Von Geheimfavoriten und Playboy-Häschen

Von Stefan Moser
Die DFB-Frauen wollen im ersten Gruppenspiel in Berlin ein Feuerwerk abbrennen
© Imago

Anpfiff zur Frauen-Weltmeisterschaft 2011! Deutschland startete im offiziellen Eröffnungsspiel gegen Kanada mit einem verdienten 2:1-Sieg in die Mission Titelverteidigung im eigenen Land. Wer sind die Stars? Wer die Favoriten? Wer war im Playboy zu sehen und wer sorgte sonst für Skandale? Alles Wissenswerte zur Frauen-WM von A bis Z.

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A wie Äquatorialguinea: 1,1 Millionen Einwohner auf einer Fläche so groß wie Brandenburg. Noch nie hat es eine Mannschaft aus dem kleinen Land an der Westküste Afrikas zu einer Weltmeisterschaft geschafft. Schon nach der geglückten Qualifikation wurden die Fußball-Frauen deshalb in der Hauptstadt Malabo als Heldinnen gefeiert und gemäß der landeseigenen Tradition mit Geschenken überhäuft: Geld und Wasser. Der Star der Mannschaft ist Genoveva Anonma. Die 22-Jährige spielte in den letzten zwei Jahren für FF USV Jena in der Bundesliga und wird nach dem Turnier zu Turbine Potsdam wechseln. Trotzdem: Die Nummer 61 der Weltrangliste reist als krasser Außenseiter nach Deutschland.

B wie Birgit Prinz: Sie ist nach wie vor eines der Aushängeschilder des internationalen Frauen-Fußballs. Die bislang 14 WM-Tore der 33-Jährigen sind Rekord bei den Frauen. Noch ein Treffer beim Turnier in Deutschland und sie zieht mit Ronaldo gleich.

C wie Cuellar, Leonardo: Der Trainer der Mexikanerinnen ist eine Art Kultfigur in seiner Heimat. Den Status erreichte er nicht nur aufgrund seiner 44 Länderspiele und der Teilnahme bei der WM 1978, sondern auch aufgrund seiner spektakulären Lockenpracht - um die ihn etliche seiner Spielerinnen wohl heute noch beneiden. Inzwischen hat der 59-Jährige seinen Haarwuchs zwar gezähmt - doch er ist immer noch eine Institution im mexikanischen Fußball: Seit 1998 trainiert er die Frauennationalmannschaft.

D wie Dresden: Einer von neun Spielorten der WM. Das Organisationskomitee suchte nach Stadien mit guter Infrastruktur, deren Kapazität zudem möglichst viele ausverkaufte Häuser erwarten lässt. Die Wahl fiel neben Dresden auf Berlin, Frankfurt, Wolfsburg, Sinsheim, Gladbach, Augsburg, Bochum und Leverkusen. Tatsächlich wurden bereits über 700.000 Tickets abgesetzt. Das ausverkaufte Eröffnungsspiel in Berlin wird mit 73.000 Zuschauern eine neue europäische Rekordmarke erreichen.

E wie Exorzismus: Für einen Skandal sorgte Nigerias Nationaltrainerin Eucharia Uche. Weil sie Homosexualität für eine "dreckige, moralisch und spirituell falsche Sache" hält, engagierte Deutschlands Gruppengegner eigens einen Geistlichen, der den Spielerinnen vorsorglich aus der Bibel vorlesen und mit ihnen beten soll. Immerhin gebe es "Gerüchte" über Homosexualität auch im afrikanischen Frauenfußball. Uches Kommentar: "Wir brauchen göttliche Intervention um das zu kontrollieren und zu bekämpfen".

F wie Fingernägel: Lange Fingernägel sind auf dem Feld nicht erlaubt. Aus der deutschen Mannschaft musste unter anderem Lira Bajramaj von der FIFA darauf aufmerksam gemacht werden - die Teamkolleginnen legten Hand an.

G wie Geheimfavorit: Im Schatten der üblichen Verdächtigen Deutschland, Brasilien, Norwegen und USA haben einige Mannschaften inzwischen zur Weltspitze aufgeschlossen. Als Geheimfavoriten gelten etwa England und Japan. Auf eine der beiden Mannschaften wird Deutschland wohl im Viertelfinale treffen. Auch Nordkorea und Australien gehören zum erweiterten Kreis.

H wie Haare: Kim Jong-Il. Vor einigen Jahren forderte Nordkoreas Diktator Kim Jong-Il seine Landsleute dazu auf, sich auch in Sachen Frisur zum Sozialismus zu bekennen. Das Motto: "Trimmt die Haare im Einklang mit dem sozialistischen Lebensstil!" Ein Blick aufs Mannschaftsfoto beweist: Die Fußballerinnen haben sich daran gehalten.

I wie Inka Grings: 62 Tore in 90 Länderspielen und unglaubliche 314 Treffer in 218 Bundesligaspielen. Inka Grings ist die erfolgreichste Torjägerin in der Geschichte des deutschen Frauen-Fußballs - und trotzdem noch ohne Titel WM-Titel. 1999 schied sie im Viertelfinale aus, 2003 fehlte sie verletzt, 2007 kam sie nach privaten und sportlichen Krisen mit der Bundestrainerin über Kreuz und wurde nicht nominiert. Nach einer Aussprache mit Silvia Neid kehrte sie erst 2009 wieder in die Nationalmannschaft zurück. 2011 will die heute 32-Jährige ihre beeindruckende Karriere endgültig krönen.

J wie Journalisten: Insgesamt 2500 Journalisten aus aller Welt wurden von der FIFA für die WM akkreditiert. Wie schon 2006 mussten die Tribünen aller Stadien leicht umgebaut werden, um allen Medienvertretern Platz zu bieten. Zum ersten Mal werden auch alle 32 Spiele live im öffentlich-rechtlichen Fernsehen übertragen.

K wie Karla Kick: So heißt das offizielle WM-Maskottchen. Angeblich stellt es eine Katze dar und verkörpert "Leidenschaft, Spaß und Dynamik". Der Legende nach ist die deutsche Abwehrspielerin Linda Bresonik für die Benennung verantwortlich. Sie selbst beteuert allerdings, den Namen lediglich beim Mittagessen mit einigen Offiziellen formlos in die Runde geworfen zu haben.

L wie Lufthoheit: Interessante Statistik: Bei den letzten beiden Weltmeisterschaften erzielten die Frauen anteilig mehr Kopfballtore als die männlichen Kollegen. 2003 waren es 23,3 Prozent (Männer 2006: 18,3 Prozent). Vor vier Jahren 18 Prozent (Männer 2010: 17,9 Prozent). Die vergleichsweise hohe Quote hat aber unter anderem auch damit zu tun, dass die Torhüterinnen schon aufgrund der geringeren Körpergröße häufiger bei Flanken auf der Linie blieben.

M wie Morace, Carolina: Die Trainerin des deutschen Gruppengegners Kanada ist eine der schillerndsten Figuren der WM. In Italien als beste Fußballerin aller Zeiten verehrt, trainierte sie kurzzeitig sogar eine italienische Profimannschaft - als erste Frau bei den Männern in der 3. Liga.

N wie Neid, Silvia: Die Bundestrainerin hat seit ihrem Amtsantritt noch kein Turnierspiel verloren - zwei Weltmeisterschaften und zwei Europameisterschaften hat sie als Cheftrainerin seit 2005 absolviert. Alle vier Titel gingen nach Deutschland. Die letzte Niederlage bei einer WM kassierte die DFB-Elf übrigens im letzten Jahrtausend: das Viertelfinale 1999 gegen die USA. Nur noch Birgit Prinz, Inka Grings, Nadine Angerer und Ariane Hingst wissen also, wie sich eine WM-Niederlage anfühlt.

O wie Ozeanien: Im Ozeanien-Cup ist Neuseeland nach wie vor ohne echte Konkurrenz. Die WM-Qualifikation gelang entsprechend souverän mit einer Bilanz von 50:0 Toren. Trotzdem gehören die "Football Ferns" zu den Außenseitern des Turniers. Bei den bisherigen zwei WM-Teilnahmen gelang Neuseeland noch kein Punktgewinn.

P wie Playboy: Allen Spekulationen zum Trotz ist keine der aktuellen WM-Teilnehmerinnen während der Vorbereitung im Männermagazin gelandet. Für einen nackten Skandal sorgte aber vor der letzten WM die Brasilianerin Ana Paula Oliveira. Sie zog sich für den Playboy aus - und wurde vom Verband suspendiert. Vermutlich ihr Hauptproblem: Sie sollte nicht etwa als Spielerin, sondern als Schiedsrichterin zur WM 2007.

Q wie Quälerei: Die dreimonatige Vorbereitung der deutschen Mannschaft sorgte für viel öffentliche Verwunderung. Tatsächlich aber ist das beim DFB seit Jahren die gängige Praxis. Die Bedingungen in den Vereinen sind noch lange nicht professionell genug, um die Grundlagen für eine Weltmeisterschaft zu garantieren. Zumal praktisch alle großen Nationen mittlerweile eine vergleichbar lange Vorbereitung absolvieren.

R wie Rekord: Die deutsche Torhüterin Nadine Angerer blieb während der letzten WM in China komplett ohne Gegentor. 540 WM-Minuten mit weißer Weste - einsamer Rekord in der Fußballwelt!

S wie Steinhaus, Bibiana: Normalerweise pfeift die Hannoveranerin bei den Männern in der 2. Liga. Während der WM aber gehört sie zum Team der 51 Unparteiischen, die auf dem Rasen für Fairplay sorgen sollen. Als Exotin besonders gefragt bei den Journalisten: Vulivuli Finau von den Fidschi Inseln.

T wie Tatiana Ariza: Sie ist der Star von WM-Neuling Kolumbien und bewegt die Menschen in ihrer Heimat auch mit ihrem persönlichen Schicksal. Wegen eines angeborenen Herzfehlers drohte ihr schon mit 16 das plötzliche Karriereende. Die Ärzte aber konnten ihr helfen: Mittlerweile sorgt sie zusammen mit ihrer eineiigen Zwillingsschwester Natalia für Spielfreude auf dem Platz. Und für Verwirrung - oft genug auch beim eigenen Trainer.

U wie USA: Die Amerikanerinnen belegen in der FIFA-Weltrangliste nach wie vor Platz eins vor Deutschland und zählen auch 2011 zu den Favoriten. Auch wenn die USA im CONCACAF-Cup überraschend an Mexiko scheiterten und die WM-Qualifikation erst über die etwas schmeichelhaften Siege in der Relegation gegen Italien gelang: Die Elf der schwedischen Trainerin Pia Sundhage ist eine echte Turniermannschaft - und der wahrscheinlichste Halbfinalgegner der Deutschen.

V wie Verbot: In vielen Teilnehmerländern war Frauen-Fußball lange verboten. Auch der DFB erlaubte offizielle Spiele erst im Jahr 1970. In Brasilien gab es sogar bis 1981 ein Gesetz gegen Frauen-Fußball - weil der brutale Sport die Fortpflanzungsorgane der zarten Damen schädigen sollte. Generell haben kickende Mädchen in vielen Ländern Südamerikas nach wie vor einen sehr schweren Stand. Auch in Brasilien. Und trotzdem hat die Selecao mit der Weltfußballerin Marta die unangefochten beste Spielerin der Gegenwart hervorgebracht - und gehört zu den Topfavoriten auf den Titel. Läuft für beide Mannschaften alles nach Plan, kommt es zum Traumfinale gegen Deutschland.

W wie Wambach, Abby: Die 31-Jährige Amerikanerin gehört zu den Topstars des Turniers - aufgrund ihrer lebenslustigen Art auch neben dem Platz. Die Stürmerin ist vielleicht die kopfballstärkste Spielerin im Frauen-Fußball - und damit in einem möglichen Halbfinale besonders gefährlich für Deutschland. In der Luft ist die DFB-Abwehr verwundbar.

X wie X-Chromosom: Alle 336 aktiven Teilnehmer haben zwei davon. An der Seitenlinie aber dominieren nach wie vor die Männer. Nur sechs der 16 Mannschaften haben eine Frau auf der Trainerbank. Auch bei den Weltmeister-Trainern haben die Männer mit 3:2 die Nase noch vorne. Bei den letzten Weltmeisterschaften durften aber die Frauen auf der Trainerbank den Pokal in die Höhe recken: 2003 war es Tina Theune-Meyer, vor vier Jahren Silvia Neid, die jeweils mit den DFB-Frauen siegreich waren.

Y wie Yuki Nagasato: Sie ist nicht nur der Star der Japanerinnen, sondern auch eine Attraktion in der Bundesliga. Seit 2010 wuselt die quirlige 23-Jährige im Angriff von Turbine Potsdam - und holte immerhin schon zwei deutsche Meisterschaften und die Champions League 2010. Gut möglich, dass es schon im Viertelfinale zu einem Aufeinandertreffen mit ihren Teamkameradinnen aus Potsdam kommt.

Z wie Zwanziger, Theo: Der DFB-Präsident bekennt sich nicht nur als Fan zum Frauen-Fußball - auch in den Prämienverhandlungen ließ er sich nicht lumpen. 60.000 Euro zahlt der DFB jeder Spielerin im Fall der Titelverteidigung. Wie sich der Frauen-Fußball auch wirtschaftlich entwickelt hat, zeigt der Blick zurück ins Jahr 1989. Als Spielerin bekam Silvia Neid damals für den Sieg im EM-Finale noch eine Sachprämie: Ein Kaffeeservice von Vileroy & Boch.

Der Spielplan der Frauen-WM 2011 in der Übersicht

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