SPOX: Herr Malli, internationale Turniere sind für Sie kein Neuland. Sie waren schon 2009 dabei, als die deutsche U17 Europameister wurde. Kommen jetzt während der Vorbereitung aufs Turnier wieder Erinnerungen hoch?
Yunus Malli: Jetzt ist die Erinnerung noch nicht so präsent. Das wird wahrscheinlich erst der Fall sein, wenn wir in Prag im Mannschaftshotel ankommen. Wenn das erste Spiel näher rückt und langsam die Turnier-Atmosphäre kommt.
SPOX: Welcher Moment kommt Ihnen sofort ins Gedächtnis, wenn Sie zurück an dieses Turnier denken?
Malli: Der Moment, als wir das 2:1 im Finale gegen die Niederlande erzielt haben. Da sind wir alle ausgerastet, alle haben sich riesig gefreut. Wenig später war Schluss, wir waren Europameister. Das war ein unvergessliches Erlebnis.
SPOX: Haben Sie mit einem Ihrer Kollegen von damals im Vorfeld der U21-EM in Tschechien darüber gesprochen?
Malli: Nein, bisher noch nicht. Aber Marc-Andre ter Stegen war ja damals dabei. Er konnte im Trainingslager wegen des Champions-League-Finals nicht dabei sein, aber vielleicht sprechen wir darüber, wenn er dazu stößt.
SPOX: Ter Stegen kommt als frisch gebackener Champions-League-Sieger zur Mannschaft. Hat sich die Mannschaft einen besonderen Empfang überlegt - ein Spalier oder ähnliches?
Malli: Wir haben ihm vor dem Spiel in einem gemeinsamen Video viel Glück gewünscht. Für den Empfang ist aber noch nichts geplant. Mal sehen, was wir uns einfallen lassen. Wir freuen uns auf jeden Fall sehr für ihn, dass er diesen Titel geholt hat.
SPOX: Die deutsche U21 verfügt über reihenweise Erfahrung: Zwei aktuelle DFB-Pokalsieger sind dabei, dazu viele gestandene Bundesliga-Spieler wie Sie. Könnte der Faktor Erfahrung im Laufe des Turniers ausschlaggebend werden?
Malli: Natürlich ist das ein wichtiger Faktor. Wir verfügen über viele erfahrene Spieler, die auch schon Erfolge gefeiert haben. Das Team hat eine brutale Qualität. Wir müssen uns bei diesem Turnier nicht verstecken, wir sind selbstbewusst. Das Ziel ist es, das Beste rauszuholen.
SPOX: Damit ist der Titel gemeint?
Malli: Auf jeden Fall. Jeder hat das Ziel, aus Tschechien etwas mitzunehmen. Natürlich ist es wichtig, gut ins Turnier reinzukommen und die Sache Schritt für Schritt anzugehen.
SPOX: In der Vorbereitung haben das DFB-Team zwei Jungs besucht, die wissen, wie man Titel holt. Die Beachvolleyball-Olympiasieger Jonas Reckermann und Julius Brink hielten einen Vortrag. Was können Fußballer am ehesten von Volleyballern lernen?
Malli: Sie haben erzählt, wie sie als Team agieren mussten. Vor allem, weil sie nur zu zweit waren. Sie haben über ihren schwierigen Weg gesprochen, wie wichtig ihr Teamspirit war und wie jeder einzelne seine Qualität für den gemeinsamen Erfolg eingebracht haben. Auch die Kommunikation ist ein elementarer Bestandteil im Volleyball, das gilt für uns Fußballer genauso.
SPOX: Was haben Sie persönlich am ehesten mitgenommen?
Malli: Es war sehr interessant zu hören, welche Erfahrungen sie gemacht haben. Dass es zum Beispiel nicht immer leicht war, weil sie sehr unterschiedliche Charaktere sind. Aber sie haben sich immer professionell verhalten, waren immer erfolgsorientiert. Das hat sie stark gemacht.
SPOX: Sie haben sich auch ein kleines Beachvolleyball-Match mit den Olympiasiegern geliefert. Wie ging es aus?
Malli: Wir haben immer nur bis drei gespielt und dann gewechselt. Die waren zu zweit, wir zu fünft. Aber manchmal wurde es für uns schon bei deren Angabe brutal schwer. Wenn die eine gute Angabe schlagen, kann man die schon kaum verteidigen (lacht).
SPOX: Hat die DFB-Fraktion trotzdem mal gepunktet?
Malli: Wir haben den ein oder anderen Punkt gemacht, ja. Wir hatten ein paar gute Szenen, vor allem defensiv. Die Jungs haben zumindest gesagt, dass sie positiv überrascht waren.
SPOX: Bei der U21 läuft Ihre Uhr ab, Sie sind bereits 23 Jahre alt. Ist der nächste logische Schritt die A-Nationalmannschaft?
Malli: Jeder hier will sich für die A-Nationalmannschaft empfehlen. Das ist auch mein Ziel. Wichtig ist vor allem, im Verein Woche für Woche Leistung zu bringen und bei Länderspielen alles zu geben. Gerade jetzt auf dieser großen Bühne.
SPOX: Da Sie noch nie für die A-Nationalmannschaft berufen wurden, könnten Sie theoretisch auch eines Tages noch für die Türkei spielen. Gab es da denn bisher mal eine Anfrage?
Malli: Von der türkischen A-Nationalmannschaft gab es die nie, nein. Aber ich bin jetzt schon seit Jahren dabei und fühle mich im DFB-Trikot ohnehin total wohl, ein Wechsel ist für mich kein Thema. Und jetzt liegt der Fokus ohnehin auf der Europameisterschaft.
SPOX: Wie wichtig ist es für Sie, dass Ihr Teamkollege Johannes Geis aus Mainz dabei ist?
Malli: Es gibt viele hier, die ich sehr gut kenne. Wir verstehen uns alle sehr gut. Aber es ist natürlich schön, wenn ein Bekannter aus dem Verein dabei ist.
SPOX: Europameisterschaft, Vertragsverlängerung im Verein und Verlobung: Es ist ein ziemlich richtungsweisendes Jahr für Sie. Ist es denn auch das bewegendste Ihrer bisherigen Karriere?
Malli: Es ist in jedem Fall mein erfolgreichstes Jahr. Ich bin bei Mainz zum Stammspieler gereift, habe mich in der Rückrunde nochmal gesteigert. Es ist bisher ein rundum gelungenes Jahr und diesen Schwung will ich in die neue Saison mitnehmen. Ich muss in meinen Leistungen noch konstanter werden.
SPOX: Vor Ihrer Vertragsverlängerung gab es eine längere Zeit der Ungewissheit, gepaart mit Wechselgerüchten. Wie sehr hat sie diese Ungewissheit als Spieler belastet?
Malli: Jeder Spieler geht anders damit um. Ich habe es lange Zeit gut trennen können: das Vertragliche und den Fußball. Aber insgesamt hat mich das schon ein Stück weit belastet. Unterbewusst spielte das schon eine Rolle, weil ich nicht wusste, wie es ab Juli weitergehen würde. Deshalb war ich froh, als im Mai endlich die Entscheidung getroffen war.
SPOX: Es sollen verschiedene Erstligisten und Klubs aus Istanbul interessiert gewesen sein. Wäre ein Wechsel ins Ausland überhaupt ein Thema gewesen?
Malli: Ich wollte auf jeden Fall in der Bundesliga bleiben. Es gab zwar Interessanten aus der Türkei, aber das war kein Thema für mich. Die Bundesliga ist eine der besten Ligen der Welt und ich fühle ich mich hier sehr wohl.
SPOX: Mit Ihrem Teamkollegen aus der U21, ter Stegen, haben Sie einst schon in Gladbach zusammen gespielt. Sie wechselten jedoch nach der U19 zu Mainz. Hat man Ihnen keine ausreichende Perspektive aufgezeigt?
Malli: Es gab zwar damals Gespräche mit Gladbach, aber ich war nicht davon überzeugt, dass man mit mir im Profibereich plante. Mein Bauchgefühl riet mir zu einem Wechsel. Ich wollte zu einem Klub, der mit unbedingt haben will, der sich um mich bemüht. Das war bei Mainz der Fall.
Yunus Malli im Steckbrief