SPOX: Mia, bevor wir richtig anfangen: Ihr eigentlicher Vorname ist Mariel, wie ist Ihr Spitzname Mia entstanden?
Mia Hamm: (lacht) Wenn Sie jetzt eine große Geschichte dahinter erwarten, muss ich Sie enttäuschen. Die gibt es nicht. Meine Eltern haben mir den Namen Mariel gegeben und wollten mich dann Mia nennen. Wie Eltern eben so sind.
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SPOX: Neben Ihren Eltern war Ihr Bruder Garrett eine ganz wichtige Bezugsperson in Ihrem Leben. Erzählen Sie, wie er Ihr Leben verändert hat?
Hamm: Mein Bruder litt an einer seltenen Blutkrankheit und ist 1997 leider verstorben. Das war ein schwerer Schlag für mich. Nachdem ich gesehen hatte, mit wie viel Tapferkeit und Toughness mein Bruder gegen seine Krankheit gekämpft hat, wusste ich, was ich unbedingt tun wollte.
SPOX: Sie kämpfen gegen Knochenmarkserkrankungen und haben eine eigene Stiftung gegründet.
Hamm: Genau. Mir geht es in erster Linie um zwei Dinge. Mein Bruder war thailändischer Abstammung - und gerade für Minderheiten ist es sehr schwierig, Knochenmarksspender zu finden. Es ist eine unglaubliche Sache, wenn sich jemand auf eine Liste setzen lässt und sein Knochenmark spendet. Das ist das ultimative Lebensgeschenk. Und zweitens geht es mir auch darum, dass viele Familien, die solch einen Prozess mit einer Transplantation durchmachen, finanzielle Unterstützung benötigen. Oder zumindest Unterkünfte, wo sie bleiben können, während ein Familienmitglied behandelt wird.
SPOX: Hatte Ihr Bruder auch einen Einfluss auf Ihre Karriere im Fußball?
Hamm: Oh ja, einen großen sogar. Von meinem Bruder Garrett kam die Inspiration für den Fußball. Er hat Fußball geliebt und mich immer ermutigt, ihn zu begleiten und so viel wie möglich mit ihm zu spielen. Ich habe dann keine ganz schlechte Karriere gemacht, wenn man bedenkt, dass ich als kleines Kind einen Klumpfuß hatte. (lacht) Aber ich weiß inzwischen, dass viele großartige Sportler im Kindesalter die gleiche Herausforderung zu meistern hatten.
SPOX: Ihre Familie hat zeitweise in Italien gelebt, ist auch dort Ihre Fußball-Begeisterung entstanden?
Hamm: Ich war noch sehr klein, als wir in Italien gelebt haben. Meine Liebe für den Sport kam dann später, als ich meinem Bruder zugeschaut und mit ihm gespielt habe. Es hat mir von Anfang an großen Spaß gemacht. Ich habe vor allem den Wettbewerb geliebt. Und die Herausforderung, jeden Tag besser werden zu wollen.
SPOX: Sie haben ganz lange nur mit Jungs gespielt.
Hamm: Ich hatte gar keine andere Wahl. Aber es war toll, mit den Jungs zu kicken. Sie haben mich voll akzeptiert. Aber sie haben auch nicht zurückgesteckt oder sich dafür entschuldigt, dass sie immer gewinnen wollten. Diesen Wettbewerb habe ich bei den Mädchen erst gefunden, als ich schon in der Nationalmannschaft gespielt habe. Vorher nicht.
SPOX: Sie haben schon mit 15 Ihr Debüt für die USA gefeiert. Wie nervös waren Sie?
Hamm: Mein Gott, ich war so unglaublich nervös. Ich habe mich gefragt, ob ich wirklich dahin gehöre. Es gab so viele großartige Spielerinnen im damaligen Team, ich war einfach nur froh, ein Teil davon sein zu dürfen. Mit der Zeit habe ich mich dann daran gewöhnt, aber es war nicht einfach.
SPOX: Wenn man auf Ihre persönliche Bilanz schaut, sieht man wahnsinnige Zahlen. 158 Tore in 275 Länderspielen. Was denken Sie, wenn Sie diese Statistiken hören?
Hamm: Ich bin stolz auf meine persönlichen Erfolge, aber ich hätte die ganzen Tore nicht schießen können, wenn mich nicht großartige Spielerinnen in die Position dafür gebracht hätten. Wir hatten alle unsere Rolle innerhalb der Mannschaft und ich hatte das Glück, mit einigen der besten Spielerinnen aller Zeiten zusammenspielen zu dürfen. Wir haben sehr viele Spiele und einige Titel gewonnen, darauf bin ich am meisten stolz.
SPOX: Dennoch, gibt es ein Tor, an das Sie sich besonders gerne zurückerinnern?
Hamm: Das erste Tor bei unserer Heim-WM 1999 werde ich nie vergessen. Wir haben in New York vor ausverkauftem Haus gegen Dänemark gespielt und waren so aufgeregt. Unter diesen Umständen mit einem Tor in die WM zu starten, war unbeschreiblich.
SPOX: Hatten Sie eigentlich bestimmte männliche Vorbilder?
Hamm: Mir hat es immer Spaß gemacht, Johan Cruyff zuzuschauen. Seine Kreativität auf dem Platz war toll. Ich bin außerdem ein großer Barca-Fan, deshalb liegt es denke ich ja auch auf der Hand, dass ich von Lionel Messi fasziniert bin. Seine Liebe zum Spiel, seine Fähigkeiten, die er auf so konstantem Niveau zeigt, sind einfach überragend.
SPOX: Gibt es auch aktive deutsche Spieler, die Ihnen gefallen?
Hamm: Ich bewundere das gesamte deutsche Team. Miroslav Klose is electrifying - und Bastian Schweinsteiger ist so wahnsinnig tough und konstant.
SPOX: Was fällt Ihnen ein, wenn Sie generell an Deutschland denken?
Hamm: Ich denke das, was eine Ewigkeit alle gedacht haben. Unglaublich diszipliniert und tough, so seid Ihr Deutschen. Und Eure Frauen-Mannschaft hat diese Eigenschaften auch verkörpert. Inzwischen sind die deutschen Teams zwar immer noch sehr organisiert, aber ich habe den Eindruck, dass es mehr kreative deutsche Spieler gibt, als je zuvor. Ich freue mich schon darauf, bei der WM in Deutschland dabei sein zu drüfen. Steffi Jones hat mich vor zwei Jahren gefragt, ob ich nicht im Organisationskomitee mitarbeiten will und ich habe gerne zugesagt.
SPOX: In Deutschland ist Frauen-Fußball zwar einigermaßen populär, aber es ist natürlich kein Vergleich zu den USA. Viele amerikanische Mädchen spielen Fußball - und das hat jede Menge mit Ihnen zu tun...
Hamm: Ich fühle mich geehrt, dass ich eine Rolle gespielt habe, dass der Frauen-Fußball gewachsen ist, aber ich habe das nicht alleine geschafft. Der Stellenwert des Frauensports generell ist größer geworden - und dabei haben so viele wunderbare Frauen wie zum Beispiel Billie Jean King und Jackie Joyner-Kersey mitgeholfen. Viele Frauen waren und sind tolle Vorbilder für junge Mädchen in den USA. Vor allem die Olympischen Spiele 1996 waren wichtig. Das Frauen-Basketball-Team holte Gold, das Softball-Team auch - und wir eben auch. Wir Frauen standen im Rampenlicht.
SPOX: Für viele Mädchen sind Sie eine Heldin. Wie fühlt sich das an?
Hamm: Ich freue mich, dass ich die Möglichkeit habe, ein Vorbild zu sein und nehme diese Verantwortung auch sehr ernst. Ich habe selbst zwei kleine Mädchen und weiß, wie wichtig es ist, dass sie Menschen vor Augen haben, die mit gutem Beispiel vorangehen. Sie sollen das Gefühl haben, dass sie in ihrem Leben alles erreichen können, was sie wollen.
SPOX: Viele Mädels wollten Ihr Jersey, Sie wurden zu einer der schönsten Frauen der Welt gewählt, Sie haben unheimlich viel Aufmerksamkeit bekommen. War es manchmal auch schwer, damit umzugehen?
Hamm: Ich habe mich geehrt gefühlt, dass ich so viel Aufmerksamkeit bekommen habe, aber ich wusste auch, dass es um viel mehr als um mich geht. Meine Teamkolleginnen waren sogar noch unglaublicher als ich, ich wollte immer, dass die Leute ihnen so viel Aufmerksamkeit wie möglich schenken.
SPOX: Das ist aber jetzt sehr bescheiden. Sie hatten immerhin Ihre eigene Barbie-Puppe...
Hamm: (lacht) Das war auch wirklich witzig, eine eigene Barbie zu haben.
SPOX: Und dann haben Sie auch noch Michael Jordan fertig gemacht. Wie war das?
Hamm: Michael und ich lachen heute noch über diesen Werbespot. Wir sind beide sehr ehrgeizige Menschen und hatten beim Dreh großen Spaß zusammen.
SPOX: Egal, ob es Basketball oder Fußball ist: Wenn man die Gehälter vergleicht, kommen die Frauen natürlich schlecht weg. Sie haben 2001 zum Beispiel einmal das Maximum-Gehalt bekommen. 85.000 Dollar.
Hamm: Ich denke, wir sollten nicht mit den Männern verglichen werden. Wenn wir es schaffen, eine Liga aufzubauen, die so populär wird, wie einige der Männer-Ligen, dann werden sich auch die Gehälter angleichen. Bis es soweit ist, ist es ein Business. Ich hoffe einfach, dass wir es schaffen, Frauen-Ligen in den USA und überall auf der Welt zu etablieren.
SPOX: Letzte Frage: Ihr Mann, Nomar Garciaparra, war ein berühmter Baseballspieler, Sie waren der Welt-Star im Frauen-Fußball, wie darf ich mir bei zwei solchen Sportler-Persönlichkeiten einen normalen Abend vorstellen?
Hamm: Wir sind beide große Sport-Fans. Das hilft, denn so gibt es nicht viele Streitigkeiten, was am Abend geschaut wird oder wer die Fernbedienung in der Hand hat. Nomar hat selbst Fußball gespielt und ist ein großer Fan, deshalb schauen wir auch so viel Fußball, wie nur eben möglich.