Bresonik: "Das ist Wahnsinn, Adrenalin pur!"

Von Interview: Stefan Moser
Linda Bresonik und ihre Teamkolleginnen haben sich in der Vorbereitung richtig gequält
© Getty

Am Sonntag startet die deutsche Frauen-Nationalmannschaft bei der Heim-WM gegen Kanada in das Unternehmen Titelverteidigung. Im SPOX-Interview gibt Linda Bresonik Einblick in die Vorbereitung, skizziert ihre persönlichen Ziele und plaudert über ihren Umgang mit den jungen Wilden im Team. Außerdem erklärt sie, was sie auf die Palme bringt und warum sie einfach nur Bock auf dieses Turnier hat.

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SPOX: Linda Bresonik, Sie sagen von sich selbst, dass Sie es hassen, unterfordert zu sein. Langweilen Sie sich manchmal auf dem Platz?

Linda Bresonik: Inzwischen nicht mehr. Aber als ich damals von einer Jungs-Mannschaft zu den Mädchen gewechselt bin, waren wir unseren Gegnern oft noch haushoch überlegen. Und das war dann wirklich total langweilig. So einfach zu gewinnen, finde ich fürchterlich. Ich spiele lieber gegen gute Gegner.

SPOX: Die meisten Testspiele allerdings haben Sie zuletzt auch sehr klar gewonnen...

Bresonik: Gerade die Niederlande und Italien waren zwei Mannschaften, die sich nicht auf die WM vorbereiten. Bei denen waren das jeweils die letzten Spiele der Saison. Trotzdem waren das für uns zum jeweiligen Stand der Vorbereitung wichtige Tests. Insgesamt ist uns klar, dass mit Kanada im Eröffnungsspiel schon ein ganz anderes Kaliber auf uns wartet. Wenn dann vorne plötzlich eine Christine Sinclair rumschwirrt, ist das schon was anderes.

SPOX: Dann war die dreimonatige Vorbereitung also Herausforderung genug?

Bresonik: Absolut! Am meisten haben wir uns sicherlich während des Athletik-Lehrgangs in Köln gequält. Zum Ende der Vorbereitung wurden die Einheiten dann immer kürzer, weil wir hungrig sein müssen und Energie tanken sollten. Aber insgesamt waren die drei Monate sicher kein Zuckerschlecken sondern richtig harte Arbeit. Und das muss auch so sein: Die anderen schlafen nicht.

SPOX: Zumal auch Ihre Konkurrenz sehr früh in die WM-Vorbereitung eingestiegen ist.

Bresonik: Das stimmt, und dadurch rückt die Weltspitze noch enger zusammen. Wir werden ja auch immer wieder auf die lange Vorbereitung angesprochen. Dabei machen wir das vor jedem Turnier. Nur hat das früher niemand registriert. Mittlerweile machen das alle großen Nationen so: Die Amerikaner, die Engländer, auch die Franzosen bereiten sich monatelang vor.

SPOX: Sie haben während der Lehrgänge etliche Abstecher in andere Sportarten gemacht. Von welchen Erfahrungen haben Sie am meisten profitiert?

Bresonik: Beim Basketball mit Stephan Baeck stand eher die Abwechslung im Vordergrund. Nach den harten Konditionseinheiten haben wir dabei immerhin zum ersten Mal überhaupt wieder einen Ball gesehen. Mir persönlich hat die Taekwondo-Einheit am meisten Spaß gemacht. Und natürlich das Boxtraining mit Regina Halmich, bei dem es vor allem um Schnelligkeit und Kraft ging. Das war schon unglaublich, welche Power in so einer zierlichen, kleinen Frau stecken kann. Und wenn einem eine x-fache Weltmeisterin mit auf dem Weg gibt, dass man immer an sich glauben muss, nimmt man das natürlich auch für sich mit.

SPOX: Gerade der mentale Aspekt wird während des Turniers eine große Rolle spielen: Jeder erwartet den Titel...

Bresonik: Natürlich denken einige: "Komm', die fahren da mal kurz zur WM, haben ein bisschen Spaß und holen das Ding im Vorbeigehen". Aber so einfach wird das sicher nicht. Dass wir alle den Pokal wollen, ist doch ganz klar. Und diesen Druck haben wir uns durch die Erfolge in der Vergangenheit auch selbst erarbeitet. Aber wir sind deswegen nicht ängstlich oder verklemmt. Vor der EM 2009 war die Situation ja ähnlich - und wir haben dem Druck standgehalten.

SPOX: Allerdings wird die Heim-WM nochmal ganz andere Dimensionen erreichen...

Bresonik: Das stimmt schon, und ich kann mir das jetzt noch gar nicht konkret vorstellen, wie das sein wird, vor 75.000 Zuschauern in Berlin zu spielen. Aber ich gehe fest davon aus, dass mich das beflügeln wird, dass die Fans der zwölfte Mann sein werden. Für mich spielen die ganzen negativen Wörter wie Belastung oder Druck gar keine Rolle, ich kann das nicht sehen. Im Gegenteil, ich finde es absolut klasse: Man kann das gar nicht in Worte fassen, was es bedeutet, dass eine WM in Deutschland stattfindet und ich dabei sein darf. Das kann doch nur schön werden! Wenn du da einläufst vor 75.000 Leuten, die die Nationalhymne mitsingen, das macht doch einfach nur Bock. Das ist Wahnsinn, Adrenalin pur! Ich kann mir nicht vorstellen, dass deshalb jemand Köttel in der Buchse hat.

SPOX: Gab es vom DFB eigens Interviewschulungen?

Bresonik: Wenn man sich nicht so sicher fühlt, haben wir Ansprechpartner. Dann kann man Interviews auch vor der Kamera üben, sich das anschließend angucken und sich Tipps einholen. Ich glaube aber, dass wir alle damit gut umgehen. Ich habe bislang auch noch keine Schulung gemacht, sondern versuche das eher aus dem Bauch heraus.

SPOX: Dabei gelten Sie als relativ selbstkritisch...

Bresonik: Ich bin sogar sehr, sehr, sehr selbstkritisch! Ich kann wahrscheinlich sogar besser mit Kritik umgehen als mit Lob. Ich finde das auch wichtig, weil ich mich sonst nicht verbessern kann. Selbst wenn ich das Gefühl habe, heute war meine Leistung ganz gut, dann finde ich immer noch Dinge, die ich hätte besser machen können. Eines meiner größten Probleme ist das Gefühl, mein Potenzial nicht voll auszuschöpfen. Und dieses Gefühl habe ich - vor allem in der Bundesliga - immer wieder mal. Warum auch immer. Und das ärgert mich dann unheimlich.

SPOX: Außer Ihrer eigenen Leistung: Was bringt Sie auf dem Platz sonst noch auf die Palme?

Bresonik: Wenn mir eine dreimal absichtlich in die Hacken läuft - und das dann nicht gepfiffen wird. Das kann ich nicht ab! Und Schwalben kann ich nicht leiden, die bringen mich echt auf die Palme. Wenn mal eine Linienrichterin bei einer hauchdünnen Entscheidung falsch liegt, rege ich mich dagegen kaum darüber auf, weil die einfach einen schwierigen Job hat.

SPOX: Ihr Job in der DFB-Elf ist im Augenblick hinten rechts, obwohl Sie sich auch im zentralen Mittelfeld sehr wohl fühlen. In Duisburg helfen Sie auch immer wieder in der Innenverteidigung aus. Welche Position liegt Ihnen am meisten?

Bresonik: Ich bin eine sehr flexible Spielerin. Die Trainerin muss die Abstimmung zwischen den verschiedenen Spielertypen finden. Wir sind auf der Sechserposition natürlich sehr stark besetzt. Simone Laudehr und Kim Kulig harmonieren dort sehr gut, während rechts hinten nach Kerstin Stegemann immer eine kleine Lücke klaffte. Und ich spiele die Position sehr gerne: Es gehört sicher zu meinen Stärken, dass ich das Spiel auch von hinten gut machen kann, ich denke, ich habe ein gutes Aufbau- und Passspiel. Und wenn sich die Möglichkeit ergibt, gehe ich auch immer gerne mit nach vorne.

SPOX: Sie sind mit 28 Jahren und 65 Länderspielen eine der erfahrenen Spielerinnen. Helfen Sie auch bei der Integration der "jungen Wilden" mit?

Bresonik: Im Prinzip ist erst mal jeder für sich selbst verantwortlich. Unsere junge Garde ist ja längst absolut integriert. Bianca Schmidt und Kim Kulig waren auch schon bei der EM 2009 dabei. Gerade Kim ist ja eigentlich trotz ihres Alters schon eine gestandene Spielerin. Alex Popp ist nun zum ersten Mal dabei. Sie hat sich im vergangenen Jahr wahnsinnig entwickelt und ist für uns eine sehr wertvolle Spielerin. Auch weil wir so einen Stürmertypen, wie sie ihn verkörpert, noch nie in der Mannschaft hatten. Das macht uns noch schwerer auszurechnen. Nachdem ich sie auch aus dem Verein kenne, schnappe ich sie mir schon manchmal und sage: "Hier, Poppi, mach das mal lieber so oder so."

SPOX: Apropos schwer auszurechnen: Silvia Neid betont, dass Sie ihre Stammformation noch nicht im Kopf hat, weil sie durch die verschiedenen Spielertypen auch auf die verschiedenen Gegner taktisch reagieren will. Haben Sie schon ein Gefühl, wer gegen Kanada spielen wird?

Bresonik: Ich glaube nicht, dass wir während des Turniers von Spiel zu Spiel fünf, sechs Spielerinnen auswechseln werden. Vor allem hinten braucht man Stabilität, da wird sich eher eine Stammformation herausbilden. Aber tatsächlich weiß auch von uns im Augenblick kein Mensch, wer gegen Kanada wirklich auflaufen wird. Da können die Journalisten nur mutmaßen - und wir auch. Wer dann tatsächlich auf dem Platz steht: Das wird der 26. Juni zeigen.

Der Spielplan der Frauen-WM 2011

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