Am späten Donnerstagabend wird erstmals in der Klubgeschichte eine elfköpfige Auswahl des FC Augsburg ein Europapokalspiel bestreiten. Mittendrin steht mit Tobias Werner das Sinnbild des aufstrebenden Klubs aus dem bayrischen Schwabenland. Der 30-Jährige kam 2008 vom Zweitliga-Absteiger Carl-Zeiss Jena zum damals ebenfalls zweitklassigen FCA - und hat seitdem eine so großartige wie kaum erwartete Entwicklung genommen.
Am Ende der Saison 2009/2010 noch in der Relegation am 1. FC Nürnberg gescheitert gelang in der darauffolgenden Spielzeit der direkte Aufstieg in die Bundesliga. In 21 Spielen erzielte Werner fünf Treffer und bereitete zwei weitere vor, was eine erhebliche Steigerung zur Vorsaison darstellte (7 Spiele, 1 Tor).
Der Musterprofi für den Musterklub
Seit Anfang der vergangenen Saison ist Werner dienstältester Spieler der Augsburger, am Ende der Hinrunde löste er schließlich Sascha Mölders als Rekordtorschütze ab - mit einem Doppelpack gegen Lukas Kruse vom SC Paderborn. Werner sagte später, dass ihm zwei Tore gegen den guten Freund schon leidtäten, eine Einstellung, die ihn beim FCA zu dem macht, was er ist.
Tobi Werner gilt als Musterprofi, seine Familie steht an erster Stelle und Extravaganzen gibt es keine. Sein VW Golf schreit ebenso nach Bodenständigkeit wie der Kontakt in seine Heimat Gera, die er so oft es geht besucht. Für einige ist er zu sympathisch und zurückhaltend, für die meisten nur der perfekte Spieler für den Musterklub aus der Fuggerstadt, der genau diese Werte vertritt wie kaum ein anderer - trotz aller Erfolge.
Sinnbild der Entwicklung
Mit seinen 30 Jahren gehört Werner zu den Routiniers und neben Paul Verhaegh und Daniel Baier zu den anerkanntesten Spielern im Kader. Seinen jüngeren Kollegen hilft er bei der Eingewöhnung und beim Verinnerlichen der Prinzipien des Vereins, was ihm nicht sonderlich schwer fallen dürfte. Sein Werdegang vom belächelten Neuzugang, damals 22, zum Publikumsliebling steht sinnbildlich für den damaligen Bundesliga-Neuling.
Er machte die Jahre des raschen Aufstiegs mit, wuchs selbst immer weiter in den Verein hinein, wobei die Zusammenarbeit mit dem jüngsten Trainer der Bundesliga eine entscheidende Rolle spielte. Markus Weinzierl gelang das Wunder, die Augsburger in der Liga zu halten und das nach einer abenteuerlich schlechten Vorrunde mit gerade einmal neun Zählern. Werner verkörpert alles, was Weinzierl von seinen Spielern erwartet: Disziplin, Kampf und Zusammenhalt.
Die Mannschaft vor dem Rest
Aus dem Augsburger Spiel ist die Nummer 13 nicht wegzudenken. Keine Überraschung also, dass auf Werners Position keine Nachbesserungen für den Europapokal nötig waren. Weinzierl geht mit nur zwei gelernten Linksaußen, neben Werner ist das Caiuby, in eine Saison, in der die Doppelbelastung schnell an den Kräften nagen wird. Was naiv klingt, zeugt aber eher von vollkommenem Vertrauen in die Mannschaft.
Die Mannschaft steht in Augsburg über allem, denn über herausragende Einzelspieler verfügt man nicht. Ein funktionierendes Konstrukt aus konstant variierendem System, schnellem, modernem Fußball und mannschaftlichem Zusammenhalt macht die Schwaben zu dem, was sie sind. Und das ist in diesem Jahr hauptsächlich ein Europapokalteilnehmer.
Zum Auftakt ins San Mames
In diesem Europapokal warten einige anspruchsvolle Aufgaben auf die Fuggerstädter. Mit Athletic Bilbao geht es gleich zum Auftakt gegen einen der aufstrebenden spanischen Vereine, der kürzlich im Hinspiel des heimischen Supercups den FC Barcelona mit 4:0 besiegen konnte. Die ausschließlich aus Basken bestehende Mannschaft geht als Favorit in die Gruppe, abschrecken lassen sich die Augsburger davon aber nicht.
Weinzierl sprach nach der Auslosung von "drei sportlich attraktiven Gegnern und drei schönen Reisen für die Fans" und will "wie in der Bundesliga für Überraschungen sorgen". FCA-Präsident Klaus Hofmann zeigte sich ebenso bescheiden: "Jedes Spiel in der Europa League ist ein Geschenk für uns", hatte er damals gesagt. Fängt man sich so schnell wie möglich und mit der Einstellung vom letzten Jahr könnten es durchaus mehr als sechs Geschenke sein.
Werner blickt optimistisch auf die anstehende Herausforderung. Der FCA habe ein "gut eingespieltes Team", außerdem würden sich "Trainer und Mannschaft stetig verbessern" und "jeder weiß auf dem Feld, was zu tun ist", sagte er der Augsburger Allgemeinen. Die Form spricht derzeit zwar nicht für den FCA - in der Bundesliga sprang bei vier Spielen nur ein magerer Punkt heraus - doch Augsburg wäre nicht Augsburg und Werner nicht Werner, wenn sie das auch nur im Geringsten vom eingeschlagenen Weg abbringen würde.
Tobias Werner im Steckbrief