Neid: "Ich mache mir gar keine Vorwürfe"

Von Für SPOX bei der Nationalmanschaft: Stefan Moser / Daniel Börlein
Bundestrainerin Silvia Neid ist nach dem WM-Aus gegen Japan schockiert
© Getty

Nach dem plötzlichen WM-Aus im Viertelfinale gegen Japan war Silvia Neid schockiert - aber keineswegs sprachlos. Im Interview spricht die Bundestrainerin über ihre Trauer, die Kritik an ihren Entscheidungen und den bitteren Abschied von Birgit Prinz. Kritik übt sie selbst vor allem an zwei ihrer Spielerinnen.

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Frage: Frau Neid, Sie werden sich in den kommenden Tagen einige Vorwürfe anhören müssen. Welche Vorwürfe machen Sie sich selbst nach dem Spiel?

Silvia Neid: Im Augenblick mache ich mir gar keine Vorwürfe. Im Moment bin ich einfach nur traurig, dass wir ausgeschieden sind, obwohl wir nicht die schlechtere Mannschaft waren. Aber so ist Fußball: Wenn man vorne die Tore nicht macht, kann ein Konter das Spiel entscheiden. Und ich glaube, wir hätten noch eine Stunde spielen können und wir hätten trotzdem keins gemacht. Obwohl wir mindestens 15 gute Standards hatten. Aber aus denen haben wir einfach zu wenig gemacht. Solche Spiele gibt es. Es ist nur sehr, sehr schade, dass uns das ausgerechnet bei der WM in Deutschland passiert.

Frage: Ein Vorwurf könnte sein, dass Sie zu spät und zu passiv ausgewechselt haben...

Neid: Wir müssen das Spiel erst analysieren, aber den einzigen Vorwurf, den ich mir im Augenblick machen kann, ist, dass ich den Ball nicht selbst ins Tor getragen habe. Wir haben ja noch Alexandra Popp gebracht, aber die war auch nicht viel besser als die anderen. Da hätten wir uns mehr Impulse erhofft. Und viel früher konnte ich auch nicht wechseln, wir mussten ja mit einer Verlängerung rechnen.

Frage: Warum haben Sie die Anfangsformation im Vergleich zum guten Auftritt gegen Frankreich umgestellt?

Neid: Zunächst einmal haben wir nun nicht gegen Frankreich gespielt, sondern gegen die Japanerinnen, die unheimlich diszipliniert und schnell wieder in ihrer Grundordnung waren. Wir haben zu langsam umgeschaltet, um hinter die Abwehr zu kommen. Das war das Problem. Außerdem habe ich das Team geändert, weil mit Linda Bresonik und Melanie Behringer zwei Spielerinnen wieder fit waren. Und dass ich nach drei Minuten schon umstellen musste, weil sich Kim Kulig verletzt hatte, war so natürlich nicht geplant.

Frage: Welche Rolle spielte die Verletzung von Kulig für den Verlauf des Spiels?

Neid: Das war natürlich schon ein Schock. Ich dachte zunächst, sie hätte sich beim Zusammenprall am Kopf verletzt. Doch vom Arzt kam ziemlich schnell der Verdacht auf Kreuzbandriss. Und das spricht sich dann auch in der Mannschaft rum und sorgt für Unruhe. Dass sie fußballerisch eine unheimlich wichtige Spielerin für uns ist, hat man dann ja auch gesehen. Wir haben nicht mehr so schnell die Bälle im Mittelfeld erobert.

Frage: Beim Gegentor machte weder die Abwehr noch Nadine Angerer eine gute Figur. Wie haben Sie die Szene gesehen?

Neid: Der Winkel war so spitz, da darf der Ball eigentlich nicht reingehen. Aber wir haben nachher noch die Leidenschaft gezeigt, das Ding herumzureißen, das konnte man sehen. Es war dann aber mehr Kampf und Krampf, die Präzision hat gefehlt.

Frage: Die Präzision hat auch vorher schon oft gefehlt: Sie sind ja diesmal auch praktisch von der ersten Minute an an der Linie gestanden und haben Kommandos gegeben.

Neid: Es stimmt, dass fast keine Flanke präzise in den Strafraum kam. Grundsätzlich aber wollte ich meine Spielerinnen nicht auf dem Feld alleine lassen, weil man doch gemerkt hat, dass es eine schwierige Kiste wird. Und deswegen wollte ich ihnen helfen, indem ich gestikuliere und spreche.

Frage: Sie haben nach dem Abpfiff auf dem Feld noch einen Kreis gebildet. Was haben Sie der Mannschaft gesagt?

Neid: Ich habe die Spielerinnen getröstet. Ich habe ihnen gesagt, dass es so etwas im Fußball eben gibt und dass wir das jetzt verkraften müssen. Ich mache ihnen überhaupt keinen Vorwurf, sie haben alles gegeben. Wir müssen jetzt respektieren, dass Japan eine Runde weiter ist.

Frage: Birgit Prinz hat ihren Abschied aus der Nationalmannschaft nun auf der Bank gegeben. Das hätte man sich auch anders gewünscht...

Neid: Das tut sehr weh. Und mir tut es für Birgit unheimlich leid. Aber wir hatten ja noch auf zwei weitere Spiele gehofft. Es ist kein schöner Abgang für sie, wir hätten ihr gewünscht, dass sie noch einmal international spielt, aber nun sind wir nicht mehr im Turnier. Das ist schade, aber wir können es nicht ändern. Insgesamt ist das sehr, sehr traurig für alle älteren Spielerinnen. Auch für Ariane Hingst, die international aufhören wird. Die Jüngeren lernen vielleicht aus diesem Tag.

Frage: Sie haben gleich nach dem Spiel mit Dr. Theo Zwanziger gesprochen. Was hat er Ihnen gesagt?

Neid: Insgesamt haben alle auf dem Feld schnell versucht, wieder positiv zu sein. Herr Zwanziger hat gesagt, dass wir uns nichts vorzuwerfen haben. Solche Spiele kommen nun mal vor. Ich fand es total nett, dass er versucht hat zu trösten. Wir können jetzt einige Tage trauern. Aber dann geht es wieder weiter.

Frage: Was bleibt rückblickend von dieser Heim-WM zurück?

Neid: Zunächst natürlich eine große Enttäuschung. Wir wollten zumindest unter die besten vier Mannschaften der Welt, deshalb sind wir nicht zufrieden. Aber ich muss auch sagen: So ist der Sport, man muss das Ganze akzeptieren. Und vielleicht ist diese Niederlage für irgendetwas in der Zukunft gut. Aber wofür, kann ich im Moment leider auch nicht sagen.

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