"Im Halbfinale, mit nur 23 Jahren. Er war Chelseas bester Spieler. Er hat grandios gespielt." Lobende Worte für Ruben Loftus-Cheek nach dem Halbfinal-Hinspiel gegen die Eintracht, von niemand Geringerem als Ex-Nationalspieler Owen Hargreaves. "Für seinen Auftritt heute Abend verdient er ein Sonderlob", sagte Hargreaves bei BT Sport.
Tatsächlich war der hochgewachsene Mittelfeldspieler in Frankfurt vor einer elektrisierenden Atmosphäre bester Mann auf dem Platz. Loftus-Cheek gab die meisten Torschüsse ab, führte die meisten Zweikämpfe und gewann starke 61 Prozent davon. Zudem gelang ihm etwas, was im Europapokal in dieser Saison bislang nur Lionel Messi vorweisen konnte: "RLC" gewann enorme neun Offensiv-Dribblings. Oh, und Pedros Treffer zum 1:1 bereitete er natürlich auch vor.
Einen Vergleich bemühte Hargreaves an diesem Abend nicht, dabei wäre er eigentlich prädestiniert dafür. Schließlich hatte er bei Bayern München vier Jahre mit jenem Mittelfeldspieler zusammengespielt, der auf der Insel als Vergleich für Loftus-Cheek herangezogen wird. Macht nichts, zitieren wir eben den früheren Chelsea- und Three-Lions-Manager Glenn Hoddle: "Er erinnert mich in seiner Spielweise und seiner Physis an Michael Ballack. Er bewegt sich sehr gut und sucht den Weg in den Strafraum."
Steckbrief: Das ist Ruben Loftus-Cheek
Alter | 23 |
Körpergröße | 1,91 m |
Starker Fuß | rechts |
Geburtsort | Lewisham |
Einsätze 2018/19 | 38 |
Tore | 9 |
Vorlagen | 5 |
Länderspiele | 10 |
Ruben Loftus-Cheek: Ein Spielertyp wie Michael Ballack
Diesen Michael Ballack verfolgte Loftus-Cheek vor gut einem Jahrzehnt aus der Nähe, als er die Jugendmannschaften der Blues durchlief und Ballack an der Seite von Frank Lampard, John Terry und Co. in vier Jahren insgesamt sieben Titel gewann. "Ich habe mir seinen Stil angeeignet, vor allem wenn ich in der Jugend und auch heute noch manchmal auf der Acht spiele", sagt Loftus-Cheek - wobei sein Lieblingsspieler in jungen Jahren eigentlich Zinedine Zidane war: "Er war nicht der stärkste oder schnellste Spieler, aber am Ball war er überragend, immer ruhig und abgeklärt."
Auf dem Platz sind Loftus-Cheeks Ähnlichkeiten zu Ballack unverkennbar. Der Engländer hat die gleiche Statur wie der "Capitano" und bringt so eine enorme Körperlichkeit ins Spiel. Die gleichen raumgreifenden Schritte, und dennoch ist er äußerst geschmeidig am Ball, wie die Frankfurter feststellen mussten, die er am vergangenen Donnerstag mehrfach stehen ließ.
Mit seinen Fähigkeiten scheint Loftus-Cheek tatsächlich der geborene Achter zu sein, auch wenn ihn sich Ex-Chelsea-Manager Antonio Conte aufgrund seiner guten Technik und den Fähigkeiten im Eins-gegen-eins auch als Stürmer vorstellen konnte. Ein Box-to-box-Spieler, der das zentrale Mittelfeld kontrolliert und immer wieder mit zum gegnerischen Strafraum vorstößt. Einer aus der Tradition eines Ballack, Lampard oder Essien. Einer aus der eigenen Jugend, der dabei ist, sich an der Stamford Bridge zum Publikumsliebling zu mausern. Und zum Führungsspieler der Zukunft werden könnte. Wären da nicht zwei Probleme.
Loftus-Cheek beim FC Chelsea - Problem 1: Der Rücken
Ruben Loftus-Cheeck hat Rücken. Und zwar seit Jahren. "Cheeky", wie er von seinen Teamkollegen genannt wird, hat eine Verformung der Wirbelsäule im unteren Rücken, die ihn immer wieder außer Gefecht setzt - und das schon, seit er 17 Jahre alt ist. "Ich glaube nicht, dass ein Eingriff nötig ist", sagte sein Trainer Maurizio Sarri nach dem Hinspiel gegen Frankfurt. "Ich glaube, dass er damit länger Probleme haben wird, wahrscheinlich für den Rest seiner Karriere. Aber um eine Operation kommen wir herum."
Loftus-Cheek selbst, der nach eigener Aussage trotz imposanter Statur weitestgehend auf Krafttraining verzichtet, arbeitet mit den Klub-Physios daran, die Ursache für seine Probleme zu finden: "Wann immer ich etwas spüre, versuchen wir, Ursachen auszuschließen." Mittlerweile versucht er es mit Yoga: "Ich bin zwar nicht sehr gut, aber irgendwo muss man ja anfangen."
Ob es nun am Yoga liegt oder nicht: Derzeit hat Loftus-Cheek eine gute Phase, was seinen Rücken angeht. "Im letzten Monat konnte er jeden Tag trainieren", lobte Sarri, "das ist für uns sehr wichtig. In Deutschland hat er bis zu seinen Krämpfen sehr gut gespielt. Das freut mich für ihn."
Loftus-Cheek beim FC Chelsea - Problem 2: Zu wenige Minuten
Den lobenden Worten Sarris zum Trotz: So ganz hat Loftus-Cheek die Gunst seines Übungsleiters noch nicht erobert. Wenige Tage nach seinem dominanten Auftritt gegen die Eintracht saß er gegen Watford, im Kampf um die Champions-League-Qualifikation, wieder auf der Bank. Eingreifen durfte Loftus-Cheek erst nach einer Verletzung von N'Golo Kante. Er kam, sah und köpfte das Tor zum 1:0. Anschließend lobte ihn Sarri als "kompletten" Mittelfeldspieler.
Die Einwechselbank, sie verfolgt Loftus-Cheek schon seit Jahren. Wie so viele Jungprofis aus Chelseas Talentschmiede, man denke nur an Callum Hudson-Odoi, hatte er es schwer, auf Einsatzzeiten zu kommen. Zu viele hochpreisige Topstars im Kader, zu viel Chaos im Klub, zu viele Trainerwechsel.
Nach 31 Einsätzen bei den Profis über einen Zeitraum von drei Jahren schlug Loftus-Cheek den Weg so vieler Blues-Talente ein und ließ sich 2017 für ein Jahr zu Crystal Palace verleihen. Dort zeigte er gute Leistungen, mauserte sich zum Stamm- und sogar zum Nationalspieler. Unter Gareth Southgate patroullierte er die Mitte des Feldes, fuhr mit zur WM und kam auf immerhin 274 Spielminuten in vier Einsätzen. Angetan holte ihn Chelsea im vergangenen Sommer zurück.
Doch der launische Sarri wusste mit Loftus-Cheek nicht viel anzufangen. Im Herbst schaffte es der Jungstar nur selten in den Kader, dann schob ihn Sarri im Mittelfeld mal nach links, mal nach rechts - und plötzlich schaute er wieder zu. Seit Ende Januar spielt Loftus-Cheek wieder regelmäßig, und das auch in der Zentrale. Nur durchspielen, das darf er ganz selten. 38 Einsätze klingen erst einmal super, 23 davon in der Liga - aber eben mit 18 Einwechslungen. 14 Spieler im Kader kommen 2018/19 auf mehr Minuten als er.
Transfersperre bei Chelsea: Loftus-Cheek muss bleiben
Loftus-Cheek gibt sich als Teamplayer. "Sarri ist ehrlich zu mir, das war er die ganze Saison über. Er hat mir gesagt, wo ich mich noch verbessern und dass ich hart arbeiten muss." Im Pressing und in Sachen Übersicht habe er sich steigern müssen. "Jetzt werde ich immer fitter, weil ich mehr spiele, und so werde ich auch besser."
Auf eine Verlängerung des bis 2021 laufenden Vertrags hat er sich mit den Blues allerdings noch nicht einigen können. Nicht, weil Chelsea es nicht wollen würde, spätestens nach der jetzt bestätigten Transfersperre. Wie Hudson-Odoi will Loftus-Cheek aber erst einmal sehen, wo die Reise hingeht, wo seine Minuten herkommen sollen, ob der Trainer bleibt, und so weiter.
Selbst wenn man sich nicht einigen sollte: In diesem Sommer wird ihn Chelsea auf keinen Fall gehen lassen, vielleicht 2020 für eine entsprechende Ablösesumme. Aber es könnte sich ja auch alles in Wohlgefallen auflösen, wenn Eden Hazard seinen Weg zu Real Madrid findet - und plötzlich ein Platz im zentralen Mittelfeld frei würde.