"Wir können das Spiel als gutes Beispiel nehmen, wie es in der Champions League wird", sagte Mauricio Pochettino. Es war für den Trainer von Tottenham Hotspur offensichtlich ein gutes Lehrbeispiel für die weitere Entwicklung seines Teams, am Donnerstagabend bei Borussia Dortmund aufgelaufen zu sein.
Pochettinos Spurs wurden im Signal Iduna Park 90 Minuten an die Wand gespielt und verloren mit 0:3 beim BVB. Bleibt die Frage, weshalb der argentinische Coach in seinem 100. Spiel als Tottenham-Trainer gleich sieben Spieler im Vergleich zum letzten Ligaspiel austauschte und einige Leistungsträger auf der Bank schmoren ließ.
Am Wochenende muss man schließlich bei Aston Villa ran - und die sind mit weitem Abstand die schwächste Truppe der Premier League. Dies sei ein sehr großes Spiel für die Spurs, war jedoch Pochettinos überraschende Begründung.
17 Siege in 20 Heimspielen
Nicht zuletzt nach dieser Aussage hat es den Anschein, dass die Nord-Londoner für die Rest-Saison ihr Hauptaugenmerk ausschließlich auf die Qualifikation zur Königsklasse legen. Dies kam den Dortmundern natürlich zu Gute, doch die Elf von Thomas Tuchel legte eine solche Vorstellung aufs Parkett, dass man wohl auch gegen Tottenhams beste Mannschaft gut ausgesehen hätte.
2016 läuft die BVB-Maschine weiterhin in allen Belangen auf Hochtouren. Drei Gegentore setzte es für die Borussia in den bisherigen zwölf Pflichtspielen in diesem Jahr, gleich neun Mal kassierte man kein Gegentor. Im heimischen Stadion bleibt Dortmund eine Macht, 17 Siege in 20 Partien bei 64 geschossenen Toren stehen mittlerweile zu Buche.
Diese Zahlen beeindrucken, doch so tun es längst auch die gesamte Spielanlage und professionelle Seriosität, die Tuchel seinem Team eingetrichtert hat. Dortmund ist in der Lage, auf den Punkt Leistung abzuliefern - unabhängig vom jeweiligen Gegner.
Dortmund wirkt immer frisch
Das ist in dieser Konstanz insofern erstaunlich, als dass die Spieler trotz der ständigen englischen Wochen immer frisch wirken. Die Belastungssteuerung beim BVB funktioniert in dieser Saison sehr gut, es gibt kaum langfristige Ausfälle zu beklagen.
Ob es gegen eine mit Selbstvertrauen vollgepumpte Stuttgarter Mannschaft, auf schwierigem Geläuf in Darmstadt oder gegen den bislang stärksten Kontrahenten FC Bayern ist, Tuchels Team passt sich Spiel für Spiel den Gegebenheiten an und bringt in steter Regelmäßigkeit seine Stärken auf den Rasen.
Trotz des relativ engen Kaders sitzen die spieltaktischen Abläufe mittlerweile auch in unterschiedlicher Besetzung. Vor einigen Wochen noch hatte der BVB beispielsweise große Schwierigkeiten, ohne den eminent wichtigen Taktgeber Ilkay Gündogan spielerische Lösungen gegen einen kompakten Gegner wie den FC Ingolstadt zu finden.
Durm einer der Gewinner
Gegen die Spurs fehlte Gündogan erneut, der nur zwei Mal in den letzten sieben Partien eingesetzte Gonzalo Castro erfüllte dessen Rolle jedoch ohne jeglichen Qualitätsverlust. Während dagegen ein Shinji Kagawa zuletzt zwischen Tribüne, Bank und Startelf pendelte, avanciert der lange verletzte Erik Durm zum Gewinner der letzten Wochen. Durm hat sich zügig die nötige Wettkampfhärte antrainiert und glänzt derzeit in Rollen, die er zuvor noch nie bekleidet hatte. Dies findet selbst Tuchel "erstaunlich", doch es funktioniert schlichtweg.
Tuchel spricht wiederkehrend davon, sich von den jeweiligen Gegnern und deren personellen Konstellationen frei zu machen, um die einzelnen Herausforderungen zu bestehen und die eigene Qualität kontinuierlich zu verbessern.
In diesen Tagen setzt seine Mannschaft diese Vorgaben nahezu mühelos um. Die Truppe verteidigt mutig und aggressiv nach vorne, das Pressing besticht durch eine gute Abstimmung und Entschlossenheit. Die defensive Stabilität hat sich gegenüber der Hinrunde um ein Vielfaches erhöht.
3:0 - EL-Rekord eingestellt
Im Offensivspiel holt man sich die nötige Sicherheit durch ein präzises Passspiel, das die eigenen Angriffe gut vorbereitet und strukturiert. Hinzu kommt eine enorme Variabilität und Zielstrebigkeit im vorderen Drittel.
Das Trio um Henrikh Mkhitaryan, Marco Reus und Pierre-Emerick Aubameyang legt nicht nur viele Treffer auf oder schießt sie selbst, durch ein (taktisch) flexibles Anlaufen manipuliert es auch früh die gegnerische Spielauslösung.
Sinnbildlich für die Dortmunder Leichtigkeit und Dominanz steht das 3:0 gegen die Spurs, dem 21 aneinander gereihte BVB-Pässe vorausgingen. Damit wurde der Rekord in dieser Europa-League-Saison eingestellt.
"Es war eine fast perfekte Leistung"
Offen bleibt lediglich, ob sich der BVB auch im Saisonendspurt so griffig präsentieren kann. Das letzte Drittel einer bereits jetzt schon anstrengenden Spielzeit ist nun zu absolvieren. Um den eingeschlagenen Weg womöglich mit einem Titel zu krönen, sind noch ein langer Atem und konstante Physis erforderlich.
"Es war eine fast perfekte Leistung", lobte Tuchel nach der Partie. Im Vorfeld machte in den sozialen Medien der offizielle Hashtag für das Spiel die Runde. #BVBTOT hieß es da, die User schmunzelten reihenweise.
Nicht erst am Donnerstagabend, aber vor allem auch da, machte Borussia Dortmund deutlich, dass es unter Thomas Tuchel vielmehr #BVBLEBT heißen müsste.
Zahlen & Statistiken: Borussia Dortmund - Tottenham Hotspur