Handschuhe aus, Schuhe aus, Mund abputzen - Almuth Schult war sich schon in den ersten Sekunden nach dem Abpfiff ihrer Schuld bewusst. Erst der Trost der Teamkolleginnen baute die Torhüterin auf, die bei der geglückten Generalprobe der deutschen Fußballerinnen für die Mission EM-Titelverteidigung schwer gepatzt hatte. "Besser jetzt als im Turnier", sagte Schult im Anschluss an das 3:1 (1:0) im Test gegen Brasilien - und ging mit auf die Ehrenrunde.
Bundestrainerin Steffi Jones sah sich allerdings genötigt, der Torhüterin das Vertrauen auszusprechen. "Die Nummer eins von Almuth wackelt nicht. Aus so einem Fehler lernt man", sagte die 44-Jährige: "Es ist nicht angebracht, der Nummer eins im letzten Spiel vor der EM Ängste zu machen."
Dallmann, Kayikci und Maier treffen
Schult selbst wusste, bei wem sie sich zu bedanken hatte: "Die Mannschaft hat eine super Leistung gezeigt." In der Tat schöpften die Olympiasiegerinnen 13 Tage vor Turnierbeginn Selbstvertrauen - obwohl Schult das Team vorübergehend außer Tritt gebracht hatte. Für den neunten EM-Triumph muss Jones ("Wir haben unglaublich viele Möglichkeiten herausgespielt") mit ihren Schützlingen allerdings noch an der Chancenverwertung arbeiten.
Vor 5469 Zuschauern in Sandhausen sorgten die Neulinge Linda Dallmann (30.) und Hasret Kayikci (65.) sowie die eingewechselte Leonie Maier (78.) für den verdienten Sieg des Rekord-Europameisters, der aber noch höher hätte ausfallen müssen. Allein im ersten Durchgang ließ der zweimalige Weltmeister ein halbes Dutzend gute Chancen aus. Zudem nutzte Ludmila (49.) eine völlig missglückte Dribbeleinlage Schults zum zwischenzeitlichen Ausgleich.
Brasilien ohne Superstar Marta
Gegen die Brasilianerinnen, die unter anderem ohne Superstar Marta auskommen mussten, setzte Jones in der Offensive auf kleine, wuselige Spielerinnen. Denn das könnte auch zum Auftakt gegen die defensiv kompakten Schwedinnen das Mittel zum Erfolg sein. "Wir wollen nicht mehr testen. Wir wollen toll mitspielen", hatte Jones vor dem Härtetest im dritten und letzten Lehrgang vor ihr ersten EM als Cheftrainerin angekündigt.
Bei hochsommerlichen Temperaturen waren der DFB-Auswahl die Strapazen der Vorbereitung zunächst nicht anzumerken. Die Deutschen diktierten das Geschehen in der ersten Hälfte und erspielten sich durch das von Jones geforderte Kombinationsspiel zahlreiche gute Chancen.
Allein Kayikci ließ zwei Top-Gelegenheiten aus - einmal wurde ihr Kopfball nach einer Ecke auf der Linie geklärt (7.), einmal traf die Freiburgerin nach einem Konter den Pfosten (22.). Auch Kapitänin Dzsenifer Marozsan (4.) und Dallmann (20.) noch tollem Solo fehlte die Präzision. Erst die lauffreudige Dallmann brach nach einer halben Stunde den Bann.
DFB-Team schnürt Brasilien ein
Auch danach blieben die Gastgeberinnen am Drücker, Brasilien wurde in der eigenen Hälfte eingeschnürt. Bei den seltenen Vorstößen der Südamerikanerinnen schaltete die DFB-Auswahl schnell um. Zur zweiten Hälfte wechselte Jones, die letzte Woche das EM-Aus von Angreiferin Alexandra Popp verdauen musste, munter durch.
Dann schockte Schult nach einem harmlosen Rückpass ihre Mannschaft, die anschließend erstmals hinten ins Wackeln geriet. Doch mit ihrem ersten Länderspieltreffer sorgte Kayikci bei ihrem vierten DFB-Einsatz für die Wende.
Am Mittwoch nächster Woche wird es ernst. Dann bezieht das DFB-Team sein Teamcamp in Sint-Michielsgestel südlich von s'-Hertogenbosch. Bei der Endrunde (16. Juli bis 6. August) warten in der Vorrunde Schweden (17. Juli/Breda), Italien (21. Juli/Tilburg) und Russland (25. Juli/Utrecht) auf die Deutschen.