Ein wenig redete Kevin Volland an den Journalisten vorbei. Er antwortete zwar ehrlich, doch bei fast jeder Frage kehrte er zu ein und derselben Aussage zurück. Es war die erste Halbzeit im Spiel gegen Serbien, die ihm Kopfzerbrechen bereitet hatte.
Sein Team wäre "nicht aggressiv genug" gewesen, bemängelte Volland in der Mixed Zone. Erst in der zweiten Halbzeit habe man schließlich "öfter dazwischen gehauen und von hinten gut nachgeschoben. Vor allem aber war das Team endlich "auf der Sechs gut gestaffelt".
Volland im Interview: "Die 1. Halbzeit darf uns so nicht passieren"
Der Hoffenheimer brachte damit eines der Kernprobleme der bescheidenen ersten Halbzeit auf den Punkt: Vor allem Moritz Leitner wirkte auf der Sechs ein wenig orientierungslos. Die Abstimmung mit Can sowie der Viererkette war mangelhaft, weshalb die Serben immer wieder über die Halbräume ins Zentrum durchstoßen konnten. Zur Pause musste Leitner runter, für ihn kam Joshua Kimmich.
Der Noch-Leipziger meisterte seine Aufgabe gekonnt, verlieh dem deutschen Spiel mehr Struktur und Ordnung und sorgte für mehr Power bei Umschaltbewegungen. Auch wenn Leitner als einer der Lieblinge von Horst Hrubesch gilt, dürfte Kimmich im wichtigen Spiel gegen Dänemark den Vorzug erhalten.
Nachfolger der Weltmeister
Sollte es so kommen, wird der 19-Jährige auch erstmals auf einen Spieler treffen, mit dem er in Zukunft öfter in Konkurrenz stehen wird: Pierre-Emile Höjbjerg. Ab der kommenden Saison werden beide um Einsatzminuten im Bayern-Mittelfeld wetteifern. Bei diesem Wettkampf geht es auch um eine viel größere Frage: Wem gehört die Zukunft in der FCB-Schaltzentrale?
Für die ältere Generation um Bastian Schweinsteiger (30), Philipp Lahm (31) und Xabi Alonso (33) tickt die Uhr immer lauter. Außerdem scheint Schweinsteigers Abschied diesen Sommer tatsächliche eine Option zu sein.
Die Zeit hinterlässt ihre Spuren und ebnet damit auch den Weg für die nächste Generation. Einerseits für bereits gestandene Profis wie Javi Martinez, Thiago oder Sebastian Rode, andererseits aber auch für den jüngeren Nachwuchs - in Person von Kimmich und Höjbjerg.
Beide sind ähnliche Spielertypen, die sich in ihrer Paradeposition und Veranlagung nur in Nuancen unterscheiden. Ihre Heimat ist die Mittelfeldzentrale, wobei Höjbjerg meist einen Hauch offensiver agiert. Der Däne hat mehr Attribute eines Box-to-Box-Players. Zweikampfstärke gepaart mit Dynamik macht aus Höjbjerg einen erstaunlichen Mittelfeld-Allrounder.
Musterschüler vs. Rückkehrer
Kimmich hingegen agiert einen Tick defensiver. Er weiß als Taktgeber und Ballverteiler zu fungieren, was schon sein Ex-Coach an ihm schätzte: "Er ist immer anspielbar, er will jeden Ball haben", schwärmte der ehemalige Stuttgarter U19-Trainer Ilja Aracic im Gespräch mit SPOX. "Er war schon damals prädestiniert für ein ballbesitzorientiertes Spiel. Das ist wahrscheinlich auch das, was Bayern an ihm schätzt."
Darüber hinaus zeichnet Kimmich ein Charakterzug aus, der Pep Guardiola besonders gefallen dürfte: Der 19-Jährige gilt als Perfektionist. "Er versucht nicht nur, immer zu erfüllen, was ein Trainer von ihm verlangt. Er macht stets mehr, als von ihm erwartet wird", erzählt Aracic. Passend dazu: Kimmichs künftiger Coach ist selbst ein Besessener, der immer Optimierungsmöglichkeiten findet.
Kimmich im Porträt: "Ein herausragender Führungsspieler"
Nicht ohne Grund war der Leipziger Guardiolas Wunschspieler. Ralf Rangnick enthüllte nach Bekanntgabe des Wechsels, wie sehr sich die Bayern um Kimmich bemüht hatten: "Guardiola sieht bei Joshua absolut die Perspektive, schon im nächsten Jahr eine Rolle zu spielen." Kimmich hat schon jetzt das Rüstzeug zu Guardiolas Musterschüler.
Im Gegensatz zu ihm hat Höjbjerg schon die eine oder andere Meinungsverschiedenheit mit Guardiola hinter sich. Seinem Wunsch nach einer Ausleihe wurde zuerst nicht stattgegeben und nachdem es endlich so weit war, sendete er ein paar Verbalspitzen gen München. Nun geht es nach einem halben Jahr in Augsburg zurück zu Pep - und damit mitten rein in den härtesten Konkurrenzkampf der Bundesliga.
Entscheidender Vorteil für Höjbjerg
Gegenüber Neuzugang Kimmich hat Höjbjerg jedoch schon jetzt die Nase vorn. Er wird in München nach dem kurzen Abstecher nach Augsburg keine Eingewöhnungszeit benötigen, während sich Kimmich erst akklimatisieren muss. Vor allem aber zeichnet sich Höjbjerg schon jetzt durch zwei wichtige Attribute aus: Erfahrung und Wettkampfhärte.
Für Kimmich ist die aktuelle U21-EM das Highlight seiner bisherigen Karriere. Höjbjerg hat bereits sieben A-Länderspiele auf dem Buckel und wurde von Morten Olsen schon mehrmals verbal zum Ritter geschlagen. Darüber hinaus wurde Höjbjerg Double-Sieger, doch nicht nur irgendwie. Im Pokalfinale 2014 zeigte er seinen vielleicht besten Auftritt im Bayern-Trikot, sodass Arjen Robben hinterher schwärmte: "Die ganze Mannschaft ist stolz auf ihn".
Zudem erhielt der Däne nach nur 288 Bundesliga-Minuten in der Hinrunde mit der Leihe zum FCA endlich die ersehnte Spielpraxis. "Ich habe bei Augsburg sehr viel gelernt. "Ich habe neue Erfahrungen gemacht, aber auch neuen Druck und eine neue Atmosphäre gespürt.", sagte er am Donnerstag vor dem Training der U21 zur Presse. Sein Fazit: "Ich komme robuster und stärker zurück, auch mental."
Kimmich hingegen wird auf einem anderen Level einsteigen, wenn er in München ankommt. Zuvor wird er bei der U21-EM versuchen, möglichst viele Erfahrungen mitzunehmen - sollte Deutschland nicht schon gegen Dänemark das vorzeitige Aus ereilen.
Der Spielplan der U21-EM