Eine logische Titelverteidigung

Von Thomas Jahn
Der letzte große Triumph der DFB-Frauen: EM-Sieg im September 2009 in Finnland
© Getty

Die erfolgreichste Frauenfußball-Nation der Welt lädt zur WM im eigenen Land und hat ein klar formuliertes Ziel: den dritten Titel in Folge. Bundestrainerin Silvia Neid schickt eine explosive Mischung aus Jung und Alt ins Rennen, um Fußball-Deutschland 2011 das nächste Sommermärchen zu bescheren. Schon jetzt herrscht große Vorfreude im Lager der DFB-Frauen.
 

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Wenn Oliver Kahn und Adriana Karembeu am Montagabend das letzte Land bei der Gruppenauslosung in Frankfurt aus dem Topf gezogen haben, dann wird das Fußball-Großereignis des kommenden Sommers für alle Teilnehmer langsam greifbar, nimmt Kontur an.

Auch Bundestrainerin Silvia Neid fiebert diesem Zeitpunkt entgegen. Gegenüber "DFB.de" sagte die 46-Jährige: "Ich bin gespannt, und ich freue mich darauf. Weil die Auslosung ganz konkrete Hinweise für unsere Arbeit liefern wird. Wir werden wissen, gegen wen wir in der Gruppenphase spielen werden und welche möglichen Konstellationen es im weiteren Turnierverlauf geben könnte. Wir werden uns nach der Auslosung über unsere Gegner informieren und ihre Spielerinnen analysieren."

Knapp 213 Tage bleiben Neid dann noch Zeit, den Kader auszuwählen, die sechs geplanten Lehrgänge durchzuführen, Gruppengegner zu studieren und ihre Spielerinnen in Form zu bringen.

213 Tage bis am 26. Juni 2011 zunächst im Berliner Olympiastadion und Sekundenbruchteile später in Millionen Wohnzimmern weltweit der Anpfiff zur Frauenfußball-WM in Deutschland erklingen wird.

Sommermärchen Re-Reloaded?

Sommermärchen Reloaded nennt der DFB das Vorhaben Titelverteidigung auf seiner Facebook-Page. Bezieht man diesen Begriff nicht allein auf das Männer-Turnier von 2006, sondern auf die vergangenen WM-Sommer der Fußball-Frauen, dann müsste es sogar Re-Reloaded heißen. Die deutschen Frauen triumphierten sowohl 2007 in China als auch 2003 in den USA und könnten die Rivalinnen aus den USA mit dem Titel-Hattrick überholen und so alleinige Rekordweltmeisterinnen werden.

Sowohl der Heimvorteil als auch die herausragenden Leistungen der vergangenen Jahre, zu denen auch fünf EM-Titel in Folge gehören, schreien geradezu nach Titelverteidigung. Ein weiterer Sieg scheint mehr die logische Konsequenz als nur ein Märchen zu sein. Auch das Team selbst legt vorab keine falsche Bescheidenheit an den Tag: "Wir wollen Weltmeister werden. Die Öffentlichkeit erwartet das sowieso, davon unabhängig haben wir das aber auch als unser Ziel definiert", erklärt Kapitänin Birgit Prinz auf der Verbands-Homepage.

Prinz, die stolze 128 Treffer in ihren 208 DFB-Einsätzen erzielte, steht stellvertretend für die goldene Generation des deutschen Frauenfußballs. Sie und elf weitere Weltmeisterinnen von 2007 bilden nach wie vor das Gerüst des Kaders. Darunter Spielerinnen wie Rekord-Torfrau Nadine Angerer (WM-Titel ohne Gegentor), Linda Bresonik oder Ariane Hingst. Trotz aller Erfolge zeigt sich die erfahrene Garde weiter extrem titelhungrig. "Wenn man einmal Weltmeister geworden ist, dann weiß man beim nächsten Mal, wie toll das Erlebnis ist. Man weiß, wie gut sich das anfühlt. Dementsprechend motiviert einen das für die nächsten Turniere", sagte Kerstin Garefrekes.

Konkurrenz belebt das Geschäft

Neben den arrivierten Spielerinnen drängt aber auch eine neue Generation junger Talente ins Team. Nachwuchskräfte wie U-20-Weltmeisterin und WM-Torschützenkönigin Alexandra Popp, Verena Faißt, Dzsenifer Marozsan oder Josephine Henning sorgen so für Konkurrenzkampf. "Eine gesunde Mischung", findet Nationalspielerin Lena Goeßling, die die allmähliche Verjüngung des Kaders als notwendigen Schritt betrachtet.

Und dieser Kader scheint, glaubt man der Bundestrainerin, schon weitgehend festzustehen. "Derzeit glaube ich nicht, dass ich bei der Nominierung eine Überraschung parat habe, wie sie zum Beispiel Jürgen Klinsmann vor der WM 2006 mit David Odonkor hatte", verrät sie. Neid glaubt, alle für das Turnier in Frage kommenden Spielerinnen bereits jetzt getestet zu haben, da die aktuellen Nationalspielerinnen "die Meßlatte ziemlich hoch gelegt" hätten.

Gerade in der Schaltzentrale im Mittelfeld hat Neid die Qual der Wahl. Für die Schnittstelle zwischen Abwehr und Angriff bieten sich Spielerinnen wie Simone Laudehr, Ariane Hingst, Linda Bresonik, Kim Kulig, Lena Goeßling oder Jennifer Zietz an. Viele Optionen, wenige Plätze: Flexibilität ist also Trumpf für jede Spielerin im deutschen Kader. "Mit so viel Qualität in der Mannschaft steigt das Niveau der Trainingsarbeit. Denn jede Spielerin will sich beweisen, jede will ein bisschen mehr geben als die andere, und so kitzelt jede ein bisschen mehr aus sich heraus", meint Laudehr.

Gute Aussichten

Welche 21 Spielerinnen Neid am Ende ins Rennen schickt, bleibt vorerst ihr Geheimnis. Dennoch ist schon jetzt klar, dass es dabei nicht um einzelne Personen, sondern um das große Ganze gehen wird. Kollegialität trotz Konkurrenzkampf lautet das Credo des homogenen Teams. Und egal wie die WM am Ende ausgehen mag, der Frauenfußball in Deutschland wird davon enorm profitieren und die Professionalisierung weiter vorantreiben, die er seit der Aufhebung seines Verbots 1970 anstrebt.

"Ich habe die Anfänge in den 70er-Jahren ja selbst miterlebt. Da waren Frauenspiele sicher nicht der ganz große Leckerbissen. Inzwischen aber kann man sich auch als Mann nicht nur die Spiele der Nationalmannschaft, sondern auch die Bundesliga- und Zweitligabegegnungen sehr gut anschauen", meint Rudi Völler.

Und das finden auch die Zuschauer. Bereits 350.000 WM-Tickets wurden bislang verkauft - und die anfänglichen Zweifel, dass die bewusst ausgewählten großen Arenen leer bleiben könnten, scheinen sich nicht zu bestätigen. Team-Managerin Doris Fitschen hat diesen Umstand mit Freude registriert und spricht stellvertretend für eine ganze Fußballnation, wenn sie sagt: "Wir sind guter Dinge, dass wir auch bei der Frauen-WM 2011 ein kleines Sommermärchen erleben werden."

Kerstin Garefrekes im Porträt: Zwischen Sozialamt und WM

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