sommermärchen?", fragt Shimon und fängt wieder an zu schmunzeln, als er sein persönliches Schlusswort abgeben soll. "In Israel war es Sommer, aber ohne Märchen." Seine Landsleute haben es verschmerzen können.

Die U-21-EM 2013 im Überblick