EM

"Meine Familie dreht durch"

Von Daniel Reimann
Leonardo Bittencourt (2.v.r.) hat brasilianische Eltern
© getty

Für Leonardo Bittencourt wurde durch das Weiterkommen in der Gruppe A der Wunsch seines verstorbenen Großvaters und sein eigener Traum wahr: Die Qualifikation für Olympia 2016. Im Interview spricht er über seinen Wert als Joker, seine Dolmetscherrolle gegen Portugal und Musikwünsche in der Kabine.

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Frage: Herr Bittencourt, Ihre Eltern sind Brasilianer, Sie haben jede Menge Verwandte in Brasilien. Ist Ihr Handy seit Sonntag überhaupt mal stillgestanden?

Leonardo Bittencourt: Die Familie dreht ein bisschen durch wegen Olympia, nachdem wir das am Sonntag klar gemacht haben. Aber es hat sich langsam wieder beruhigt. Mein Onkel und meine Tante aus Brasilien sind ja sogar über das gesamte Turnier hier in Tschechien. Dazu kommt der engste Familienkreis immer zu den Spielen.

Frage: Sind Sie schon beim DFB Sturm gelaufen, um genügend Karten für die ganze Familie zu reservieren?

Bittencourt: Noch nicht. Wenn die beim DFB wüssten, was da auf sie zukommt (lacht).

Frage: Für Sie ist Olympia dementsprechend nochmal eine Stufe besonderer als für die anderen Spieler, die keine Familie in Brasilien haben. Wenn Sie sich nächstes Jahr entscheiden müssten: EM 2016 oder Olympia - worauf fiele die Wahl?

Bittencourt: Eine Europameisterschaft mit der A-Nationalmannschaft ist etwas ganz Großes. Das hätte Vorrang im Zweifelsfall. Aber auch Olympia... Das ist einfach geil! Ausgerechnet in Brasilien, ausgerechnet in Rio. Mein Vater hat mir erzählt, dass es immer der Traum seines mittlerweile verstorbenen Vaters war, dass er eines Tages Olympia spielt. Er hat es nicht geschafft, aber jetzt habe ich die Möglichkeit. Mein Vater hat sich riesig gefreut. Das ist schon eine geile Geschichte. Ich hab den Jungs schon gesagt: Ich kann dann in Rio einiges klar machen (lacht).

Frage: Das Halbfinale gegen Portugal ist damit auch ein wenig besonders, denn Sie sprechen Portugiesisch. Haben Sie bisher mit einem besonderen Auge auf die Portugiesen geblickt?

Bittencourt: Natürlich. Sie haben einen sehr guten Kader und sind einer der Mitfavoriten auf den Titel. Dementsprechend gut sind sie ins Turnier gestartet. Das wird keine leichte Aufgabe, aber wir wollen unser Spiel durchziehen. Und wenn sie irgendwelche taktischen Dinge auf dem Platz besprechen, übersetze ich das einfach unseren Jungs. Da wird's für sie ein wenig schwieriger.

Frage: Wie gut konnte sich die Mannschaft auf Gegner Portugal bisher vorbereiten? Haben Sie alle Spiele gesehen?

Bittencourt: Wir haben die Spiele nicht komplett gesehen, weil immer etwas anderes noch hinzukam, Besprechungen und dergleichen. Aber wir wissen, was auf uns zukommt. Portugal hat eine sehr spielstarke Mannschaft. In der Videoanalyse werden wir dann nochmal ins Detail gehen. Und wenn wir uns auf dem Platz nochmal steigern können im Vergleich zu den letzten Spielen, dann wird es hoffentlich positiv für uns ausgehen. Wir sind bis hier her gekommen, jetzt wollen wir auch unbedingt ins Finale.

Frage: Deutschland gegen Portugal - kann man das sogar schon als vorgezogenes Endspiel bezeichnen?

Bittencourt: Ja, das passt. Wir hatten zwar gedacht, dass es die Engländer auch noch packen und man auf sie womöglich im Finale treffen könnte. Stattdessen sind es jetzt Portugal und Schweden, wobei die Portugiesen die vermeintlich Stärkeren sind. Deshalb kann man das schon so bezeichnen. Ein Endspiel ist es ohnehin für uns. Wer den Titel will, muss jeden schlagen, auch die Portugiesen.

Frage: Gegen Dänemark spielten Sie von Beginn an. Waren Sie überrascht, als Sie gegen Tschechien dann wieder auf die Bank mussten?

Bittencourt: Gegen Dänemark haben wir unser bestes Spiel des Turniers gezeigt. Klar war ich anfangs überrascht. Der Trainer hat es mir dann erklärt. Ich muss das akzeptieren. Der Coach trifft die Entscheidungen und ich muss mich ins Team einfügen. Es geht hier bei der EM nicht um die Person Bittencourt, sondern um die Mannschaft. Wir wollen den Titel zusammen holen. Da geht es nicht, dass Einzelne beleidigt sind, wenn Sie mal nicht von Beginn an spielen.

Frage: Zumal Sie gegen Tschechien ja immerhin wieder recht früh eingewechselt wurden...

Bittencourt: Der Trainer weiß, dass ich auch von der Bank Vollgas gebe, egal, ob ich zehn oder 20 Minuten reinkomme. Ich kann als Joker immer für Schwung sorgen, das habe ich gegen Serbien und Tschechien bewiesen. Aber klar ist auch: Ich will nicht bloß Ergänzungsspieler des Jahres werden. Das war noch nie mein Ziel. Gegen Dänemark habe ich ein auch von Beginn an ein ordentliches Spiel gemacht. Der Trainer weiß, was er an mir hat. Er kann mich ruhig auch von Anfang an bringen (lacht).

Frage: Sie sind der Kabinen-DJ und sorgen nach den Spielen für die Musik. Was wird aufgelegt, wenn Deutschland am Samstag Portugal schlägt?

Bittencourt: Das ist noch nicht geplant. Ich gehe immer auf die Jungs zu und frage, was sie möchten. Ich habe so gut wie jede Musik drauf. Das wird dann eher spontan, je nach Spielverlauf.

Frage: Bei der A-Nationalmannschaft sind viele Fans von Helene Fischer...

Bittencourt: Wenn es sich jemand wünschen sollte, dann spiele ich auch das (lacht).

Leonardo Bittencourt im Steckbrief

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