Thais Duarte Guedes: Brasiliens junge Garde

Von Leoni Dowidat
Neben Thais Duarte (r.) steht eine hungrige Generation an brasilianischen Fußballerinnen bereit
© Imago

Die Strukturen in Brasilien machen selbst Steffi Jones fassungslos. Trotzdem entwickelt sich im Schatten von Weltfußballerin Marta die nächste Generation von Fußballerinnen in Brasilien.

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Die 18-jährige Thais Guedes hat es in den WM-Kader geschafft. Ihr gehört die Zukunft der Selecao. Ihren ersten WM-Sieg errang sie schon im letzten Jahr, als sie mit der brasilianischen U-17-Mannschaft Costa Rica im Finale mit einem eindeutigen Ergebnis von 7:0 bezwang.

In diesem Jahr hat Thais Guedes den nächsten Titel im Auge: Bei der FIFA Frauen-WM in Deutschland ist die 18-Jährige zum ersten Mal Teil der brasilianischen Selecao, dem Team mit dem höchsten Superstarfaktor.

Wieso also auch nicht bei den Frauen?

Mit der Berufung Thais' in den Kader der Brasilianerinnen folgt Nationaltrainer Kleiton Lima dem System der brasilianischen Männer: "Auch dort setzt Brasilien bei der WM oft auf blutjunge Spieler, nehmen wir etwa Pele 1958, Ronaldo 1994 oder Kaka 2002. Wieso also auch nicht bei den Frauen?"

Neben Beatriz (17) ist Thias Guedes die jüngste Akteurin der brasilianischen Selektion. Keine neue Erfahrung für die Spielerin vom FC Santos: Schon 2008 stand die damals erst 15-Jährige bei der U-17-WM in Neuseeland dreimal in der Startelf des brasilianischen Teams.

Thais Guedes vor vielversprechender Karriere

Bei ihrem ersten großen Turnier scheiterte sie jedoch bereits in der Vorrunde. Zwei Jahre später der nächste Versuch: Beim U-17-Turnier in Trinidad und Tobago lief sie 2010 sogar als Spielführerin auf und schoss ihr Team mit ihrem ersten Tor für die Brasilianerinnen ins Viertelfinale.

Am Mittwoch, bei der letzten Gruppenspielbegegnung gegen Äquatorialguinea, blinkte Thais´ Rückennummer, die 18, zum ersten Mal grün auf der Anzeigetafel auf. Der Startschuss für ihre Karriere in der Selecao.

Baldige Hauptrolle in der Selecao?

Eine vielversprechende Karriere, wenn man Nationaltrainer Kleiton Lima glauben darf: "Ich bin sehr froh, dass Thais heute zum Einsatz kam. Es war ihr erster Einsatz, sie spielt schon seit Jahren in der U-20-Mannschaft. Sie ist ein großes Talent. Wir bereiten sie sorgfältig darauf vor, später einmal eine Hauptrolle in der Mannschaft zu übernehmen, denn ich zweifle nicht daran, dass sie dazu fähig ist. Im Moment allerdings soll sie noch von den erfahrenen Spielerinnen lernen."

Immerhin gehört die brasilianische Frauennationalmannschaft auch während dieser WM zu den heißesten Favoriten auf den Pokal. Zwar brachten die Brasilianerinnen noch nie den begehrten Titel nach Hause, doch bei jedem ihrer Spiele werden die Fußballerinnen in Deutschland gefeiert wie Weltmeisterinnen.

Männerfußball dominiert in Brasilien

Doch diese Anerkennung im Ausland stellt einen krassen Gegensatz zum Desinteresse an den Kickerinnen im heimischen Brasilien dar: Das Hauptproblem ist die Dominanz der brasilianischen Männermannschaft, aus deren Schatten die Spielerinnen der Selecao nicht heraustreten können.

"Für die Brasilianer ist alles andere als ein Titel ein Misserfolg, selbst ein zweiter Platz nach einer großartigen Leistung ist kaum etwas wert. Das ist unfair und für die Frauenteams umso härter, wenn man die Hürden bedenkt, die die Mädchen überwinden müssen, um nur schon international zu spielen. Die Fußballkultur in Brasilien ist erbarmungslos. Egal, was wir schon erreicht haben, es braucht wahrscheinlich einen Weltmeistertitel, damit der Frauenfußball in Brasilien endlich die Aufmerksamkeit erhält, die er verdient", klagt Lima.

Steffi Jones fast fassungslos

In einem Interview kurz nach dem verlorenen WM-Finale 2007 gegen Deutschland nannte Weltfußballerin Marta die Gründung einer Profiliga als einen ihrer größten Wünsche. Auch OK-Präsidentin Steffi Jones scheint fassungslos über die brasilianische Frauenliga: "Es ist kaum zu glauben, dass Brasilien ohne eine starke, gefestigte Liga ein so tolles Nationalteam hat. Das sagt viel über das Talent, das in Brasilien schlummert."

Zwar haben alle 26 Bundesstaaten in den letzten Jahren irgendwann einmal eine lokale Meisterschaft veranstaltet, doch diese dauerten kaum länger als einen Monat. Von einem geregelten Spielbetrieb kann nicht die Rede sein. Eine landesweite Liga? Undenkbar angesichts der mangelnden Organisation in manchen Staaten.

Nur ein Bundesstaat sticht mit seiner Regionalliga heraus. Die Campeonato Paulista in Sao Paolo ist mit 19 Teams und einer Dauer von April bis Ende Oktober die stärkste Regionalliga Brasiliens. Und auch die Nationalmannschaft wird von dem größten Verein Sao Paolos, dem FC Santos, entscheidend geprägt: Neben Nachwuchstalent Thais stammen allein aus der Startformation des letzten Spiels gegen Norwegen sechs Spielerinnen aus dessen Reihen.

Spielbedingungen sollen verbessert werden

Doch auch der brasilianische Fußballverband versucht, die Spielbedingungen für die Frauen zu verbessern: Seit 2007 organisiert er einen landesweiten Pokalwettbewerb mit den Siegern aller Staatsmeisterschaften. Seit 2009 gibt es auch einen kontinentalen Klubwettbewerb im Turnierformat, an dem sich alle nationalen Meister Südamerikas beteiligen. Beide Male zahlte sich das Engagement Sao Paolos aus: Der FC Santos brachte den Sieg jeweils nach Hause.

Doch damit der Frauenfußball sich in Brasilien endgültig etablieren kann, müssen sich auch die Männerklubs stärker einsetzen. "Für die brasilianischen Profiklubs sollte der Unterhalt einer Frauenfußballabteilung Pflicht sein, die zumindest Juniorinnenteams stellt und so dafür sorgt, dass die Mädchen im Alter von 16 oder 17 Jahren bereits über eine angemessene Wettkampfpraxis verfügen.", fordert Nationaltrainer Kleiton Lima: "Die Mädchen fangen viel zu spät an, organisiert zu spielen, meistens erst mit 17 oder 18. Sie müssen viel früher anfangen zu spielen." Denn nur dann können Talente wie Thais ihre Fähigkeiten voll zur Entfaltung bringen.

Kaum Nachwuchsteams für Mädchen

Doch das ist leichter gesagt, als getan: Zwar finanziert der brasilianische Fußballverband die Auswahlmannschaften der Juniorinnen, doch trotzdem gibt es kaum Nachwuchsmannschaften für junge Mädchen.

Außerdem herrscht dort, wie in Deutschland, ein riesiger Unterschied zwischen den Profifußballern beider Geschlechter. Zwar erhalten die weiblichen Superstars wie Christiane ein Monatsgehalt von 2.500 Euro, was das Zehnfache des brasilianischen Durchschnittslohn ist, doch um die Hälfte von dem zu verdienen, was die Männer in einer Saison bekommen, müsste selbst Christiane 50 Jahre lang Fußball spielen. Unbekanntere Spielerinnen können ohnehin kaum von ihrem Gehalt leben.

Ein WM-Sieg würde die brasilianische Frauenmannschaft endlich in den Fokus der Öffentlichkeit rücken und Brasilien vielleicht auch für den Frauenfußball begeistern. Für Thais wäre natürlich eine Wiederholung ihrer letzten Weltmeisterschaft am schönsten: Brasilien wird Weltmeister - und sie schießt eines der entscheidenden Tore auf dem Weg zum Titel.

Leoni Dowidat (15) begleitet als DB Schülerreporterin die FIFA Frauen-Weltmeisterschaft 2011. Während der WM berichtet sie vor Ort von den Spielen aus Frankfurt.

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