Nach Bayer Leverkusens höchstem Europacup-Sieg herzte Trainer Peter Bosz noch auf dem Rasen jeden einzelnen Spieler. Freudestrahlend marschierte der Niederländer danach in die Katakomben der "Festung" BayArena.
Das 6:2 (2:1)-Schützenfest zum Europa-League-Auftakt gegen OGC Nizza verschaffte den Rheinländern 73 Tage nach ihrem Viertelfinal-Aus im "kleinen Europapokal" gleich zu Beginn eine glänzende Ausgangsposition für den Weg zum klaren Ziel K.o.-Runde.
"Wir haben nach ein paar Problemen das Spiel komplett in die Hand bekommen. Die Chancen haben wir uns herausgespielt und erarbeitet, was uns in den vorherigen Spielen noch nicht so gut gelungen war. Wir waren aber auch mutiger als zuletzt", resümierte Leverkusens Kapitän Lars Bender nach dem Torfestival gegen den vermeintlich stärksten Gegner der Werkself in der Gruppe C.
Das halbe Dutzend Treffer durch Nadiem Amiri (11.), Lucas Alario (16.), Moussa Diaby (61.), den eingewechselten Karim Bellarabi (79. und 83.) und Florian Wirtz (87.) bedeutete trotz der Gegentreffer von Amine Gouiri (31.) und Alexis Claude-Maurice (90.) einen Europa-Rekord für die Werkself.
Leverkusens zuvor höchster Sieg in einem internationalen Wettbewerb war im Dezember 2018 ein 5:1 gegen AEK Larnaka. Zudem ist die Bosz-Elf auf eigenem Platz nun seit 13 Europacup-Spielen ungeschlagen.
Bei aller angebrachten Zufriedenheit war für Bosz jedoch nicht alles Gold, was glänzte. "Wir haben schöne Tore gemacht, aber es war nicht alles so gut, wie viele es sagen. Doch vor allem habe ich viele gute Sachen gesehen und viel Bewegung in der Offensive", sagte der Niederländer.
Bayer Leverkusen unterstreicht Völlers Anspruch
Sport-Geschäftsführer Rudi Völler hatte das Ziel der Rheinländer vor Spielbeginn deutlich formuliert. "Der Anspruch ist auf jeden Fall, in die K.o.-Runde einzuziehen. Das ist ganz klar", sagte der Ex-Weltmeister bei Sky Sport News.
Bei strömendem Regen und tiefem Rasen taten sich die Platzherren in den Anfangsminuten jedoch schwer mit den tiefstehenden Gästen. Die Idee von Nizzas Trainer Patrick Vieira, der sein Debüt auf internationaler Bühne als Coach feierte, wurde jedoch schnell durchkreuzt.
Der viermalige französische Meister, den der frühere Welt- und Europameister 2018 von Borussia Dortmunds heutigem Trainer Lucien Favre übernommen hatte, wurde durch die schön herausgespielten Treffer von Amiri und Alario völlig aus dem Konzept gebracht.
Bayer wirkte danach wie entfesselt. Das Bosz-Team agierte im Vergleich zu den vorherigen Bundesliga-Spielen deutlich verbessert und scheiterte mehrfach nur an Nizzas glänzendem Keeper Walter Benitez. Dann ließ der Regen nach und Leverkusen auch - vor allem defensiv: Nach Gouiris Anschlusstor hatte Bayer auch Glück, dass Hassane Kamara (41.) knapp verzog.
Nizza hatte aber neuen Mut geschöpft, und der frühere Bundesliga-Star Dante feuerte vor Wiederanpfiff seine Teamkollegen mit einem lauten "Allez les blancs" (Auf geht's, ihr Weißen) weiter an. Es half zunächst: Leverkusen hatte zwar mehr Ballbesitz - doch Nizza die Chance: Gegen den überzeugenden Gouiri (54.) verhinderte Bayer-Schlussmann Lukas Hradecky den Ausgleich.
In der Folge drückte Bayer, und die Südfranzosen versuchten zu kontern. Nach Diabys Treffer aber brach Nizzas Defensive fast völlig zusammen und leistete kaum noch nennenswerte Gegenwehr.