Nach der schonungslosen Abrechnung mit ihrem Team ließ Bundestrainerin Steffi Jones gleich die Peitsche knallen. Der geplante Ausflug der deutschen Fußballerinnen zum Bundesliga-Spiel zwischen Eintracht Frankfurt und Borussia Dortmund wurde gestrichen - stattdessen standen in Wiesbaden nach der peinlichen 2:3-Heimpleite gegen Island Krisengespräche an.
Erst das EM-Debakel, nun die erste Niederlage in der WM-Qualifikation seit 19 Jahren - die erfolgsverwöhnte DFB-Auswahl ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Doch auf der Suche nach dem Ausweg wirkt die Bundestrainerin, deren Vertrag trotz des Scheiterns im EM-Viertelfinale bis 2019 mit Option auf Olympia 2020 verlängert worden war, zunehmend ratlos.
"Man kann schon von einem Tiefpunkt sprechen", sagte die 44-Jährige wütend: "Alle müssen sich an die eigene Nase packen. Die Ampel steht schon auf Rot." Hatte sie nach der EM schon angekündigt, die Leine ab sofort kürzer zu halten, drohte sie nun: "Wenn das gebraucht wird, kann ich auch noch mehr Peitsche."
Vor 4292 Zuschauern hatten Dagny Brynjarsdottir (15./58. Minute) und Elin Jensen (47.) den isländischen Premierensieg im 15. Duell mit Deutschland perfekt gemacht. Die Tore von Alexandra Popp (42.) und der eingewechselten Debütantin Lea Schüller (88.) waren angesichts des desolaten deutschen Auftritts zu wenig.
Alexandra Popp: "Es muss knallen"
Popp versprach, intern Klartext zu reden. Noch vor dem Mittagessen setzte sich das Team am Samstag ohne Trainerstab zusammen. "Es muss jetzt mal knallen", sagte die Wolfsburgerin, die nach Abpfiff sogar Tränen vergossen hatte: "Wir machen gerade alles kaputt, was wir uns über Jahre aufgebaut haben."
Denn nach den Siegen über Slowenien (6:0) und in Tschechien (1:0) rutschte Deutschland in der Gruppe 5 auf Rang drei hinter den punktgleichen Teams aus Tschechien und Island ab. Nur die sieben Gruppensieger lösen das direkte Ticket für die Endrunde 2019 in Frankreich. Die vier besten Zweiten kämpfen in Play-offs um den letzten Europa-Startplatz.
Das Horrorszenario solcher Nervenspiele ließ Lena Goeßling erschaudern: "Wenn wir uns nicht qualifizieren, gibt es keine WM, keine Olympischen Spiele. Unvorstellbar!"
Babett Peter: "Müssen uns aus dem Tief kämpfen"
Auch wenn Popp die Schuld ausschließlich bei den Spielerinnen sah ("Dem Trainerteam ist nichts vorzuwerfen"): Die sportliche Leitung muss sich fragen, warum der zweimalige Welt- und achtmalige Europameister im Jahr nach Gold in Rio sein Selbstverständnis vollkommen verloren hat.
Als Reinfall erwies sich die Entscheidung, im Tor Laura Benkarth den Vorzug vor der Nummer eins Almuth Schult zu geben. Die Freiburgerin ging beim 0:1 zu zögerlich zu Werke und trug zur allgemeinen Verunsicherung bei. Jones' jüngste Systemänderungen bei häufigen verletzungsbedingten Personalwechseln halfen ebenfalls nicht.
Am Dienstag muss die DFB-Auswahl gegen den Fußball-Zwerg Färoer mit einem deutlichen Pflichtsieg in Großaspach Schadensbegrenzung betreiben. "Wir müssen uns als Team aus diesem Tief herauskämpfen", forderte Babett Peter, die die verletzte Dzsenifer Marozsan als Kapitänin vertrat.