Joachim Löw ist beim Start in sein letztes Turnier als Bundestrainer ein erfolgreicher Start verwehrt worden. Im ersten Spiel der EM-Gruppe F in München unterlag die DFB-Elf dem Weltmeister aus Frankreich mit 0:1 (0:1). Das einzige Tor des Tages erzielte der von Löw für das Turnier erst reaktivierte Mats Hummels ins eigene Netz.
"Wir haben viel von dem umgesetzt, was wir wollten. Wir hatten Chancen, ein Tor zu machen - ich glaube, nicht weniger als die Franzosen. Ein unglückliches Tor hat das Spiel entschieden", sagte Deutschlands Mittelfeld-Taktgeber Toni Kroos. In der Tat gaben beide Mannschaften während des gesamten Spiels nur einen Schuss aufs Tor ab. Allerdings wurden Frankreich zwei Tore wegen mehr oder weniger knapper Abseitspositionen verwehrt.
Für Aufsehen sorgte zudem eine "Knabber"-Attacke von Innenverteidiger Antonio Rüdiger gegen Paul Pogba.
Frankreichs Weltmeistertrainer Didier Dechamps lobte am ZDF-Mikrofon: "Ein großes Spiel gegen eine starke deutsche Mannschaft. Ich wusste, dass meine Spieler bereit sein würden. In der ersten Halbzeit hätten wir vielleicht noch etwas mehr rausholen können. Es war das erste Match und hätte auch ein Halbfinale oder Finale sein können. Wir waren zur Stelle und dieser Sieg tut gut."
Sein Kollege Löw meinte: "Es war ein brutal intensives Spiel. Wir haben gefightet bis zum Schluss. Ich kann der Mannschaft keinen Vorwurf machen, wir haben alles reingehauen. Was gefehlt hat, war ein bisschen die Durchschlagskraft im letzten Drittel. Da haben wir zu wenig gemacht. Kein Vorwurf an Mats beim Eigentor: Das war schwierig für ihn, da zu klären." Und ergänzte: "Jetzt haben wir verloren, aber es ist noch alles möglich, wir haben noch zwei Spiele und da können wir noch alles geradebiegen."
Im zweiten Gruppenspiel trifft die DFB-Elf am Samstag (18 Uhr) auf Europameister Portugal. Dann könnte der Münchner Leon Goretzka wieder mit von der Partie sein. "Er hat gesagt, dass er das Gefühl habe, dass er noch zwei, drei Trainings braucht, um völlig frei zu sein und der Mannschaft zu helfen", sagte Löw: "Er wird eine gute Option sein im Laufe des Spieles."
Frankreich - Deutschland: Die Analyse
Löw setzte erwartungsgemäß auf die Elf, die Lettland im letzten Vorbereitungsspiel mit 7:1 bezwungen hatte. Hieß auch: Kimmich verteidigte im 3-4-3 hinten rechts, Havertz verdrängte Sane auf die Bank.
An Offensivfußball war für die deutsche Mannschaft gegen den Weltmeister zunächst aber nicht zu denken. Die Bleus übernahmen nach einer kurzen Abtastphase die Kontrolle und drängten die Löw-Elf tief in deren eigene Hälfte.
Kroos und Gündogan zeigten sich für ihre Verhältnisse zwar durchaus aggressiv im Spiel gegen den Ball, doch die Franzosen schafften es dank der variablen Pogba, Griezmann und Benzema immer wieder, die zweite deutsche Linie zu überspielen und den meist über links zu findenden Mbappe in Szene zu setzen. Der PSG-Star prüfte Neuer erstmals in der 17. Minute.
Kurz darauf war der Welttorhüter aber machtlos, weil der aufgerückte französische Linksverteidiger Hernandez eine raffinierte Seitenverlagerung von Pogba ins Zentrum wuchtete, wo Hummels den Ball unglücklich mit dem Schienbein ins eigene Tor beförderte (20.).
In dieser Situation sah aber in erster Linie Rüdiger nicht gut aus, weil er das Zentrum nicht besetzte, wodurch Kimmich einrücken musste und Pogba den heranstürmenden Hernandez perfekt bediente.
Die DFB-Elf kam in der Folge besser ins Spiel und ließ kaum weitere Großchancen der Equipe Tricolore zu. Allerdings fehlte im Spiel nach vorne die letzte Durchschlagskraft. Insbesondere Havertz und Gnabry hingen in der Luft, es mangelte an einem Zielspieler in der Spitze.
Daran änderte auch Gnabrys Volleychance kurz nach dem Seitenwechsel nichts. Löw reagierte erst nach 70 Minuten und brachte mit Werner und Sane zwei frische Offensivkräfte. Doch auch die konnten nicht mehr den Lucky Punch besorgen.
Frankreich - Deutschland: Die Aufstellungen
Frankreich: Lloris - Pavard, Varane, Kimpembe, Hernandez - Pogba, Kante, Rabiot (90.+3 Dembele) - Griezmann, Benzema (88. Tolisso), Mbappe.
Deutschland: Neuer - Ginter (87. Can), Hummels, Rüdiger - Kimmich, Gündogan, Kroos, Gosens (87. Volland) - Müller, Havertz (74. Sane) - Gnabry (74. Werner).
Frankreich - Deutschland: Die Daten des Spiels
Tor: 1:0 Hummels (20., Eigentor)
- Nur Lilian Thuram (15), Zinedine Zidane (14) und Laurent Blanc (13) kommen auf mehr Startelfeinsätze bei einer EM für Frankreich als Lloris (12).
- Hummels' Eigentor war das erste überhaupt für Deutschland bei einer EM.
- Deutschlands Niederlage war die erste überhaupt bei einem EM-Auftaktspiel.
Der Star des Spiels: Paul Pogba (Frankreich)
Grandioser Auftritt des Mittelfeldspielers von Manchester United. Leitete nicht nur das 1:0 mit einem überragenden Zuspiel auf Hernandez ein, sondern bestach durch Spielwitz und starkes Zweikampfverhalten.
Der Flop des Spiels: Antonio Rüdiger (Deutschland)
Sah beim Gegentor nicht gut aus und gewann nur 33 Prozent seiner Zweikämpfe. Hätte sich auch die kleine "Knabber"-Attacke gegen Pogba in Durchgang eins sparen können.
Der Schiedsrichter: Carlos del Cerro Grande (Spanien)
Schien zunächst eine harte Linie an den Tag zu legen, indem er Kimmich nach dessen erstem Foul sofort mit Gelb verwarnte (7.). Danach ließ der Spanier aber oftmals die Karte stecken, obwohl er sie hätte ziehen müssen (wie bei vielen Zeitspiel-Situationen vonseiten der Franzosen). Lag bei den wichtigen Entscheidungen - auch dank seines Videoassistenten - aber zumindest richtig.