Es geschah am helllichten Tag, im Nirgendwo von Namibia. Tex ist Mitte Fünfzig, seine gebräunte, gegerbte Haut und das auffällige Tattoo am rechten Unterschenkel erzählen das Leben eines weißen Mannes aus Simbabwe, der vieles gesehen hat und nur von wenigem aus der Ruhe gebracht wird. Tex ist Busfahrer.
"Busfahren ist Busfahren, egal wer die Passagiere sind", sagt er mit einer Stimme, die abgeklärt klingen soll. Sein neugieriger Blick, der zwischen all den Fußball-Stars hin- und herhuscht, sagt jedoch etwas anderes. "Okay, so eine Prominenz hatte ich noch nie in meinem Bus."
Entsprechend sorgsam bereitete sich Tex auf die Reise des Global United FC vor und erklärte über das Bordmikrofon auf dem Weg von der Hauptstadt Windhoek in die 400 Kilometer entfernte Kleinstadt Otavi die Besonderheiten Namibias. Etwas Landeskunde vermischt mit wohl getimten Späßchen.
Die elf angereisten Ex-Profis, unter anderem Sunday Oliseh und Carsten Ramelow, hörten andächtig zu und schauten etwas übermüdet in die Ferne der Savanne. Die meisten von ihnen waren am Tag zuvor angereist und wussten um die bevorstehende Anstrengung.
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Mit zusammengepresste Lippen
Sie folgten dem Ruf von Global-United-Gründer Lutz Pfannenstiel und flogen für vier Tage nach Namibia, um mit einem der wohl ungewöhnlichsten Benefiz-Spiele aller Zeiten auf die Folgen des Klimawandels aufmerksam zu machen und ihren Teil zum Umweltschutz beizutragen. Tex empfing sie am Flughafen und wusste gleich als umsichtiger Busfahrer und charmanter Reiseführer zu gefallen.
Als der Bus jedoch die Grenzen Windhoeks längst passiert hatte und es von einer einsamen Tankstelle abgesehen seit mehreren Kilometern nichts zu entdecken gab, ließ ihn kurzzeitig seine Gelassenheit im Stich. Aus dem Nichts tauchte im Rückspiegel ein polizeiliches Warnlicht auf, Tex musste am Straßenrand halten - und los ging die Hektik.
Sorgenvoll murmelte er mit zusammengepressten Lippen zu den Sitzreihen dahinter, dass sich jeder sofort anzuschnallen habe. Zusammengepresste Lippen deshalb, weil zwei Polizisten bereits in Sichtweite waren und Tex keinen Verdacht erwecken wollte. Diejenigen in Hörweite legten sich den Gurt um und verharrten in gespannter Erwartung.
Ein Akt der verzeihlichen Willkür
Sunday Oliseh bekam die Aufregung spät mit. Er saß im hinteren Teil des Busses, weswegen er davon überrascht wurde, dass die Tür aufging, plötzlich zwei Männer in Uniform einstiegen und der Kleinere der beiden mit einer strengen Note fragte: "Ist hier auch Sunday Oliseh?"
Etwas unsicher stand der Angesprochene auf und meldete sich, ratlos umherblickend, was die Polizei mitten in der namibischen Einöde von ihm wolle. Als der kleinere Beamte Oliseh sah, wurden seine Gesichtszüge weicher, einhergehend mit einem erfreuten: "Er ist es tatsächlich! Herr Oliseh, können wir Fotos machen?"
Erstaunt beobachtete Carsten Ramelow, wie Oliseh aus dem Bus stieg, um auf der kaum befahrenen Landstraße mit den Polizisten zu posieren und Autogramme zu verteilen. Erst als er die hinter einem Verkehrsschild versteckte Radarpistole sah, verstand Ramelow, dass die Gesetzeshüter nach Tempoüberschreitern fahndeten und das Anhalten des Busses nur ein Akt der verzeihlichen Willkür war. "So etwas habe ich noch nie erlebt", sagte Ramelow.
Pfannenstiels Lebensprojekt
Um das Wesen von Lutz Pfannenstiel zu verstehen, muss man seine Biografie kennen. Er ist ein von seinen Träumen Getriebener. Jemand, der auf allen Kontinenten professionell das Tor hütete und von sich selbst sagt, sich nirgends und doch überall zuhause zu fühlen. Sein Werdegang, über den er in Deutschland einen Bestseller schrieb, ist kein ruhiger Fluss, sondern ein reißender Strom.
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Nach dem Ende seiner aktiven Karriere jedoch fand der Suchende eine Bestimmung. Pfannenstiel ist noch immer eine Rastlosigkeit zueigen, diese jedoch kanalisiert er in das Projekt, das "mein restliches Leben begleiten wird": Global United FC.
Mittlerweile wird er von 307 bekannten Fußballern aus aller Welt unentgeltlich unterstützt. Sie alle eint ein Ziel. Pfannenstiel: "Global United kann nicht die Erderwärmung stoppen, aber wir können mit Hilfe des Fußballs dabei helfen, den ersten Schritt zu gehen und zunächst ein Bewusstsein für die Folgen des Klimawandels zu schaffen."
Wikipedia-Eintrag als Highlight
Deswegen investiert er sein Herzblut und die wenige verbleibende Freizeit in die Umsetzung von Events - wie jenen im entlegenen Otavi. Eine kleine Ortschaft im kaum besiedelten Norden Namibias, die zwar keine Perspektive, dafür aber erstaunlicherweise über einen eigenen Wikipedia-Eintrag verfügt: "Die Wirtschaft Otavis beruht auf zwei Lebensmittelgeschäften, einer Mühle, zwei Banken und zwei Tankstellen."
Anfang dieses Jahres jedoch wurde unweit Otavis die modernste und umweltschonendste Zementfabrik Afrikas eingeweiht. Mit 250 Millionen Euro war es das zweitgrößte Investment seit der Unabhängigkeit Namibias 1990, in Auftrag gegeben hatte es Ohorongo Cement, eine Tochter des deutschen Unternehmens Schwenk Zement.
Eine Idee wird geboren
Es war einer der seltenen Augenblicke, an denen Pfannenstiel etwas Zeit zur Muße hatte. In seinem Lieblingshotel in Windhoek, auf einem Hügel gelegen mit herrlicher Aussicht auf das Stadtzentrum, genoss er die Abenddämmerung und kam mit einem Deutschen ins Plaudern.
Er stellte sich als Gerhard Hirth vor, Geschäftsführer von Schwenk Zement, einer der führenden Zementhersteller Europas. Er sei einige Tage in Namibia, um sich ein Bild über den Bau der neuen Fabrik in Otavi zu machen.
Pfannenstiel wiederum sprach über Global United und die fortwährende Suche nach Sponsoren, denen der Umweltschutz ähnlich wichtig ist. Wenig später war die Idee geboren, in eben diesem vergessenen Otavi das Benefiz-Spiel auszutragen.
Ramelow der "Star from Germany"
"Nein", sagte Masingi, es tue ihm leid, aber Stig Töfting sei ihm anders als Oliseh oder Südafrikas Legende Phil Masinga kein Begriff. Aber die Tätowierungen des ehemaligen Bundesliga-Profis hinterließen Eindruck. "Ist das normal?"
Der 13-Jährige gehörte zu den rund 3000 Zuschauern, die sich am Fußballplatz von Otavi versammelten, um dem außergewöhnlichen Schauspiel beizuwohnen. Jemanden wie Töfting haben sie noch nie gesehen, auch nicht Ramelow, den Unbekannten mit dem strohblonden Haar, der beim Einlauf als "Star from Germany" vorgestellt wurde.
"Aber ich weiß, dass es große Namen sind und ich ein Trikot von ihnen haben will", sagte Masingi, bevor er sich seinen Freunden anschloss. Aus den Lautsprechern dröhnte Shakiras WM-Song "Waka Waka" und Otavi tanzte, während sich die Spieler ob der Stimmung vergnügt aufwärmten. Nur Harald Hecht schaute besorgt.
Der Himmel verhieß vor dem Anpfiff nichts Gutes, es blitzte unaufhörlich und erste Regentropfen fielen. Pfannenstiel hat die Visionen, Hecht das Organisationstalent. Das Wetter blieb jedoch bei aller Sorgfalt eine Unbekannte.
Ein Namibier namens Harald Hecht
Hecht ist Partner einer Steuerberaterkanzlei in Windhoek. Seine Familie lebt in dritter Generation in Namibia, er selbst fühlt sich entsprechend als Namibier und singt vor dem Anpfiff die Hymne mit, gleichzeitig ist er tief in Deutschland verwurzelt. Sein Hochdeutsch ist so geschliffen wie seine Liebe für Fußball ausgeprägt.
Der 45-Jährige war es gewesen, der vor zwei Jahren Pfannenstiel nach Namibia lockte, damals mit dem Amt des Sportdirektors beim Erstligisten Ramblers, dem Hecht als Präsident vorstand. Seitdem verbindet beide eine Freundschaft.
Elfmeterschießen entscheidet
Hecht zeichnete verantwortlich dafür, dass sich alle Aktivitäten um den Global-United-Besuch trotz eines straffen Zeitplans ausgingen, sei es das Bäumepflanzen an Grundschulen, das Müllsammeln, ein Charity-Kick im Township von Windhoek oder die Besichtung eines Medizinzentrums in Otavi. Und auch das eigentliche Benefiz-Spiel war ein Erfolg.
Die Gewitterwolken zogen vorbei und nach einem angesichts des ramponierten Platzes überraschend ansehnlichen Spiels trennten sich die Teams 3:3. Die namibischen All-Stars entschieden das darauffolgende Elfmeterschießen für sich, woran sich jedoch keiner der angereisten Spieler störte.
"Ich habe vor 70.000 Zuschauern gespielt, aber das hier war einzigartig. Ich bin froh, dabei gewesen zu sein", sagte Oliseh nach dem Schlusspfiff, während er gemächlich an den anwesenden Polizisten vorbei zum Bus lief. Fotos wollte diesmal keiner schießen.
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