Finaltrauma? Von wegen. Jürgen Klopp liebt Endspiele. Immer noch. "Je größer der Druck ist, desto cooler bin ich. Ich stehe auf diese Alles-oder-nichts-Situationen. Aber nur, weil man alles bekommen kann", sagte der Coach vor dem Europa-League-Finale mit dem FC Liverpool am Mittwoch (20.45 Uhr im LIVETICKER) in Basel gegen den spanischen Titelverteidiger FC Sevilla.
Zuletzt bekam Klopp allerdings: nichts. Seine letzten vier Endspiele verlor der Kult-Coach. "Ich habe vielleicht zu viele Silbermedaillen zu Hause hängen, aber lieber welche aus Silber als gar keine", sagte Klopp und schielte verstohlen zum wenige Meter entfernten Objekt der Begierde herüber: dem Siegerpokal - aus Silber.
Nur sieben Monate nach seinem Amtsantritt an der Anfield Road will Klopp die Reds zum ersten internationalen Titel seit elf Jahren und damit auch in die Champions League führen. "Jetzt wollen wir alles! Wir werden alles für diesen wunderbaren Verein geben", so Klopp, der bei der Abschlusspressekonferenz gut gelaunt mit Kapitän Jordan Henderson scherzte.
"Es gibt keinen Favoriten"
Der 48-Jährige würde mit einem Erfolg gegen die Europa-League-Experten aus Andalusien die Liverpooler Trainer-Legenden Bill Shankly und Bob Paisley überflügeln. Shankly (fünf Jahre) und Paisley (zwei Jahre) war kein Titel auf Anhieb mit den Reds vergönnt gewesen. "Als ich hierhin kam, konnte ich mir nicht vorstellen, dass wir das Finale erreichen. Es war ein langer Weg", sagte Klopp, der die Chancen gleichmäßig verteilt sieht: "Es ist eine 50:50-Situation. Es gibt keinen Favoriten."
Seine schwache Finalbilanz verdrängt Klopp. Der gebürtige Schwabe geizte zuletzt mit Titeln. In seinem bisher einzigen internationalen Finale unterlag Klopp mit Borussia Dortmund 2013 im Champions-League-Endspiel in Wembley Bayern München (1:2). Niederlagen in Pokalendspielen gegen die Bayern (2014) und den VfL Wolfsburg (2015) folgten, mit Liverpool verlor er das League-Cup-Finale im Elfmeterschießen gegen Manchester City.
Nationalspieler Emre Can ist dennoch überzeugt, dass "Kloppo" im St. Jakob-Park im Konfettiregen jubeln kann. "Wir fahren nicht umsonst nach Basel", sagte Can. Es werde natürlich nicht einfach, so Can, "aber uns zu schlagen, ist auch nicht einfach".
Sevilla: Der "Herrscher des Wettbewerbs"
In der Europa League lief der 18-malige englische Meister nicht nur im dramatischen Viertelfinale gegen Dortmund zur Höchstform auf. Dabei fühlt sich eigentlich Gegner Sevilla als "Herrscher des Wettbewerbs". "Wir Sevillistas spüren etwas Besonderes in diesem Wettbewerb, er hat uns viel gegeben, wir leben ihn mit Begeisterung", sagte Trainer Unai Emery. Viermal gewann Rekordsieger Sevilla den zweitwichtigsten europäischen Wettbewerb, nun könnte man mit dem Titel-Hattrick Geschichte schreiben.
Der Respekt vor Liverpool ist allerdings gewaltig. "Es ist ein großer Gegner mit einer bemerkenswerten Geschichte", sagte Emery, der vor allem auf Torjäger Kevin Gameiro (sieben Tore in der Europa League) setzt. Dafür muss Sevilla auf Unterstützung von allerhöchster Stelle verzichten. König Felipe und Königin Letizia von Spanien haben andere Verpflichtungen, immerhin kommt der abgedankte König Juan Carlos, Fan von Real Madrid, nach Basel.
Klopp wird in Liverpool zwar noch nicht wie ein König verehrt, doch die Herzen der Fans hat er ebenso schnell erobert wie die Beatles. Er trifft den Nerv der Menschen, für die der FC Liverpool so viel mehr ist als nur ein Verein. Klopp emotionalisiert, er peitscht auf, reißt Sprüche. Jetzt soll der erste Titel folgen. Ansonsten droht doch noch ein Finaltrauma.
Die voraussichtlichen Aufstellungen
Liverpool: Mignolet - Clyne, Lovren, Kolo Toure, Moreno - Can, Milner - Lallana, Roberto Firmino, Coutinho - Sturridge. - Trainer: Klopp
Sevilla: Sergio Rico - Mariano, Rami, Carrico, Escudero - Krychowiak, Nzonzi - Coke, Banega, Votolo - Gameiro. - Trainer: Emery
Schiedsrichter: Jonas Eriksson (Schweden)
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