Dieses Mal stand der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft einfach nur da, nippte immer wieder an einer Flasche Wasser und starrte mit leerem Blick auf jubelnde Spanier. Ganz ohne Tränen.
Dieses Finale war kein Krimi, der erst im Elfmeterschießen entschieden wurde, wie noch mit Chelsea gegen Manchester in der Champions League. Dieses Finale war auch kein Drama mit K.o. in den Schlussminuten, wie noch vor zwei Jahren gegen Italien.
"Wir können stolz sein"
Dieses Finale war schlichtweg der Triumph der besseren Mannschaft. Und deshalb gab es auch keine Tränen. "Wir haben das Spiel gegen eine starke spanische Mannschaft lange offen gehalten. Aber sie haben verdient gewonnen", sagte Ballack.
Wieder nur Zweiter also. Oder doch eher: Immerhin Zweiter? "Wir können auch stolz sein", so Ballack. "Die Mannschaft hat Großartiges geleistet", sagte Bundestrainer Joachim Löw nach der besten EM-Platzierung seit dem Titelgewinn 1996.
SPOX.com blickt zurück auf die Leistung des deutschen Teams bei dieser Endrunde.
Was war gut?
Gelungene Systemumstellung: Deutschland galt vor der EM als eines der wenigen Länder, das beharrlich am 4-4-2 festhält. So wurde die Qualifikation recht souverän gemeistert und in der Vorbereitung getestet. Der Bundestrainer sprach in diesem Zusammenhang gerne von einer Philosophie, von der er nicht abrücken werde. Um es im Viertelfinale gegen Portugal dann doch zu tun. Mit Erfolg.
"Die Mannschaft hat diese Umstellung gebraucht", erklärte Ballack hinterher. Vor allem der Kapitän profitierte vom Taktikwechsel und brachte dadurch die Torgefährlichkeit ins Spiel, die zuvor Mario Gomez als zweiter Angreifer vermissen ließ.
Die Kämpferqualitäten: Was gegen Portugal klappte, sollte dann auch gegen die Türkei im Halbfinale zum Erfolg führen. Doch gegen die Türken hatte das deutsche Team im 4-5-1 erhebliche Probleme, konnte sich allerdings auf seine Kämpferqualitäten verlassen. "Das Kampfspiel gegen die Türkei haben wir angenommen und gewonnen", so Torsten Frings im "Kicker".
Die Poldi-Schweini-Achse: Lukas Podolski auf links hatte Löw zuvor schon mal getestet, zu einer richtig guten Option wurde diese Variante allerdings erst bei dieser EM. Der 23-Jährige entwickelte enorme Torgefahr aus dem Mittelfeld heraus und war durch seine Tempodribblings auch in der Lage, Akzente zu setzen, wenn beim Rest des Teams nichts zusammenlief.
Seinen Gegenpart auf rechts bildete Bayern-Kollege Bastian Schweinsteiger, zumindest nach einer kurzen Anlaufphase und dem Aussetzer gegen Kroatien. Schweinsteiger ließ seine unnötigen Haken weg und verzichtete damit auf Tempoverschleppung. Zudem strahlte der 23-Jährige endlich auch mal Torgefahr aus.
Entwicklungsspielraum: Dieses Team ist noch längst nicht am Ende angelangt. "Wir haben viele junge Spieler und können uns weiterentwickeln", sagte Thomas Hitzlsperger. Bis auf Jens Lehmann, der seine Zukunft im Nationalteam noch offen ließ, und Oliver Neuville sind alle Akteure dieses EM-Kaders auch Kandidaten für die WM 2010.
Was war nicht gut?
Abkehr vom modernen Stil: Jürgen Klinsmann hatte es eingeführt und immer wieder gefordert, Löw dann übernommen: Der Ball muss nach vorne gespielt werden - und das in hohem Tempo. Bei der EM war davon allerdings kaum etwas zu sehen.
"Wir waren in den letzten zwei Jahren spielerisch meistens auf einem höheren Niveau als bei diesem Turnier", musste Löw zugeben. Häufig hatten Christoph Metzelder und Per Mertesacker schon in der Spieleröffnung Schwierigkeiten, immer wieder gab es aus dem Mittelfeld unnötige Rückpässe, zu selten waren schnelles Kurzpassspiel und Positionswechsel ein Mittel.
Schwächen in der Defensivarbeit: So sehr Schweinsteiger und Podolski in der Offensive überzeugten, so sehr offenbarten beide auch erhebliche Mängel in der Defensivarbeit. Vor allem Podolski ließ auf links Jansen oder Lahm häufig alleine oder seinen Gegenspieler im Rücken einfach weglaufen.
Auch die deutsche Innenverteidigung strahlte nicht die gewohnte Souveränität aus. Mertesacker hatte Probleme im Stellungsspiel und in der Raumdeckung, Metzelder fehlte es an Spritzigkeit und kompromissloser Zweikampfführung.
Schwache zweite Reihe: Die EM sollte für Mario Gomez auch auf internationaler Bühne der Durchbruch werden - es wurde ein kompletter Reinfall. Der Stuttgarter (SPOX-EM-Durchschnittsnote: 4,33) durfte in der Vorrunde dreimal von Beginn an ran, konnte allerdings nur gegen Polen in Ansätzen überzeugen.
Auch aus Mangel an Alternativen stellte Löw zum Viertelfinale auf einen Stürmer um. Kevin Kuranyi und Neuville waren zu keiner Zeit eine echte Option. Aus der zweiten Reihe verrichteten letztlich nur Hitzlsperger, Simon Rolfes und Arne Friedrich zufriedenstellende Arbeit. Vom Rest kam wenig bis nichts.
Fazit
Deutschland kann mit der EM und dieser Mannschaft absolut zufrieden sein. Die Löw-Elf hat sich endgültig wieder in der Weltspitze festgesetzt und einmal mehr gezeigt, dass man Deutschland immer auf der Rechnung haben muss. Trotz des einen oder anderen Makels lässt sich auf der Leistung und diesem Team aufbauen. Löw ist auch für die Zukunft der richtige Mann. Einige kleine Korrekturen werden nötig sein, nicht allerdings ein kompletter Umbruch wie noch nach den letzten beiden Europameisterschaften.