Irgendwie war es tpyisch Jose Mourinho. Als Petr Cech im Januar verkündete, seinen Vertrag beim FC Arsenal nicht zu verlängern und am Saisonende seine Karriere zu beenden, kam 'The Special One' nicht umhin, bei der Huldigung seines ehemaligen Schützlings auch sich selbst ein paar Lorbeeren zuzustecken.
"Ich fühle mich geehrt, der Trainer zu sein, der Petr in so jungen Jahren zur Nummer eins bei einem Premier-League-Top-Klub gemacht hat", sagte Mourinho bei Sky Sports News. Fast 15 Jahre ist jene Amtshandlung Mourinhos jetzt her. Mitte August 2004 feierte der inzwischen 37-jährige Cech, der am Mittwoch (21 Uhr live auf DAZN) im Europa-League-Finale ausgerechnet gegen den FC Chelsea sein allerletztes Spiel absolvieren wird, sein Debüt für die Blues in der Premier League.
Es war ein 1:0-Sieg gegen Manchester United, Torschütze Eidur Gudjohnsen. Cech war wenige Wochen zuvor von Stade Rennes gekommen, zeitgleich mit Mourinho, der den FC Porto gerade zum Champions-League-Triumph geführt hatte und sich nun anschickte, die Insel zu erobern.
Schaut man sich das damalige Team Chelseas an, wird einem bewusst, wie lange Cech nun schon auf höchstem Niveau dabei ist: John Terry war zwar bereits Kapitän, aber erst 23 Jahre jung. Frank Lampard und Didier Drogba kamen gerade erst ins beste Fußballeralter und Arjen Robben war ein 20-jähriger Youngster, der mit hohen Erwartungen aus Eindhoven nach London gewechselt war.
Gleich in seiner ersten Saison holte Cech mit Chelsea die englische Meisterschaft, ein Jahr später wiederholte er das Kunststück. Der Tscheche, der zu Blues-Besitzer Roman Abramowitsch eine besondere Beziehung pflegte, entwickelte sich zu einem der besten und angesehensten Torhüter der Welt. Einer, den schon immer auch eine intelligente Reflexion auszeichnete: "Schauen Sie sich Real Madrid an. Sie kaufen mehr Stars als Chelsea. Aber eben nur Namen und keinen Erfolg. Man muss ein Team sein", sagte Cech 2005 in einem Interview, angesprochen auf die mitunter kursierende Meinung, Chelsea habe sich die Erfolge mit den Abramowitsch-Millionen einfach erkauft.
Petr Cech war zehn Jahre lang Nummer eins bei Chelsea
Zehn Jahre lang war Cech die unumstrittene Nummer eins der Blues. Der größte Schockmoment jener Zeit war der Schädelbasisbruch, den er sich im Oktober 2006 beim Auswärtsspiel in Reading zuzog. Erst wenige Augenblicke waren gespielt, als Readings Stephen Hunt Cechs Kopf bei einem heftigen Zusammenprall mit dem Knie erwischte. "Das hätte auch anders ausgehen können", erinnerte sich der Keeper mal bei Sky Sports. "Die Ärzte wollten mich nicht verängstigen und ich habe auch nicht viel nachgefragt. Aber meiner Frau ging es damals gar nicht gut. Für sie war die Erfahrung tausendmal schlimmer als für mich selbst."
Cech schwebte in Lebensgefahr. Bryan English, damaliger Chelsea-Arzt, erkannte glücklicherweise den Ernst der Lage und schickte Cech zu einem Spezialisten in ein Krankenhaus in Oxford, der dem 124-fachen tschechischen Nationalspieler bei einer Not-OP in der Nacht nach dem Spiel das Leben rettete. "Ein paar Knochenteile wurden ziemlich tief reingeschoben, das war die größte Gefahr", erklärte Cech. Die linke Hälfte des Gehirns, ein wichtiger Teil des Bewegungszentrums, war daher bedroht. "Alles hätte passieren können."
Die Not-OP verlief gut, zwei Metalplatten wurden fixiert. Doch drei Tage lang lag er im Koma, erholte sich dann erst sehr langsam. "Am Anfang hatte ich sogar Probleme mit dem Sprechen, jedes Wort kam falsch heraus. Ich hatte fürchterliche Kopfschmerzen. Die Medikamente halfen zwar, aber an manchen Tagen war ich zu fertig, um überhaupt irgendetwas zu machen. Schon länger als fünf Minuten fernzusehen, war hart", sagte er. Cech lernte, genau auf seinen Körper zu hören, geduldig zu sein, sich Pausen zu gönnen. Bevor er seine Reha beginnen konnte, lieh ihm Abramowitsch für eine Woche seine Yacht, gemeinsam mit dem damals ebenfalls verletzten Arjen Robben und ihren Frauen segelte er von Nizza nach Italien, ging Tauchen und legte abends in Häfen an, um schick Essen zu gehen. "Es war einfach idyllisch", erinnert sich Cech.
Petr Cech: Comeback gegen den Rat der Ärzte
Die Ärzte hatten ihm eigentlich geraten, für den Rest der Saison nicht mehr zu spielen. Doch Cech stand schon knapp drei Monate später, beim Auswärtsspiel in Liverpool, wieder auf dem Platz. "Ich hatte meiner Frau gesagt, dass ich nur zur Unterstützung des Teams mitfahre. Doch dann fragte mich der Trainer: 'Willst du nur zum Zuschauen hin oder willst du spielen? Deine Entscheidung.' Und ich sagte: 'Okay, lass es uns probieren'."
Cech spielt seither mit einem Schutzhelm, der längst Kultstatus erreicht hat. Und wie schnell und beinahe selbstverständlich Cech zurückkam, nachdem er um sein Leben hatte fürchten müssen, kann gar nicht genug bewundert werden. Cech, der neben Tschechich auch fließend Englisch und Portugiesisch sowie etwas Spanisch spricht, erklomm mit seinem Helm weiter eine Entwicklungsstufe nach der anderen. 207-mal in seinen insgesamt 443 Premier-League-Einsätzen blieb er ohne Gegentor - einsame Spitze. Viermal wurde er englischer Meister, fünfmal Pokal- und dreimal Ligapokalsieger, gewann 2013 die Europa League.
Der größte Erfolg ist aber der Champions-League-Triumph 2012. Vier Jahre zuvor, 2008, hatten die Blues das Finale der Königsklasse trotz Cechs gehaltenem Elfmeter von Cristiano Ronaldo noch gegen Manchester United verloren. Nun, in der Münchener Allianz Arena, sollte es anders laufen. Und Cech, seinerzeit mit 30 auf dem Zenit seines Schaffens, nahm eine Schlüsselrolle ein.
CL-Finale 2012: Als Petr Cech endgültig zum Chelsea-Helden wurde
Drogba hatte die Engländer in die Verlängerung gerettet. Bayern, angepeitscht von den heimischen Fans, war stärker, erhielt kurz nach Anpfiff der Extra-Time einen Strafstoß. Arjen Robben trat an. Ausgerechnet er, Cechs früherer Teamkollege an der Bridge, der ihn bei einem fast dreistündigen Videostudium der Elferschützen des FCB mit Torwarttrainer Christophe Lollichon entnervt hatte, weil man bei ihm keinerlei Muster erkennen konnte. Also setzte Cech auf gesunden Menschenverstand.
"Wenn Spieler müde sind, setzen sie eher auf Kraft als auf Technik und Präzision. Ich dachte, er würde sicher fest in eine Ecke schießen. Und wenn ich wie er Linksfuß wäre, würde ich nach rechts schießen. Daher sprang ich dort auch hin", erklärte er dem Guardian. Er hatte genau den richtigen Instinkt, begrub Robbens hart getretenen Ball schließlich unter sich. Später ging es ins Elfmeterschießen, Cech parierte den Versuch von Olic, Schweinsteiger traf den Pfosten - und Chelsea stemmte den Henkelpott in die Höhe.
Es war mit Sicherheit der krönende Augenblick der Ära, die Cech bei den Blues prägte. Deren Ende läutete dann der ein, der sie einst entscheidend mit auf den Weg gebracht hatte: Jose Mourinho. Der Portugiese, von 2013 bis Ende 2015 noch einmal Chelsea-Coach, entschied sich im Sommer 2014 für Thibaut Courtois, der just von einer dreijährigen Leihe zu Atletico Madrid zurückkehrte und langfristig ohnehin schon als Cechs Nachfolger galt.
Petr Cech: Leistungsdaten 2018/19
Wettbewerb | Spiele | Gegentore | Weiße Westen |
Premier League | 7 | 9 | 2 |
Europa League | - | - | - |
FA Cup | 2 | 3 | 1 |
EFL Cup | 2 | 3 | - |
Der Altmeister blieb noch ein Jahr, stellte sich dem Konkurrenzkampf. Doch Courtois war so stark, dass Cech 2015 eigentlich nur eine Entscheidung treffen konnte. Er war mit 33 für einen Torhüter immer noch in einem guten Alter. Und er hatte selbst erlebt, wie sein einstiger Back-Up, der Italiener Carlo Cudicini, einige seiner besten Jahre tatenlos auf der Bank verbrachte. Ein Schicksal, das Cech für sich unbedingt vermeiden wollte.
"Ich dachte, das würde niemals passieren, aber es ist Zeit für mich, dem Chelsea Football Club 'Auf Wiedersehen' zu sagen", schrieb Cech seinerzeit bei Twitter. "Dem Klub, für den ich seit meiner Ankunft im Juli 2004 jede einzelne Minute gelebt habe. Dem Klub, von dem ich dachte, ich würde bei ihm eines Tages meine Karriere beenden. Aber das Leben läuft eben nicht immer so, wie man es sich vorstellt."
Petr Cech: Noch ein Titel mit Arsenal
Einen ganz besonderen Dank richtete er damals an Abramowitsch, der ihn ein Jahr vor Ablauf seines Vertrages für 14 Millionen Euro zum Stadtrivalen Arsenal gehen ließ. Die Fans der Blues nahmen ihm den Wechsel zu den Gunners nicht übel. Stattdessen war der Tenor: Wenn 'Big Pete' glücklich ist, sind wir auch glücklich.
Nun macht Cech also endgültig Schluss. Drei Jahre lang war er die Nummer eins bei Arsenal, ehe ihn ein ähnliches Schicksal ereilte wie bei Chelsea und er von einem Jüngeren, von Bernd Leno, verdrängt wurde. Seit Oktober vergangenen Jahres vertraut der neue Trainer Unai Emery dem deutschen Keeper in der Premier League, in den Pokalwettbewerben durfte Cech aber weiterhin das Tor hüten.
"Ich werde bis zuletzt hart für Arsenal arbeiten, um am Ende dieser Saison hoffentlich noch eine weitere Trophäe gewonnen zu haben", schrieb Cech, als er im Januar das Ende seiner Laufbahn ankündigte. Seinen ersten Titel mit Arsenal hatte er gleich in seinem ersten Einsatz für die Nord-Londoner gewonnen, den Community Shield 2015 - ausgerechnet gegen Chelsea.
Mit dem FA Cup und dem erneuten Gewinn des Community Shield kamen 2017 noch zwei weitere Arsenal-Titel hinzu. Beide Male hieß der Gegner im entscheidenden Duell - wie sollte es anders sein - erneut Chelsea. Beim Community Shield 2017 hielt er im Elfmeterschießen den Strafstoß von Alvaro Morata und auch Courtois, der ihn bei den Blues verdrängt hatte, vergab seinen Versuch.
Arsenal: Europa League als Tor zur Champions League
Ob Cech am Mittwoch nun spielt oder Emery doch noch auf Leno setzt, ist indes noch offen. Immerhin geht es nebem dem Europa-League-Pokal auch noch um die Qualifikation für die Champions League, die Arsenal als Fünfter in der Liga verpasst hatte. Die Gerüchte, Cech solle ab Sommer den Posten des Sportdirektors bei seinem Ex-Klub Chelsea übernehmen, heizten die Diskussionen über die Besetzung der Torwartposition jedenfalls weiterhin an, wenngleich Cech nach den Meldungen beteuerte, sich aktuell ausschließlich auf das Endspiel zu konzentrieren.
Und als würden sich alleine ob der Paarung nicht schon genug Kreise schließen, meldete sich auch Mourinho mal wieder zu Wort. "Wenn er sich ein Spiel aussuchen könnte, um seine Karriere zu beenden, würde er wohl dieses wählen. Und natürlich will er mit einem Sieg aufhören, weil er ein Gewinner ist", sagte er und schob noch eine Vermutung hinterher, die alle Arsenal-Fans besonders dieser Tage vor den Kopf stoßen dürfte: "Es sieht danach aus, dass er nächste Saison nach Hause kommt - und Zuhause ist Chelsea."