Ein leerer Blick, ein paar tiefe Atemzüge, Jürgen Klopp hatte schwer zu kämpfen in diesem Moment. Der 48-Jährige ist ein Meister der Pressekonferenzen, nur wenige Trainer weltweit beherrschen den Umgang mit den Medien so gut wie er.
Nach der Finalniederlage im Baseler St. Jakob-Park war Klopp aber nicht gerade nach Späßen oder lockeren Sprüche zumute. Er suchte vielmehr den Schlüssel und die Erklärung für diese bittere Pleite und den Totalzusammenbruch seiner Mannschaft nach dem Seitenwechsel.
"Ich glaube nicht, dass es Gottes Plan ist, mich ständig in Endspiele zu schicken und mir dann einen drüber zu geben", sagte Klopp nach seiner fünften Endspielpleite in Folge.
Er kam in seinem mehrminütigen Monolog auf ein paar Schlüsselszenen zu sprechen: Die beiden Handspiele in der ersten Hälfte, wovon man mindestens das erste mit einem Elfmeter hätte ahnden müssen. Beide hatte der schwedische Schiedsrichter Jonas Eriksson als nicht strafbar eingestuft. Außerdem gab er ein umstrittenes, aber regelkonformes Tor für Sevilla und pfiff das vermeintliche 2:0 für Liverpool zurück.
Schock nach 17 Sekunden
Lauter Dinge, die er und sein Team nicht beeinflussen konnten. Klopp kam aber in seiner Analyse auch auf Themen zu sprechen, die durchaus im Verantwortungsbereich der Reds lagen. Der Ausgleich Sevillas nach 17 Sekunden in der zweiten Hälfte zum Beispiel, als Liverpool noch nicht wieder zum Verteidigen auf dem Platz war.
Durch diesen frühen Schock "haben wir jegliche Kompaktheit und das Zutrauen in unsere Spielweise verloren", sagte Klopp. "Wir haben unser Passspiel von schnell und einfach auf langsam und kompliziert umgestellt. Du hast wirklich gesehen, wie das Tor bei jedem Einzelnen eingeschlagen hat. Das zeigt einfach, dass wir noch nicht weit genug sind, um solche Dingen wegzustecken."
Hatte Liverpool in der ersten Halbzeit nur einen Schuss der Spanier zugelassen, waren es in Halbzeit zwei zehn. Die Reds selbst kamen nur noch auf fünf Abschlüsse (Halbzeit eins: acht). Außerdem sank die ohnehin schon schwache Zweikampfquote von 46 Prozent in Durchgang eins auf 40 Prozent. Sevilla agierte dagegen viel sicherer und klarer gegen das Liverpooler Pressing und schraubte die Passquote von 63 auf 76 Prozent.
Parallelen zum BVB
Dieses spezielle Situation des Finals zeigte für Klopp auch die Probleme des FC Liverpool in der Makroebene auf. Das Team ist noch im Umbruch, eingeleitete Maßnahmen greifen nur in einzelnen Abschnitten. Die zählbaren Erfolge in Form von Silberware blieben in dieser Saison aus, am Ende stehen zwei verlorene Finals (neben der EL verlor Liverpool auch im Capital-One-Cup Endspiel gegen Manchester City nach Elfmeterschießen) und das Verpassen des internationalen Geschäfts für die kommende Spielzeit. Trotzdem hat Klopp Phase eins seiner Arbeit in Liverpool zu seiner Zufriedenheit abgeschlossen.
Er hat das Team mitten in der Saison übernommen und ihm neben einer klaren Handschrift auch wieder einen Glauben in die eigene Stärke geschenkt. Der Mythos Liverpool und vor allem der Mythos Anfield Road leben wieder. Am heftigsten bekam diese emotionale Komponente ausgerechnet Borussia Dortmund zu spüren.
Es gibt sie also wirklich, diese Parallelen zum BVB, die bei Klopps Amtsantritt immer wieder beschworen wurden. Denn in einer ähnlichen Art und Weise hat der Trainer die Borussia 2008 aus ihrer Lethargie befreit und bereit gemacht für die Erfolge der kommenden Jahre - inklusive eines Last-Minute-K.o. im Kampf um die Europacupteilnahme.
Was passiert in Phase 2?
Klopp und Liverpool, das ist in den ersten acht Monaten gut zusammengewachsen. Beide Seiten haben sich aufeinander eingelassen und planen nun die nächsten Schritte für Phase zwei. "Es ist ja nicht so, dass wir eine Trümmertruppe zusammengestellt haben. Sie hat Geld gekostet. Trotzdem: Die Mannschaft hat in diesen sieben Monaten tolle Zeichen gesetzt und darauf müssen wir jetzt aufbauen", sagte Klopp.
Im Sommer werden neben dem bereits ablösefrei verpflichteten Joel Matip weitere Spieler nach Klopps Gusto hinzukommen. Allen voran womöglich Mario Götze, der bei seinem alten Förderer einen Neuanfang wagen könnte.
Es muss in dieser Gemengelage nicht unbedingt ein Nachteil sein, dass die Reds kommende Saison nicht international spielen und sich voll auf die Liga bzw. die Pokalwettbewerbe auf der Insel konzentrieren können, auch wenn der Erfolgsdruck dadurch natürlich etwas größer ist im zweiten Jahr.
Mit seiner ersten Vorbereitung in England vor der Brust und einer Transferperiode, in der er den Kader weiter nach seinen Ideen zusammenstellen kann, kann Klopp durchaus optimistisch in die Zukunft blicken. Und er ist sich sicher: "Wir werden stärker zurückkommen."
Daten & Statistiken: FC Liverpool - FC Sevilla