FC Bayern München - Kapitänin Lina Magull im Interview: "Wäre schön, wenn die Verantwortlichen uns regelmäßiger besuchen würden"

Von Justin Kraft
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Lina Magull ist Kapitänin der Frauen des FC Bayern München, mehrfache Deutsche Meisterin sowie Pokal- und Champions-League-Siegerin. Die deutsche Nationalspielerin ist mit dem DFB noch ohne Titel, hat im EM-Jahr aber große Ziele.

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Im Interview mit SPOX und GOAL spricht die 27-Jährige über den Status quo des deutschen Frauenfußballs, Kritik am DFB, Wechselgedanken und das bevorstehende Spiel gegen Paris Saint-Germain in der Allianz Arena.

Außerdem gibt Magull nach der Kritik einer Ex-Kollegin Einblicke in ihr Verhältnis zu den Bayern-Bossen und erklärt, warum Deutschland bei der Europameisterschaft nicht zu den Favoritinnen zählt.

Frau Magull, lassen Sie uns gleich mit den großen Themen einsteigen. Im Sommer 2020 haben Sie in einen Blogeintrag über den damaligen Status quo des Frauenfußballs geschrieben und dabei deutliche Kritik sowie Lösungsansätze formuliert, um für mehr Wertschätzung zu werben. Öffentliche Resonanz darauf gab es kaum. Hat Sie das überrascht oder sogar geärgert?

Lina Magull: Ehrlich gesagt nicht, weil das Interesse für den Frauenfußball in der Breite so nicht vorhanden ist. Trotzdem bin ich der Meinung, dass man sich dazu immer wieder äußern muss, bis es dann auch an die Leute herangetragen wird, die einen größeren Einfluss auf unser Business haben. Beispielsweise an Verantwortliche, die sich in die Pflicht nehmen müssen. Man muss da hartnäckig bleiben und ich bin immer noch der Meinung, dass es sich irgendwann lohnen wird. Es hat sich ja seit damals zumindest im Hintergrund ein bisschen was getan.

Zum Beispiel?

Magull: Man merkt schon, dass das Thema Frauenfußball in den deutschen Vereinen oder auch beim DFB angekommen ist, weil sie natürlich auch unter Zugzwang stehen, wenn man auf die Entwicklung in den anderen Ländern schaut. Von daher glaube ich, dass es einen kleinen Impact hat, sich regelmäßig dazu zu äußern.

Unter anderem stellten Sie fest, dass die Frauen genauso intensiv trainieren wie die Männer und teilweise sogar höhere Opfer bringen. Was unterscheidet den Alltag von Profispielerinnen von jenem der Profispieler?

Magull: Da muss man differenzieren. Bei Bayern, Wolfsburg, Frankfurt unterscheidet es sich in der Hinsicht, dass die meisten nebenbei studieren. In anderen Vereinen kommt noch dazu, dass viele noch arbeiten gehen müssen, um sich ihre Brötchen zu verdienen. Da fällt das Gehalt für den Monat dann einfach zu gering aus. Allein aus finanzieller Sicht können sich die Männer viel mehr auf den Fußball konzentrieren. Da geht es dann um private Physiotherapeuten, Athletiktrainer oder ein Eigenheim mit integrierten Regenerationsmaßnahmen, sei es ein Pool oder ein Eiswasserbecken. Der Fokus liegt einfach nochmal mehr auf dem Profitum, während bei uns noch viele Faktoren dazukommen, die sich nicht um den Fußball drehen. Beispielsweise, dass wir uns unser familiäres Umfeld nicht so einfach in die Stadt holen können, in der wir gerade spielen. Das kann für zusätzlichen Stress sorgen, wenn man sich fragt, wann Zeit für die Familie ist und wann sich die Kosten für einen Besuch am ehesten lohnen.

Vor Corona verzeichneten viele Nationen einen Anstieg an Zuschauerinnen und Zuschauern in ihren Stadien, in Deutschland stagnierte man auf niedrigem Niveau, es war sogar ein Rückgang zu beobachten. Wie erklären Sie sich das?

Magull: Das hat sehr viel mit dem Marketing zu tun: Wie wirbt man für ein Spiel? Welche Projekte oder Prozesse werden im Hintergrund eingeleitet, um eine gewisse Fanbindung zu entwickeln? Anders als im Männerfußball hat sich bei uns noch keine richtige Fankultur gebildet. England ist da ein Vorreiter, die sich das seit Jahren aufgebaut haben und wo auch mehr Geld durch die Abgabe von Rechten fließt. Viele Spiele werden in größeren Stadien ausgetragen, wofür dann auch entsprechend geworben wird.

Ist das in Deutschland auch möglich?

Magull: Wenn das wie in England zur Regelmäßigkeit wird, dann glaube ich schon, dass sich da eine gewisse Bindung aufbaut. Wenn man sich regelmäßig Spiele von Frauenmannschaften vor Ort anschaut, dann hat das nochmal eine andere Wirkung als vor dem Fernseher. Das höre ich auch immer wieder von Leuten, die hier ins Stadion kommen. Es braucht Investitionen und Geld, um so etwas hinzubekommen. Zusätzlich muss man sich Gedanken machen, wie man den Stadionbesuch noch attraktiver gestaltet, indem daraus vielleicht ein ganzes Event gemacht wird.