Nigeria: Von Falken, Adlern und Exorzisten

Von Leoni Dowidat
Nigerias Trainerin Ngozi Uche führt ein strenges Regiment - auch abseits des Platzes
© Getty

Am Dienstag verabschiedet sich Nigeria im Spiel gegen Kanada von der WM 2011. Die Super Falcons haben keine Chance mehr auf das Viertelfinale. Trotzdem hat die Mannschaft einen bitter nötigen Aufschwung in der Heimat ausgelöst - den ausgerechnet die eigene Trainerin in ein schlechtes Licht rückt.

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Acht gewonnene Afrikameisterschaften und Platz 27 in der FIFA-Weltrangliste: Seit fast zwei Jahrzehnten gehören die Super Falcons zu den erfolgreichsten Fußballmannschaften Afrikas. Auch auf der Weltbühne haben sich die Nigerianerinnen während der WM 2011 selbst bei den Favoriten große Anerkennung verdient. "Nigeria ist eine sehr, sehr gute Mannschaft", sagte auch Bundestrainerin Silvia Neid, die sich mit der deutschen Mannschaft mit einem hart erkämpften 1:0-Sieg gegen die Afrikanerinnen zufrieden geben musste.

Das männliche Pendant, die Super Eagles, dominieren Afrika ebenfalls schon über einen längeren Zeitraum hinweg. Im sportlichen Vergleich jedoch haben die Nigerianerinnen die besseren Karten: Im FIFA-Ranking beträgt die Differenz zwischen den Teams zwölf Plätze und auch in puncto Afrikameisterschaften liegen die Damen um sechs Titel vorne.

Kein Geld, keine Bälle, keine Trikots

Trotzdem steht der Kampf hin zu einer professionellen Struktur im Frauenfußball in Nigeria noch am Anfang: Mädchen sind meist nur Zuschauer am Fußballfeld, in der Hauptstadt Abuja steht für neun Mannschaften nur ein einziger Bolzplatz bereit.

Die Frauenliga Nigerias? Für viele völlig uninteressant. Das Hauptproblem ist wie so häufig die Unterfinanzierung; es ist kaum Geld für notwendige Dinge wie Trikots oder Bälle da. Die großen Spielerinnen hat es fast alle ins Ausland gezogen. Eine gezielte Förderung von talentierten Nachwuchsspielerinnen gibt es nicht.

"Der Frauenfußball in Nigeria muss noch professioneller werden und mehr Anerkennung finden", räumt auch U-20-Nationalspielerin Akudo Sabi ein. Doch diese Forderung ist den Worten der nigerianischen Sportmoderatorin Ayishat Falode zufolge im Moment schwierig zu erfüllen: "Viele Mädchen spielen Fußball, weil sie finanziell irgendwie überleben wollen, sie stammen aus dem einfachen Volk. Aber es gibt keine Sponsoren, die die Klubs unterstützen. Der Trainer ist auch für die komplette Organisation verantwortlich."

Viel getan ist da allerdings mit der Organisation "Search and Groom", die in Nigeria eine Street-Soccer-League ins Leben gerufen hat. Neben dem Fußballtraining bieten die Verantwortlichen dort auch eine Art "Lebenstraining" an.

Vor jeder Trainingseinheit sitzen sie mit den Fußballerinnen zusammen und besprechen, was werden soll, wenn sich der Traum von der Profikarriere nicht erfüllt. "Ich erkläre ihnen, dass sie einen Beruf brauchen, der Geld bringt. Einen, mit dem sie unabhängig von ihren Ehemännern werden können", erzählt Oluwakemi Kuku, eine der Mitorganisatorinnen von "Search and Groom".

Straßenfußball und Lebenstraining

Doch der große Traum bleibt für viele Mädchen: Einmal im Leben das Trikot der Superfalken tragen zu dürfen. Durch eine Profikarriere der Armut den Rücken zukehren. Denn die meisten der nigerianischen Kickerinnen stammen aus ärmlichen Verhältnissen.

"Töchter von reichen Eltern suchen sich keinen Mannschaftssport wie Fußball. Sie spielen Tennis", sagt auch Joy Nnena Etim, die in Nigeria eine Fußballschule betreibt.

Seit 2010 aber scheint das Blatt sich langsam zu wenden: Die miserable WM der Herren und der Sieg der Frauen bei der Afrikameisterschaft rückte die Super Falcons in den Fokus der nigerianischen Fußballfans. Zurzeit sind die Frauen das Dream-Team Nigerias.

Die Hoffnung ihrer Landsleute ruht auf ihren Schultern: Sollten sie sich bei der WM 2011 gut verkaufen, wird Nigeria endlich wieder als Fußballnation wahrgenommen. Einige der Spielerinnen können mittlerweile sogar von ihrem Gehalt als Profifußballerinnen leben.

Der Exorzismus der Trainerin

Vor der WM allerdings setzte eine Person den aufstrebenden Frauenfußball in Nigeria in ein schlechtes Licht: Trainerin Ngozi Uche sorgte mit ihrer offen geäußerten Einstellung gegenüber homosexuellen Spielerinnen für reichlich Furore. "Homosexualität ist eine dreckige Sache, spirituell und moralisch sehr falsch", ließ sie gleich mehrfach wissen.

Um ihre Spielerinnen davor zu "schützen", engagierte sie sogar Priester, die mit den Mädchen beten und in der Bibel lesen sollen. Uche zu dieser Maßnahme: "Wir brauchen göttliche Intervention, um es zu kontrollieren und zu bekämpfen."

Im stark religiösen Nigeria ist sie mit dieser Geisteshaltung nicht alleine, auf der Weltbühne des Fußballs verkörpert sie mit solchen Äußerungen aber all das, wovon man sich abzugrenzen versucht. Zumal es nicht bei verbalen Anfeindungen blieb. Angeblich soll Uche sogar vermeintlich lesbische Spielerinnen des Teams verwiesen haben.

"Ja, die Lesben waren wirklich ein großes Problem. Aber seitdem ich Trainerin der Falcons bin, hat sich das erledigt. Es gibt keine lesbische Spielerin mehr in meinem Team", brüstete sich Uche.

Die FIFA greift ein

Die FIFA griff vergangenen Mittwoch endlich ein und lud sie zu einem Gespräch mit der Frauenfußballbeauftragten Tanja Haenni ein. Haenni hatte schon im Voraus klargestellt: "Die FIFA ist gegen jegliche Art von Diskriminierung. In diesem Sinne werden wir versuchen, mit der Trainerin Nigerias zu reden. Wir sind hier bei einer FIFA-Veranstaltung und da werden wir darauf hinweisen, dass es schön wäre, wenn man sich neutral ausdrückt."

Das Gespräch scheint seine Wirkung erzielt zu haben: In einer Pressekonferenz nach dem Abschlusstraining distanzierte sich Uche von ihren Äußerungen.

Ein Vorurteil, gegen dass die nigerianischen Fußballfrauen auch im eigenen Land immer wieder kämpfen müssen, bleibt leider dennoch: Denn die Fußballerinnen werden in der Öffentlichkeit von manchen immer noch als schlechter Abklatsch der männlichen Nationalmannschaft wahrgenommen. Zu Unrecht, wie es sich allein schon an den sportlichen Leistungen ablesen lässt.

Leoni Dowidat (15) begleitet als DB Schülerreporter die FIFA Frauen-Weltmeisterschaft 2011. Während der WM berichtet sie vor Ort von den Spielen in Frankfurt.