Maren Meinert: Ich war sieben Jahre alt, als ich in der F-Jugend mit dem Fußballspielen anfing. Vorher spielte ich immer im Hof mit den Nachbarskindern. Irgendwann sprach mich der Vater eines Mitspielers an, der Jugend-Trainer war und nahm mich mit zum Training zum SV Schwafheim. Ich war das einzige Mädchen in der Mannschaft, bis ich dreizehn Jahre alt war.
SPOX: War das nicht manchmal komisch für Sie, als einziges Mädchen in einem Team zu spielen?
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Meinert: Nein. Als kleines Mädchen nimmt man die Geschlechterunterschiede nicht wahr. Für mich war es das Normalste auf der Welt.
SPOX: Woher rührte Ihr Interesse am Fußball?
Meinert: Mein Vater und mein Bruder spielten beide Fußball. In unserem Garten hatten wir damals zwei Tore aufgestellt. An einem Sonntag spielte die ganze Familie dort. Man kann sagen, dass das Fußballspielen im Garten immer eine große Familienfeier war.
SPOX: Zwölf Jahre spielten Sie beim FCR Duisburg in der Bundesliga. Was haben Sie nebenbei gemacht?
Meinert: Nach meinem Abitur habe ich an der Sporthochschule Köln mein Studium begonnen. Dort legte ich später mein Diplom als Sportlehrerin ab.
SPOX: Welche Erinnerungen haben Sie an Ihr erstes Länderspiel?
Meinert: Das war 1991 in Belgien und wir siegten mit 2:1 unter Trainer Gero Bisanz. Ich durfte von Anfang an spielen. Ich hatte damals das Gefühl, dass ich bei einem Preisausschreiben gewonnen hätte und einmal in der Nationalelf mitspielen durfte. Genauso habe ich auch gespielt. Ich war sehr unzufrieden mit meiner Leistung und habe keine guten Erinnerungen an mein erstes Länderspiel.
SPOX: Wir möchten nun gerne eine Zeitreise mit Ihnen machen: 26. März 1995, Fritz-Walter-Stadion, EM-Finale gegen Schweden, 33. Minute: Sie schießen nach einem 0:1-Rückstand den Ausgleich...
Meinert: Der Ball wurde mir zugespielt und ich habe ihn dann einfach mitgenommen. Ich lief von der rechten Seite in den Strafraum. Ich habe mit meinem linken Fuß, mit dem ich eigentlich nie den Ball spielte, Pia Sundhage, der heutigen Nationaltrainerin der USA, durch die Beine geschossen. Mein Schuss war sehr genau und flog in die lange Ecke.
SPOX: Und dann?
Meinert: Ich war überglücklich, ein Tor im EM-Finale gemacht zu machen. Ich werde nie vergessen, wie viele Fans unser Endspiel sahen. 8500 Menschen jubelten uns in Kaiserslautern zu, was mit den heutigen Zuschauerzahlen gar nicht mehr zu vergleichen ist. Für die damaligen Verhältnisse war das grandios und überwältigend.
SPOX: Was können Sie uns noch über das Turnier erzählen?
Meinert: In meiner ganzen Euphorie und Freude habe ich die Medaillenübergabe verpasst. Ich bin damals einfach Silvia Neid hinterhergestiefelt, weil sie den Pokal in den Händen hielt. Ich habe alles um mich herum vergessen. Bis zum heutigen Tag habe ich keine Medaille. Das war der erste große Titel für mich.
SPOX: Wie sah es damals eigentlich mit den Prämien aus?
Meinert: Ich weiß nicht, ob es eine Prämie gab und das war mir auch total egal.
SPOX: Für den WM-Titel in diesem Sommer sind 60.000 Euro pro Spielerin ausgelobt.
Meinert: Die Prämien haben sich natürlich geändert, weil der Frauenfußball heute eine ganz andere Resonanz bekommt. Der DFB hat als Verband und Vorreiter immer die Entwicklung des Frauenfußballs vorangebracht. Ich glaube es gibt in keinem anderen Land so hohe Prämien für Siege und keinen Verband, der den Frauenfußball weltweit so fördert...
SPOX: 1989 gab es noch ein Kaffeeservice als Siegesprämie...
Meinert: Diese Vergleiche mit dem Kaffeservice werden immer wieder gerne angestellt. Aber ich sehe das relativ. 2003 haben wahrscheinlich einige Spielerinnen ihr Geld sofort ausgegeben - Doris Fitschen hat ihr Kaffeservice von 1989 immer noch.
SPOX: Im WM-Finale 2003 haben Sie ebenfalls nach einem 0:1-Rückstand gegen Schweden den Ausgleich geschossen...
Meinert: Wenn ich mich für das wichtigste Tor meiner Karriere entscheiden müsste, dann wäre es das. Die wichtigsten Tore sind meistens nicht die schönsten. Aber es war das letzte Tor meiner aktiven Karriere und ein krönender Abschluss.
SPOX: Ihre Liga-Karriere haben Sie damals in den USA beendet... Wie kamen Sie damals eigentlich auf die Idee, in die amerikanische Profiliga WUSA zu wechseln?
Meinert: In der USA wurde zu diesem Zeitpunkt eine Profiliga aufgemacht. Vertreter der WUSA haben damals bei der EM 2001 nach Talenten für die US-amerikanische Liga gesucht. Damals wollten sie unbedingt Bettina Wiegmann verpflichten. Man kann sagen, dass mich Bettina dann einfach als eine Art Mitbringsel in die Vereinigten Staaten mitgenommen hat. Jahrelang habe ich mir mit ihr ein Zimmer geteilt und wir sind sehr gut befreundet gewesen.
SPOX: Sie sagten einmal, dass die drei Jahre in den USA Sie sehr geprägt hätten und die schönsten Ihrer Karriere gewesen seien. Warum?
Meinert: Ich habe in der WUSA im Profifußball gespielt und wurde ein ganzes Jahr für das Training und die Ligaspiele bezahlt. In Boston hatten wir ein Stadion, das Platz für 11.000 Zuschauer hatte. Es war immer voll. Ich habe in den USA quasi wieder von null angefangen: Eine fremde Stadt, eine andere Liga und die vollkommenen Konzentration auf den Fußball. Das war alles ein wunderbares Erlebnis.
SPOX: Was ist anders an der WUSA? Würden Sie sich eine Liga nach dem Vorbild der WUSA auch in Deutschland wünschen?
Meinert: In der WUSA gibt es nicht so viele Spiele wie in der deutschen Bundesliga. Frauenfußball hat in den USA eher einen Event-Charakter. In Deutschland wurde die Arbeit in den Vereinen damals vor allem ehrenamtlich und nebenbei gemacht. In den USA dagegen war die Arbeit im Frauenfußball ein Full-Time Job. Diese Tatsache hat erhebliche Auswirkungen auf die Qualität der Spiele und die Organisation des Ligabetriebs. In Deutschland hat sich diese Entwicklung in den letzten Jahren immer mehr durchgesetzt.
SPOX: Nach Ihrem Karriereende blieben Sie dem Fußball treu. Seit 2005 trainieren Sie die U 20, mit der Sie 2010 Weltmeister wurden. Welche Ihrer Spielerinnen haben eine Chance, sich in der A-Mannschaft durchzusetzen?
Meinert: Einige Spielerinnen aus dem U-20-Kader haben ja bereits in der A-Nationalmannschaft gespielt. Alexandra Popp, Dzsenifer Marozsan oder Tabea Kemme haben eine gute Figur gemacht. Ich würde mich freuen, wenn wenigstens eine junge Spielerin bei der WM 2011 dabei wäre.
SPOX: Was glauben Sie, wie weit wird die deutsche Elf kommen?
Meinert: Das ist eine schwierige Frage, weil die Erwartungen sehr hoch sind. Eigentlich ist es ja auch nur schwer vorstellbar, dreimal den Titel gewinnen zu können. Wir werden aber alles dafür geben. Das wird aber ganz sicher kein Selbstläufer.
SPOX: Wie beurteilen Sie die Entwicklung des Frauenfußballs in Deutschland insgesamt?
Meinert: Die ist durchweg positiv. Früher hat man im Verein zweimal die Woche hobbymäßig trainiert, heute ist der Frauenfußball ein wirtschaftlicher Zweig in unserem Land. Die Arbeit in den deutschen Vereinen ist professioneller geworden. In der Frauen-Bundesliga gibt es mittlerweile Bestrebungen, dass jeden Vormittag trainiert werden soll und nur so können wir international auch mithalten. Die Anzahl der Fußball spielenden Frauen und Mädchen ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen.
SPOX: Und wie steht es um die Akzeptanz?
Meinert: Die ist definitiv deutlich gewachsen. Ich mache das gerne an folgendem Beispiel fest: Vor 21 Jahren kannte ich noch jeden Fan, der bei unseren Länderspielen zuschaute. Wenn wir heute mit der Mannschaft zu einer WM oder EM fahren, erinnert mich das Ganze an frühere Bundesliga-Spiele der Männer, die ich mit meinem Papa sah. Gegenwärtig ist ein Länderspiel der Frauen ein Fan-Tag für die ganze Familie.
SPOX: Bei den Männern ist immer von den typisch deutschen Tugenden die Rede. Was ist typisch für den Frauenfußball?
Meinert: In Deutschland wird sich um eine komplette Ausbildung bemüht: Man muss eine gute Technik haben, wettkampfnah trainieren, nicht aufgeben, wenn man zurückliegt und sich nicht provozieren lassen, sondern stets diszipliniert im Spiel sein. Man kann nicht nur schnelle Läufer und gute Techniker in einem Team haben. Wir bemühen uns, eine gute Mischung in unserer Mannschaft zu haben. Das würde ich als deutsche Identität bezeichnen. Die Skandinavierinnen sind zum Beispiel für ihre Robustheit bekannt.
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